Independent Retail Europe: Generalversammlung in Barcelona

Auf der Generalversammlung des europäischen Spitzenverbandes der Verbundgruppen, Independent Retail Europe, drehte sich am 29. Oktober alles um die "Digitalisierung des Handels". Die richtigen Strategien und politischen Rahmenbedingungen standen auch im Fokus der anschließenden Konferenz in Barcelona.

Brüssel, 02.11.2015 — "Der Weg zu nahtlosem Multi-Channel Vertrieb" - schon der Titel der im Anschluss zur Generalversammlung ausgerichteten Konferenz war vielversprechend. So war es auch nicht verwunderlich, dass fast 60 Vertreter von Kooperationen aus ganz Europa der Einladung der spanischen Verbundgruppe ANCECO gefolgt sind.

Bereits zur Eröffnung der Konferenz verdeutlichte der Präsident von ANCECO, Jordi Costa Argelaguet, dass spanische Verbundgruppen ähnliche Erfahrungen mit der aufkommenden Technologie des Handels haben, wie deutsche mittelständische Kooperationen. Nach der langsam aber sicheren Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise besteht auch für seine Verbundgruppe daher die Hauptaufgabe darin, seinen Mitgliedern den Weg in die Digitalisierung zu erleichtern und so für Wachstum und Beschäftigung zu sorgen.

Lage der Verbundgruppen in Europa

Verbundgruppenexperte Prof. Dr. Dirk Morschett gab als Diskussionsgrundlage einen kurzen Überblick über die bestehende Lage des Einzelhandels in Europa. Überall zeichne sich ein gleicher Trend ab: Wie in einer "Sandwichstellung" befindet sich der Einzelhandel permanent zwischen aggressiver werdenden Discountern, Online-Pure-Playern mit strukturellen Vorteilen in Sachen Online-Handel, und der Markenindustrie. Gerade letztere sorge für einen immer stärkeren Verdrängungswettbewerb in europäischen Innenstädten. Ob auf der Passeig de Gracia in Barcelona oder in der Kölner Schildergasse, das Straßenbild werde zunehmend von markeneigenen Stores dominiert. "Um dem entgegen zu wirken, müssen kooperierende Einzelhändler ihre Kunden emotional ansprechen", betonte Morschett.

Weitere Beispiele neuer Omnichannel-Konzepte wurden anschließend von Vertretern von Euronics Spanien und System U, einer französischen Genossenschaft des Lebensmitteleinzelhandels, präsentiert. System U hat vor kurzem ein neues Bestell- und Abholsystem in einigen ihrer Filialen aufgesetzt. Nach Angaben von Vorstandsmitglied Loic Pelletier stelle sich dabei nicht die Frage nach einer Rentabilität. Entscheidend sei vielmehr, einen Mehrwert für die Kunden zu schaffen. Denn der sei schließlich immer nur einen Mausklick von größeren Anbietern - wie Amazon - entfernt.

Ein weiteres Beispiel für ein funktionierendes Multichannel-Konzept stellte Alexander Hock, Geschäftsführer der ANWR Media GmbH, vor. Mit dem preisgekrönten Internetportal Schuhe.de ist es der Verbundgruppe gelungen, seine Anschlusshäuser im Internet präsent zu machen und dabei das Markenimage durchweg stimmig zu halten. Für die innovative Plattform erhielt die Kooperation den Kreativpreis 2015 des MITTELSTANDSVERBUNDES.

Else Groen, Generaldirektorin von Independent Retail Europe, bilanzierte zum Ende des erstem Teils der Konferenz: "Unsere Verbundgruppen gehören zu den fortschrittlichsten Marktteilnehmern in Europa. Lösungen im Bereich Multichannel sorgen dafür, dass den Kunden ein exzellentes Shopping Erlebnis vermittelt wird."

Es wurde auch deutlich, dass weitere Möglichkeiten zur Preisgestaltung innerhalb von Verbundgruppen unerlässlich für deren Wettbewerbsfähigkeit sind. Independent Retail Europe wird daher – mit Unterstützung des MITTELSTANDSVERBUNDES – die Möglichkeiten eines ökonomischen Gutachtens prüfen, welches die Notwendigkeit einer weiteren Öffnung des Wettbewerbsrechts herausstellen soll. Alle anwesenden Mitglieder unterstützten diesen Ansatz. Zur Vorbereitung wird Independent Retail Europe die Wettbewerbsexperten aus den verschiedenen Mitgliedsländern zeitnah zu einem Workshop einladen.

Wie bezahlt Europa in Zukunft?

Der zweite Teil der Konferenz bot einen Überblick über die neuesten europäischen Vorgaben für den Zahlungsverkehr zwischen und in den Mitgliedstaaten. Da es jetzt eine klare Deckelung der sogenannten Interbankenentgelte (Entgelte, die für die Händler anfallen, wenn ein Kunde mit seiner Karte bezahlt) gibt, hofft die EU-Kommission , die gleich zwei Vertreter zu der Konferenz entsandt hatte, eine Stärkung des Wettbewerbs auf diesem sich rasant entwickelnden Markt. Doch auch die Europäische Zentralbank behält den Zahlungsmarkt im Einzelhandel im Auge. Helmut Wacket, Head of the Market Integration Division der EZB, erklärte, wie seine Institution in einem konstanten Austausch mit den Marktteilnehmern getreten ist, um neue Trends und die sich daraus ergebenden Implikationen für den Zahlungsmarkt zu beobachten.

Daniel Gradenegger, Co-Founder und Head of Business Development des schweizer Unternehmens Mumme AG, stellte das Konzept seines Unternehmens vor. Eindrucksvoll erläuterte er, wie der Handel seine Kunden auf deren Smartphone "abholen", und mit durchdachten aber simplen Applikationen an seine jeweiligen lokalen Einzelhändler binden kann. Für Gradenegger das Wichtigste: Den Kunden bei seinem Einkauf jederzeit (digital) zu begleiten.

Vernetzung von Kooperationen in Europa ist wichtig

Im Rahmen der Konferenz wurde deutlich, dass die Kooperationen in Europa - trotz der unterschiedlichen Märkte – viele Parallelen haben. Independent Retail Europe hat erneut bewiesen, wie wichtig die Vernetzung der europäischen Verbundgruppen untereinander ist, um auf dem hart umkämpften Markt des Einzelhandels bestehen zu können. Hauptaufgabe wird es sein, das Netz an stationären, lokalen Einzelhändlern geschickt zu nutzen, um im Wettbewerb mit Online-Pure-Playern bestehen zu können.

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