Bundesregierung veröffentlicht Referentenentwurf eines Barrierefreiheitsgesetzes – Unternehmen sollen Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen gewährleisten

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat einen Referentenentwurf für ein sogenanntes „Barrierefreiheitsgesetz“ veröffentlicht. Dieses Gesetz soll Unternehmen dazu verpflichten, die Barrierefreiheit ihrer Produkte und Dienstleistungen gegenüber Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten. Auch wenn die Umsetzungsdetails noch offen sind, könnte den Unternehmen dadurch zukünftig Mehraufwand drohen.

Berlin, 11.03.2021 – Den vorliegenden Referentenentwurf für das Barrierefreiheitsgesetz hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Anfang März im Rahmen einer Verbändebeteiligung veröffentlicht. Mit diesem Gesetz möchte die Bundesregierung die bereits 2019 beschlossene EU-Richtlinie 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen in deutsches Recht umsetzen. Grundsätzlich ist dabei eine weitgehend identische Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie vorgesehen. Allerdings bleiben vorerst viele Fragen offen, die für die Umsetzung durch die Unternehmen in der Praxis besonders relevant wären. 

Die Barrierefreiheitsanforderungen sollen grundsätzlich für Produkte und Dienstleistungen gelten, die nach dem 28. Juni 2025 in Verkehr gebracht bzw. angeboten werden. Das betrifft auch den Online-Handel und die elektronische Kommunikation mit Verbraucherinnen und Verbrauchern. Zudem ist Hardware barrierefrei zu gestalten, einschließlich der dafür bestimmten Betriebssysteme: Dazu gehören insbesondere Computer, Notebooks, Smartphones, Tablets sowie Zahlungsterminals, z. B. Kartenlesegeräte in Geschäften. Solche Produkte und Dienstleistungen müssen künftig so gestaltet werden, dass sie u.a. für Menschen mit sensorischen oder motorischen Einschränkungen nutzbar sind. Denkbare Maßnahmen beispielsweise auf einer Homepage wären z.B. skalierbare Schrift oder skalierbarer Kontrast, eine Untertitelung bei Videos oder vorgelesener Text.

Der Referentenentwurf des Gesetzes nimmt dabei in erster Linie Begriffsbestimmungen der von den Bestimmungen erfassten Produkte und Dienstleistungen vor, äußert sich zur entsprechenden Marktüberwachung und regelt auch Bußgeldvorschriften im Falle von Verstößen. Die konkreten Kriterienfür die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen sollen hingegen erst später in einer separaten Rechtsverordnung definiert werden.

Dabei ist grundsätzlich zu beachten, dass Barrierefreiheit im Sinne des Gesetzentwurfs sich zwar an den Erfordernissen vonMenschen mit Behinderungen orientiert, diese Gruppe aber relativ weit definiert wird. Als „Menschen mit Behinderungen“ gelten demnach alle „Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können“. Diese Definition schließt auch altersbedingte Einschränkungen mit ein, weshalb das BMAS selbst auf die gestiegene Relevanz der Barrierefreiheit angesichts einer alternden Bevölkerung hinweist. Da vor diesem Hintergrund die Bandbreite der für die Barrierefreiheit relevanten Beeinträchtigungen sehr hoch ist, kommt den konkreten Kriterien für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen – und damit der noch ausstehenden Verordnung – entscheidende Bedeutung zu. Grundsätzlich soll laut Referentenentwurf Maßgabe sein, dass Produkte oder Dienstleistungen dann als barrierefrei gelten, wenn Menschen mit Behinderungen sie in größtmöglichem Umfang nutzen können.

Die Barrierefreiheitsanforderungen an Produkte und Dienstleistungen sollen hingegen nach dem Referentenentwurf nicht gelten, soweit ihre Einhaltung zu einer unverhältnismäßigen finanziellen Belastung des betreffenden Wirtschaftsakteurs führen würde. Der Wirtschaftsakteur muss dabei eine entsprechende Beurteilung vornehmen und diese dokumentieren. Anschließend muss er sie für einen Zeitraum von fünf Jahren aufbewahren und der zuständigen Marktüberwachungsbehörde auf Verlangen vorlegen. Darüber hinaus sollen Ausnahmen für Kleinstunternehmen gelten. 

DER MITTELSTANDSVERBUND erkennt das grundsätzlich sinnvolle Anliegen des Gesetzentwurfs an, sieht damit aber einen zusätzlichen Mehraufwand auf die Unternehmen zukommen. Dieser dürfte insbesondere kleine und mittlere Unternehmen belasten. Es bleibt insbesondere abzuwarten, welche Anforderungen an die Barrierefreiheit konkret gelten werden. Vor diesem Hintergrund ist es sehr bedauerlich, dass der Entwurf einer entsprechenden Verordnung bisher nicht vorliegt, der gerade diese Fragen klären würde. Grundsätzlich stellt eine solche Verordnung das geeignetere Instrument zur Klärung der Anforderungen dar, da Technik einer schnellen Veränderung unterliegt und eine Verordnung wesentlich schneller an technische Entwicklungen angepasst werden kann als ein Gesetz. Durch das Fehlen der Verordnung lässt sich somit aber noch nicht abschätzen, wie groß der Aufwand für die Unternehmen im Rahmen des Barrierefreiheitsgesetzes tatsächlich sein wird.

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