Koalitionsvertrag-Check: Klima- und Energiepolitik

In der Klima- und Energiepolitik gingen die Wahlprogramme der Parteien stark auseinander. Ungeachtet dessen ist es den Ampelkoalitionären gelungen, sich in den Bereichen Klima und Energie auf gemeinsame Nenner für die Regierungsarbeit der nächsten vier Jahre zu verständigen. Und nicht nur das: Klimaschutz und die Energiewende sind dominierende Themen des Koalitionsvertrages für die 20. Legislaturperiode.

Berlin, 01.12.2021 – In unserer mehrteiligen Beitragsreihe zum gemeinsamen Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung, bewerten wir die verschiedenen Vorhaben von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP nach den Themenschwerpunkten, die besondere Relevanz für die mittelständischen Unternehmen haben. Damit möchten wir Ihnen einen kompakten und gleichzeitig fundierten Überblick zur politischen Agenda der neuen Ampel-Koalition sowie deren Auswirkungen auf den kooperierenden Mittelstand bieten.

Bereits in der Präambel des Koalitionsvertrages 2021-2025 heißt es „Die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen, hat für uns oberste Priorität. Klimaschutz sichert Freiheit, Gerechtigkeit und nachhaltigen Wohlstand. Es gilt, die soziale Marktwirtschaft als eine sozial-ökologische Marktwirtschaft neu zu begründen.“ Es ist ein Versprechen, Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen – nicht mehr und nicht weniger.

Deutschland und die Europäische Union auf dem Weg zur Klimaneutralität

Die neue Bundesregierung ergänzt in diesem Punkt ihre Strategie und die dazugehörigen Umsetzungsinstrumente. So werden den bisherigen tragenden Säulen Energieeffizienz, Elektrifizierung, Erneuerbaren-Ausbau und Kohle-Ausstieg weitere Handlungsfelder hinzugefügt – bestes Beispiel der Hoffnungsträger Wasserstoff.

Schon die „alte“ Bundesregierung hatte sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 einen Leitmarkt für Wasserstofftechnologien zu etablieren. Vorgesehen ist beispielsweise die Gründung einer Europäischen Union für grünen Wasserstoff. Zudem sollen Investitionen in den Aufbau einer Wasserstoffnetzinfrastruktur finanziell gefördert werden. Dabei erfährt auch die nationale Wasserstoffstrategie ein Update. Auch sollen sogenannte „Superabschreibungen“ für Klimaschutz-Investitionen in den Jahren 2022 und 2023 ermöglicht werden. Insgesamt unterstreicht der Koalitionsvertrag die Bedeutung von grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energien, der allerdings möglichst effizient und damit vorrangig in den Wirtschaftsbereichen zum Einsatz kommen soll, in denen eine direktelektrische Nutzung nicht möglich ist.

Klimaanpassung

Unter dem Eindruck der Flutkatastrophe des Sommers 2021 wird eine Klimaanpassungsstrategie erarbeitet, die in ein Klimaanpassungsgesetz münden soll. So wird ein Rahmen geschaffen, um gemeinsam mit den Ländern eine nationale Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen umzusetzen, um gegebenenfalls rechtzeitig nachsteuern zu können. Dafür soll auch zeitnah ein Klimasofortprogramm auf den Weg gebracht werden. 

Stärkung des Ausbaus der erneuerbaren Energien

Auch die Ausbauziele für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien können als sehr ambitioniert – manche sprechen sogar von extrem ambitioniert – bezeichnet werden. Der vorgezogene Ausstieg aus der Kohle und der Ausstieg aus der Kernkraft auf der einen Seite bei gleichzeitig absehbarem deutlichem Anstieg des Bruttostromverbrauchs, machen eine Anhebung des Ausbauziels auf einen Anteil von 80 Prozent Erneuerbare bis 2030 unumgänglich. Nichtsdestotrotz soll dafür gesorgt werden, dass auch weiterhin die Systemstabilität gewährleistet bleibt, wofür eine Roadmap bis 2023 erarbeitet werden muss. Das Förderende der erneuerbaren Energien mit Vollendung des Kohleausstiegs wird „idealerweise“ im Jahr 2030 erfolgen. Zudem wird den Erneuerbaren, wenn auch befristetet, Vorrang als Anliegen öffentlichen Interesses eingeräumt. Die soll, neben einem verstärkten Ausbau von Wind an Land und See (On- und Offshore), einer Solarpflicht für gewerbliche Neubauten und einer faktischen Pflicht (Regelfall) für private Neubauten den Ausbau der Erneuerbaren erheblich beschleunigen. Und auch im Wärmebereich wird die Zielmarke mit einem Anteil von 50 % im Jahr 2030 deutlich nach oben geschraubt.

Förderung und Standards im Gebäudebereich

Der Gebäudebereich ist von weiteren weitreichenden Änderungen betroffen. Neben einer Änderung des Gebäude-Energie-Gesetzes (GEG) zur Angleichung des Energiestandards ab 2025 auf den heutigen Effizienzhaus-40-Standard, soll eine Verbesserung und Vereinheitlichung sowie Digitalisierung des Gebäudeenergieausweises vorangebracht werden. Zudem soll ab 1. Januar 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden. Gestützt wird dieses umfangreiche ordnungsrechtliche Maßnahmenpaket durch umfangreiche Fördermaßnahmen, wie dem Förderprogramm „Serielles Sanieren“.

Antriebswende im Straßenverkehr

Im Koalitionsvertrag wird als Zielmarke für 2030 mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw aufgerufen. Novum dabei, Plug-in-Hybride fließen in diese Zählung nicht mehr mit ein. Unter anderem damit soll Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität ausgebaut werden. Ein wichtiges Ziel dabei bleibt die Infrastruktur mit einer Zielmarke von einer Million öffentlich zugänglichen Ladepunkten bis 2030. Der Ausbau soll ressortübergreifend beschleunigt und effizienter gestaltet werden bei vereinfachten und beschleunigten Genehmigungsprozessen. Hervorzuheben sind die Aussagen zum Thema bidirektionales Laden, das nun aktiv vorangebracht werden soll. Der Vertrag geht explizit auf die Anforderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ein, die durch eine gezielte Clusterförderung unterstützt werden. Was es im Koalitionsvertrag nicht gibt, ist ein noch im Wahlkampf heftig diskutiertes Enddatum für den Verbrenner – wobei durchaus konstatiert wurde, dass „wir im Zuge der Dekarbonisierung die Technologie des Verbrennungsmotors hinter uns lassen werden“. Festgehalten wurde, dass im Verkehrsbereich 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden, mit der Ausnahme, dass auch nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können. Mehr Investitionen in die Schiene, weniger in die Straße. Ab 2023 wird eine CO2-Differenzierung der LKW-Maut vorgenommen werden, den gewerblichen Güterkraftverkehr ab 3,5 Tonnen einzubeziehen und einen CO2-Zuschlag einzuführen, mit Bedacht, um eine Doppelbelastung durch den CO2-Preis auszuschließen.

Instrumente des Strommarktdesigns

Die längst überfällige Abschaffung der mittelstandsfeindlichen EEG-Umlage wird ab 2023 umgesetzt. DER MITTELSTANDSVERBUND fordert dies seit vielen Jahren und begrüßt diesen Schritt, allerdings hätten wir uns angesichts der aktuellen Strompreisentwicklung mehr Mut zu weiteren Strompreisabsenkungen gewünscht, denn einzig die Abschaffung der EEG-Umlage ist nicht ausreichend.

CO2-Bepreisung

Ziel ist, ein EU-weites Emissionshandelssystem mit einem einheitlichen CO2-Mindestpreis von 60 Euro je Zertifikat. Der nationale CO2-Preis im Brennstoffemissionshandel wird nicht angefasst und behält seinen definierten Anstiegspfad bei. Es wird an einer Sicherung der Kompatibilität des nationalen Emissionshandels mit dem zukünftigen EU-weiten Emissionshandel gearbeitet, um einen reibungslosen Übergang ab 2025 gewährleisten zu können.

Fazit

Die Bundesregierung hat sich viel vorgenommen und wird sich an der Umsetzung der ambitionierten Ziele messen lassen müssen. Dies auch verbunden mit der Frage, ob die Maßnahmen ausreichen und die Lasten gerade mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Deutschland gerecht verteilt werden. Der Koalitionsvertrag „Wir wollen mehr Fortschritt wagen“ sieht insgesamt 17 Ressorts vor. Neu dabei ist, dass das Wirtschaftsministerium künftig auch die Verantwortung für den Bereich Klimaschutz tragen wird.

Positiv zu bewerten, ist das ambitionierte Vorantreiben des Ausbaus der erneuerbaren Energien, um die Wettbewerbsfähigkeit gerade auch von kleinen und mittleren Unternehmen durch marktadäquate Strompreise am Standort Deutschland zu erhalten. DER MITTELSTANDSVERBUND wird diesen Prozess begleiten, genau hinschauen und mit Blick auf Planbarkeit und Verlässlichkeit für den Mittelstand, sofern notwendig, Nachjustierungen konsequent einfordern.

Das vorliegende Papier operiert viel mit Zahlen, Daten und Fakten, die vor allem eins belegen, das Zeitfenster für wirksame Maßnahmen, um auf einem 1,5 Grad-Pfad zu bleiben, ist kurz und die nun angestoßene große Transformation der nächsten acht Jahre bleibt eine der größten gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.

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Ansprechpartner

Dr. Sabine Schäfer DER MITTELSTANDSVERBUND
Dr. Sabine Schäfer Projektleiterin Klimaverbund und Leiterin Klima, Energie und Ressourcen Mehr Infos
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