Mieten und Pacht: Gesetzgeber erklärt behördliche Betriebsschließungen zur Störung der Geschäftsgrundlage

Im Schnellverfahren beschlossen Bundestag und Bundesrat neue Regeln hinsichtlich der Anpassungsmöglichkeiten von Miet- und Pachtverträgen. Die aufgrund der anhaltenden hohen Infektionszahlen angeordneten Betriebsschließung stellen danach - bezogen auf die geschlossenen Miet- und Pachtverträge - eine Störung der Geschäftsgrundlage dar. Was dies konkret für Mieter und Pächter mit aktuell ausfallenden Umsätzen bedeutet, bleibt hingegen abhängig vom Einzelfall.

Brüssel, 16.12.2020: Bereits seit Beginn der COVID-19 Pandemie streiten sich Miet- bzw. Pachtparteien mit den Gerichten über eine gerechte Risikoverteilung: Wer trägt das Risiko, dass ein Mietobjekt in Zeiten des Lockdowns von den Unternehmern nicht genutzt werden kann? In vielen Fällen konnten sich die Vertragsparteien bislang gütlich einigen. In anderen Fällen ging es um die Frage, ob die behördlich angeordneten Betriebsschließung auch auf das dahinterstehende Miet- oder Pachtverhältnis „durchstoßen“ und zumindest eine Anpassung, wenn nicht gar Aufhebung des Vertrags rechtfertigen.

Bereits die Ergebnisse der Telefonkonferenz der Ministerpräsidenten und der Bundesregierung hinsichtlich des weiteren Vorgehens zur Bekämpfung der stetig steigenden Infektionszahlen vom 13. Dezember zeigte, dass viele Landesregierungen in den behördlichen Betriebsschließungen zumindest eine Störung der Miet- und Pachtverhältnisse sehen.

Bundestag und Bundesrat haben sich nunmehr im Schnellverfahren dieser Auffassung angeschlossen und eine neue Gesetzliche Vermutung konstituiert; Aufgrund des Zeitdrucks wurde kurzerhand des letzte Woche in beiden Häusern verabschiedete Gesetz zur Anpassung der Restschuldbefreiung in einem entscheidenden Punkt erweitert.

Was wurde beschlossen?

Das nunmehr angenommene Gesetz zur Anpassung der Restschuldbefreiung regelt – wie der Name bereits sagt – eigentlich eine ganz andere Rechtsmaterie. Hingegen wurden durch die Änderungen von Bundestag und Bundesrat nunmehr auch eine Regelung der Änderung des Zivilrechts eingefügt; In dem nunmehr angepassten Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch heißt es danach:

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.

313 BGB bestimmt wiederum, dass bei nachträglicher Änderung der Umstände eines Vertrags dessen Anpassung verlangt werden kann, soweit nicht anderen Gründe dagegensprechen.

Eine Anpassung kann – bezogen auf Mietverträge - dabei von Stundung über Mietminderung bis hin zur Aufhebung des gesamten Vertrags bedeuten.

In dieser Weise hatten bereits verschiedene Gerichte in erster Instanz zu Fällen geurteilt, in denen Gewerbemieter bzw. -pächter von verschiedenen Maßnahmen des Frühjahrs-Lockdown betroffen waren. Die Gerichte hatten in einigen Fällen eine Vertragsanpassungspflicht angenommen und eine Minderung der Miete bzw. Pacht in unterschiedlichem Ausmaß anerkannt. Dies folgt zum Teil aus der unterschiedlichen Beeinträchtigung, die eine einzelne Maßnahme bedeutet – von der kompletten Schließung eines Geschäfts bis zur Zutrittsbeschränkung anhand der Quadratmeterzahl. Ein einheitlicher Maßstab ist aus den bisherigen Urteilen noch nicht erkennbar.

Einzelfallbewertung weiterhin notwendig

Eine klare Rechtsfolge hatte der bestehende § 313 BGB bereits bislang nicht. Daran hat sich - entgegen einigen Aussagen in den Medien – nichts geändert; Eine abschließende Bestimmung der Rechtsfolge wurde auch durch die neue Rechtsänderung bei behördlichen Betriebsschließungen nicht bewirkt. Dem Mieter bzw. Pächter obliegt es weiterhin darzustellen, inwieweit das Festhalten am aktuellen Vertrag tatsächlich unzumutbar ist. Kompensationen in Form staatlicher Beihilfen können dabei ebenso ein Argument gegen die Störung der Geschäftsgrundlage darstellen wie ein gut laufenden Click&Collect Geschäfts. Ebenso bleibt offen – sofern eine Vertragsanpassungspflicht anzunehmen ist – in welchem Ausmaß die Miete bzw. Pacht gekürzt werden dürfte. Auch hierfür bietet die Gesetzesänderung keinerlei Anhaltspunkte.

Fazit

Die Neuregelung bzw. Erweiterung der kann damit insgesamt als Anregung weiterer Verhandlungen von Mieter und Vermieter gesehen werden – eine abschließende Regelung wurde nicht getroffen.

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