Zweites Energie-Entlastungspaket der Bundesregierung: Wenig zielgerichtet, zu sehr Gießkannenprinzip

Die Bundesregierung hat sich nach langen Verhandlungen am 24. März 2022 auf ein weiteres Energie-Entlastungspaket geeinigt, das Belastungen von Unternehmen wie auch VerbraucherInnen aufgrund der derzeit hohen Energiepreise abfedern soll. DER MITTELSTANDSVERBUND hat bereits vor vier Wochen über das erste Entlastungspaket informiert.

Berlin, 25.03.2022 – Die Regierungsparteien hatten sich bereits am 23. Februar 2022 auf ein umfassendes Paket zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen geeinigt. Dazu zählt u.a. die Unterstützung zur Senkung der Stromkosten durch die vorzeitige Abschaffung der EEG-Umlage ab dem 1. Juli 2022, die Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrags, des Grundfreibetrags, der Fernpendler-Pauschale, des Heizkostenzuschusses und zahlreiche weitere Maßnahmen. Bereits am 17. März 2022 wurde zudem eine Verdoppelung des Heizkostenzuschusses für Empfängerinnen und Empfänger von Wohngeld, BAföG, Bundesausbildungshilfe oder Ausbildungsgeld auf den Weg gebracht. Diese bereits vier Wochen alte Beschlüsse werden nun durch weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Belastungen für Bürgerinnen und Bürger wie auch Unternehmen ergänzt.

Dabei ist zu beachten, dass das vorliegende Entlastungspaket bisher nur eine vorläufige Einigung der Koalitionspartner darstellt. Unmittelbare Wirkung können die enthaltenen Maßnahmen erst entfalten, wenn sie auf dem Weg einer Gesetzesänderung oder Verordnung rechtlich umgesetzt werden. Hierzu liegen bisher noch keine konkreten Entwürfe vor.

Die wichtigsten Maßnahmen des aktuellen Paketes

  • Energiepreispauschale

Alle einkommenssteuerpflichtigen Erwerbstätigen sollen einmalig eine sogenannte „Energiepreispauschale“ in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt erhalten. Geplant ist, die Auszahlung über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers abzuwickeln. Die Pauschale soll zusätzlich zu steuerlichen Regelungen wie z.B. der Pendlerpauschale oder der Mobilitätsprämie gewährt werden, gleichzeitig aber der Einkommensteuer unterliegen. Damit würde Steuerpflichtigen mit geringerem Einkommen in der Regel ein größerer Anteil der Pauschale erhalten bleiben. Selbständige sollen die Pauschale ebenfalls erhalten – als Vorschuss über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuer-Vorauszahlung. Unklar bleibt allerdings die konkrete Umsetzung – insbesondere inwieweit Arbeitgeber für den Zuschuss zusätzlich zum regulären Gehalt in finanzielle Vorleistung gehen müssen und wie etwa eine Kompensation bzw. Verrechnung zwischen den Finanzämtern und den Arbeitgeber erfolgen soll.

  • Schrittweise Reduzierung und Beendigung der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen

Die Bundesregierung konstatiert, dass – neben einem deutlichen Mehr an Energieeffizienz – der mittel- und langfristig zentrale Baustein der Diversifizierung der Umstieg auf Erneuerbare Energien in allen Sektoren ist. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird daher weiter beschleunigt. Mit Blick auf die Gasversorgung soll u.a. die Beschaffung von Flüssigerdgas (LNG) unterstützen, Füllstandsvorgaben für Gasspeicher gemacht sowie die schnelle Genehmigung von LNG-Terminals vorangetrieben werden. Zudem ist langfristig eine deutliche Stärkung der Wasserstoffwirtschaft geplant. Bemerkenswert ist, dass der Gasverbrauch in der Stromerzeugung kurzfristig über den längeren Betrieb von Kohlekraftwerken reduziert werden soll – ohne allerdings am Idealziel eines Kohleausstiegs 2030 zu rütteln.

  • Steigerung des Einsatzes Erneuerbarer Energien und von Energieeffizienz im Gebäudesektor

Ab dem 1. Januar 2024 soll möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. Diese Maßnahme kommt nun früher und wird um ein Jahr vorgezogen. Zudem soll mit einer Novelle des Gebäudeenergiegesetzes noch in diesem Jahr der Neubaustandard EH 55 ab dem 1. Januar 2023 verbindlich festgelegt werden.

  • Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoff für drei Monate

Zur Entlastung von BürgerInnen und Unternehmen – gerade in der Logistikbranche – sollen die Energiesteuersteuersätze auf Kraftstoffe befristet für einen Zeitraum von drei Monaten auf das europäische Mindestmaß abgesenkt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Besteuerung der verschiedenen Kraftstoffe entspricht dies bei Benzin einer steuerlichen Entlastung von 30 Cent, bei Diesel einer Entlastung von 14 Cent pro Liter. Zudem soll sichergestellt werden, dass diese Absenkung tatsächlich an die VerbraucherInnen weitergegeben wird.

  • Familienzuschuss in Höhe von 100 Euro pro Kind

Für Familien wird es einen einmaligen Bonus von 100 Euro je Kind zusätzlich zum Kindergeld mit Anrechnung auf den steuerlichen Kinderfreibetrag geben. Auch hier mit der Maßgabe soziale Härtefälle deutlich stärker zu entlasten.

  • 9 für 90“ – Drei Monate für nur 9 Euro pro Monat den öffentlichen Nahverkehr nutzen

Bundesweit soll es für drei Monate Tickets für den öffentlichen Nahverkehr in Höhe von 9 Euro geben. Die Länder werden mit Mitteln des Bundes unterstützt.  Für einen nachhaltigen Effekt zum dauerhaften Wechsel vom Individual- zum öffentlichen Nachverkehr dürfte der Zeitraum allerdings deutlich zu kurz bemessen sein.

Vorweg: Es gibt keine einfachen Antworten auf die aktuelle Preiskrise.

Das zweite Entlastungspaket enthält zwar eine Reihe von Maßnahmen mit Entlastungswirkungen, die sich allerdings nicht auf eine Entlastung der am meisten Betroffenen fokussieren. Insbesondere fehlen Ansätze, die explizit die Unternehmen entlasten würden. Zudem bleibt die Frage, ob eine unbürokratische und schnelle Umsetzung der Maßnahmen möglich ist. Mit Blick auf die Energiepreispauschale muss aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES auf jeden Fall vermieden werden, dass Arbeitgeber bei der Auszahlung in finanzielle Vorleistung gehen müssen. Denn die Arbeitgeber – gerade die mittelständischen Unternehmen – sind ja selbst durch die Preissteigerungen finanziell stark belastet.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie sich zukünftig eine „Pro-Kopf“-Ausschüttung von Zuschüssen organisatorisch gut vornehmen lässt. Ein Meilenstein im Entlastungspaket ist der Ansatz der Bundesregierung, einen unbürokratischen Weg zu prüfen, um einen Auszahlungsweg über die Steuer-ID für das zukünftig auszuzahlende Klimageld zu entwickeln. Mit Blick auf die Energiepreispauschale ist dies bisher nicht möglich, weshalb der bürokratischere Umweg über die Lohnabrechnung der Arbeitgeber gegangen werden soll.

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