12 Euro Mindestlohn: MITTELSTANDSVERBUND fordert Respekt vor Tarifautonomie und Rücksicht auf pandemiebetroffene Unternehmen

Das zentrale Wahlversprechen der SPD will die Ampelkoalition zügig umsetzen – ab Oktober 2022 soll der gesetzliche Mindestlohn von derzeit 9,82 Euro über 10,45 Euro ab Juli auf dann 12 Euro steigen. Diese Erhöhung um über 22 % trifft gerade die pandemiebetroffenen Handels- und Dienstleistungsbranchen zur Unzeit. Zudem greift die politische Entscheidung in einzelne bestehende Tarifverträge ein und belastet die Tarifhoheit auf Dauer. DER MITTELSTANDSVERBUND positioniert sich.

Berlin, 01.02.2022 – Jenseits des Pandemiemanagements geht die Ampelkoalition zügig die ersten Projekte aus dem Koalitionsvertrag an. Das zentrale Wahlversprechen der SPD – die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro im ersten Jahr der neuen Regierung – ist nun mit Vorlage eines Referentenentwurfs angestoßen worden. DER MITTELSTANDSVERBUND hat sich an der Verbändeanhörung beteiligt und konkret folgende Forderungen aufgestellt: 

  • Achtung der Tarifautonomie – keine politische Festlegung des Mindestlohns

Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen ist ureigene, verfassungsrechtlich geschützte Aufgabe der Tarifpartner. Wir haben deshalb bereits bei Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015 davor gewarnt, dass ein politisch festgesetzter Mindestlohn zum Spielball künftiger Wahlkämpfe werden könnte. Nun ist genau das eingetreten. Damit wird die Arbeit der Mindestlohnkommission ad absurdum geführt und letztlich die Tarifautonomie entwertet. 

  • Längere Übergangsfristen erforderlich

Die geplante Erhöhung auf 12,00 Euro stellt – allein bezogen auf das Jahr 2022 – eine Steigerung des Mindestlohns von mehr als 22 % dar. Dieser große Schritt kommt für viele kleinere und vor allem für die von der immer noch grassierenden Pandemie betroffenen Unternehmen zur Unzeit. Die Reserven, mit denen ein solcher Anpassungsprozess bei den Entgelten gestaltet werden könnte, sind nach zwei Jahren Pandemie erschöpft.

Die Erfahrungen nach der Einführung des Mindestlohns (evaluiert im IAB-Betriebspanel) zeigen, welche Effekte bei den betroffenen Unternehmen zu erwarten sind: wo es umsetzbar ist, werden die Preise steigen, die Gewinne werden (weiter) zurückgehen und Investitionen werden nicht getätigt. Diese Effekte gab es nach 2015 in einer Zeit des Aufschwungs, aber heute stellt sich die Lage anders dar, gerade in den pandemiebetroffenen Branchen. Zumindest eine deutliche Übergangsfrist könnte hier Abhilfe verschaffen. 

  • Respekt vor der Tarifhoheit - Bestandsschutz für Tarifvereinbarungen 

Diverse bereits getroffene Tarifvereinbarungen reichen über den Oktober 2022 hinaus und beinhalten Entgeltgruppen unterhalb 12,00 Euro. Für diese muss ein Bestandsschutz eingeführt werden. Die praktische Relevanz diese Frage ist heute weit höher als im Jahr 2015. Denn die hier geplante Erhöhung des ist ein erheblicher Sprung, der weit über der Tarifentwicklung liegt und untere Gruppen „überholt“.

Da in tarifgebundenen Unternehmen zwangsläufig weitere Leistungen gewährt werden müssen und nicht verrechnet werden können (z.B. Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Zuschläge), wirkt sich hier ein Überholen der unteren Entgeltgruppen noch stärker aus. Spiegelbildlich würde ein Bestandsschutz für die knapp unter 12 Euro liegenden Tarifentgelte auch in der Gesamtbetrachtung nicht zwangsläufig zu einer Schlechterstellung der Beschäftigten führen.

Zu guter Letzt bleibt anzumerken, dass der Staat selbst weit überproportional von der Mindestlohnerhöhung partizipiert. Am Beispiel einer Vollzeitkraft mit Steuerklasse 1 berechnet, erhöht sich allein die Lohnsteuer um über 80 Euro pro Monat, das Nettoentgelt hingegen um etwa 200 Euro. Die Mitnahme eines solchen „Nebeneffekts“ zu Lasten der Betroffenen könnte die Koalition verhindern, z.B. durch eine entsprechende Anpassung des Einkommensteuertarifs. Zudem sollte sie die auf diesem Wege steigenden Einnahmen in die gesetzliche Rentenversicherung nicht dazu nutzen, um die seit Jahren erforderlichen Strukturreformen weiter auszusitzen.  

Das Gesetzgebungsverfahren soll dem Vernehmen nach zügig betrieben und vor der Sommerpause abgeschlossen werden. Zeitgleich werden die Schwellenwerte für Mini- und Midijobs auf 520 Euro bzw. 1.600 Euro angepasst. Der Schwellenwert für Minijobs wird dynamisiert, so dass dauerhaft eine Tätigkeit von max. zehn Stunden wöchentlich abgedeckt ist. 

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