Altersarmut adé? Koalition streitet über Grundrente

Mit seinem Konzept zur „Grundrente“ hat Bundesarbeitsminister Heil neuen Streit in der Koalition ausgelöst. Er will langjährig Versicherten einen Zuschlag zur gesetzlichen Rente zahlen. Die Union besteht auf einer Bedürftigkeitsprüfung.

Berlin, 21.2.2019 – Nach den Rentenpolitik der letzten Wahlperiode setzt Bundesarbeitsminister Heil die Liste an Wahlgeschenken fort: Auf Rente mit 63 und Mütterrente soll nun die Grundrente, also ein Zuschlag für mindestens 35 Jahre lang versicherte Personen, folgen. Hierzu hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ein Konzept vorgelegt, das sich zwar an den Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag orientiert, einen wichtigen Punkt jedoch auslässt.

Dort hatten sich CDU, CSU und SPD auf folgende Regelung geeinigt:

Altersarmut adé? Koalition streitet über Grundrente„Die Grundrente gilt für bestehende und zukünftige Grundsicherungsbezieher, die 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung bzw. Pflegezeiten aufweisen. Voraussetzung für den Bezug der „Grundrente“ ist eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung. (…)“

Konkret setzt sich das Konzept des BMAS zur Grundrente aus folgenden Bausteinen zusammen:

  1. Zuschlag auf die gesetzliche Rente
    Die gesetzliche Rente wird um einen Zuschlag erhöht, wenn die Versicherten mindestens 35 Jahre „Grundrentenzeiten“ vorweisen können – das sind Pflichtbeitragszeiten vor allem aus Beschäftigung, Kindererziehung und Pflegetätigkeit. Grundlage der Berechnung sind die in den „Grundrentenzeiten“ erworbenen Entgeltpunkte. Eine Bedürftigkeitsprüfung findet nicht statt.
    Davon werden nach Einschätzung des BMAS drei bis vier Millionen Menschen profitieren können. Es soll nicht zwischen heutigen und künftigen Rentnern unterschieden werden – die Regelungen sollen für alle gelten.
    Maßgeblich für die Berechnung des Zuschlags sind die Entgeltpunkte: Ab 35 Jahren „Grundrentenzeiten“ und einem Durchschnittswert von 0,2 EP wird der Durchschnittswert um das Zweifache angehoben, maximal aber auf 0,8 EP pro Jahr.
  1. Freibetrag beim Wohngeld
    Rentnern, die mindestens 35 Jahre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben, soll künftig ein pauschaler Freibetrag bei der Beantragung von Wohngeld gewährt werden. Dieser soll sich an dem bereits für schwerbehinderte Menschen existierenden Freibetrag von 125 Euro orientieren.
    Zuständig für die nähere Ausgestaltung ist das Bundesministerium des Inneren.
  1. Freibetrag in der Grundsicherung
    Wer 35 Jahre lang in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war, soll einen Freibetrag in der Grundsicherung Dieser soll 25 Prozent der individuellen Rente umfassen, maximal aber aktuell 106 Euro (25 Prozent der Regelbedarfsstufe 1). Damit werden Renteneinkünfte in diesem Umfang nicht mehr auf die Grundsicherung angerechnet.

Eine Aussage zu den Kosten macht das BMAS nicht. Laut verschiedener Presseverlautbarungen sollen diese im mittleren einstelligen Milliardenbereich pro Jahr liegen und durch einen (steuerfinanzierten) Zuschuss aus dem Bundeshaushalt beglichen werden. Das vollständige Konzept des BMAS zur Grundrente finden Sie zum Download hier.

Im Koalitionsausschuss am 14. Februar 2019 verlangte die Union deutliche Nachbesserungen und Konkretisierungen. Insbesondere wurde das Fehlen einer Bedürftigkeitsprüfung angemahnt.

Das BMAS hat angekündigt, einen Referentenentwurf bis Mitte des Jahres vorzulegen.

DER MITTELSTANDSVERBUND sieht die Pläne von Bundesarbeitsminister Heil kritisch. Sie setzen die Serie an sozialpolitischen Wahlgeschenken fort, die nachhaltig sowohl Sozialsystemen als auch Bundeshaushalt neue Lasten aufbürden.

Aber auch die Systematik des aktuell vorliegenden Konzepts ist mehr als kritikwürdig: Die geplante Grundrente hätte zur Folge, dass gleich hohe Beiträge nicht mehr auch zu gleich hohen Rentenleistungen führen würden. Sie widerspricht dem Grundsatz, dass sich die Höhe der Rente nach den zuvor eingezahlten Beiträgen richtet. Das wird deutlich im Bereich der 35-Jahres-Grenze: Der 34 Jahre lang Vollzeitbeschäftigte erhält für fast doppelt so viel Arbeit und für mehr als doppelt so hohe Beiträge deutlich weniger Rente als der 35 Jahre lang Teilzeitbeschäftigte.

Mangels Bedürftigkeitsprüfung würden zudem auch Personen profitieren, die auch ohne Grundrente nicht von Altersarmut betroffen sind, etwa weil sie sonstiges Einkommen oder Vermögen haben oder in einem Haushalt mit ausreichendem Einkommen leben. Damit trifft das Konzept des BMAS nicht passgenau das öffentlich erklärte Ziel, nämlich die Bekämpfung von Altersarmut.

Richtig ist allerdings die Zielsetzung, die Grundrente – wenn sie denn trotz aller Kritik eingeführt würde – aus Steuermitteln zu finanzieren, denn bei den geplanten zusätzlichen Leistungen handelt es sich nicht um Leistungen, die durch entsprechende Beiträge gedeckt sind.

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