Auch Änderungskündigungen machen Massenentlassungsanzeige erforderlich

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Änderungskündigungen "Entlassungen" i.S.v. § 17 KSchG sind und somit die Pflicht zur Massenentlassungsanzeige auslösen können.

Berlin, 20.03.2015 — Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 20. Februar 2014 - 2 AZR 346/12 - diese offene Rechtsfrage entschieden.

Leitsatz des Gerichts

Änderungskündigungen sind "Entlassungen" im Sinne von § 17 KSchG. Das gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das ihm mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot ablehnt oder - und sei es ohne Vorbehalt - annimmt.

Sachverhalt

Der beklagte Arbeitgeber beschäftigt regelmäßig nicht mehr als 170 Arbeitnehmer. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des klagenden Arbeitnehmers betriebsbedingt ordentlich. Daneben erklärte er weitere 17 Kündigungen, darunter zwei Änderungskündigungen. Er hat der Bundesagentur für Arbeit die Kündigungen nicht angezeigt. Der Kläger meint, die Kündigungen seien eine Massenentlassung i. S. v. § 17 KSchG. Der Beklagte hätte die Kündigungen daher der Bundesagentur für Arbeit anzeigen müssen.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat der Klage stattgegeben. 18 Kündigungen bei 170 Mitarbeitern lösen die schriftliche Anzeigepflicht gem. § 17 Abs. 1 KSchG aus. „Entlassung“ im Sinne dieser Vorschrift erfasse auch die Änderungskündigung: diese sei hier der "echten" Kündigung gleichzustellen.

Als Grund führt das BAG an, dass die Änderungskündigung die gleichen Anforderungen erfüllen müsse, die an die Wirksamkeit einer „echten“ Kündigung zu stellen sind. Die Entlassung i. S. v. § 17 KSchG verlange nur die Absicht des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Ein tatsächliches Ausscheiden des Arbeitnehmers werde nicht verlangt.

Der Schutzgedanke der Anzeige sei daher bei der Änderungskündigung derselbe. Es mache keinen Unterschied zwischen einer „echten“ Kündigung eines Teilzeitbeschäftigten und einer fühlbaren Reduzierung der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten.

Bewertung

Die Entscheidung lässt eine dogmatische Begründung dafür vermissen, warum eine Änderungskündigung selbst dann einer "echten" Kündigung gleichsteht, wenn sie vorbehaltlos angenommen worden ist. Das BAG hatte zur alten Rechtslage das Gegenteil entschieden, und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer eine Änderungskündigung mit oder ohne Vorbehalt angenommen hat, weil dies zu keiner tatsächlichen Entlassung führte (BAG, Urt. v. 10. März 1982 - 4 AZR 158/79). Die Behandlung einer Änderungskündigung wie eine "echte" Kündigung wäre nur zweckmäßig, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot ausgeschlagen hätte, denn es hätte die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gedroht.

Das BAG hat in seiner neueren Rechtsprechung diese Frage noch offengelassen (BAG, Urt. v. 1. März 2014 - 2 AZR 580/05). Der überwiegende Teil der Literatur war bisher mit guten Gründen davon ausgegangen, dass die Änderungskündigung keine Entlassung ist - wenn auch verbunden mit der Empfehlung einer vorsorglichen Anzeige, um den sich aus § 2 KSchG ergebenden Unsicherheiten hinsichtlich des Arbeitnehmerverhaltens (Annahme des Änderungsangebots mit oder ohne Vorbehalt, oder gar Ausschlagen des Änderungsangebots) zu begegnen.

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