BAG klärt Urlaubsanspruch bei Wechsel von Vollzeit in Teilzeit

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass in dem Fall, dass ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in Teilzeit wechselt und dabei die Anzahl der Wochenarbeitstage verringert, der Urlaubsanspruch grundsätzlich nicht gekürzt werden darf.

Berlin, 20.02.2015 — Mit Urteil vom 10. Februar 2015 - 9 AZR 53/14 (Pressemitteilung zum Download) - hat das BAG seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und nunmehr klargestellt, dass eine solche Kürzung des Urlaubsanspruchs nicht in Betracht kommt, sofern der Arbeitnehmer den Urlaub nicht während der Vollzeitbeschäftigung nehmen konnte.

Leitsätze

1. Wechselt ein Arbeitnehmer von Vollzeit in Teilzeit und geht damit eine Verringerung der Wochenarbeitstage einher, darf der während der Vollzeitbeschäftigung erworbene Urlaubsanspruch nicht verhältnismäßig gekürzt werden.

2. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Beschäftigte ihn während der Vollzeitbeschäftigung nicht nehmen konnte.

3. An der bisherigen anders lautenden Rechtsprechung des BAG wird aufgrund Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot Teilzeitbeschäftigte nicht mehr festgehalten

Sachverhalt

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung. Dieser sieht vor, dass bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Tage beträgt und sich bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche entsprechend vermindert oder erhöht.

Ab dem 15. Juli 2010 wechselte der Kläger in eine Teilzeittätigkeit und arbeitete nicht mehr an fünf sondern an vier Tagen in der Woche. Während seiner Vollzeittätigkeit im Jahre 2010 hatte er keinen Urlaub. Die Beklagte wollte ihm nunmehr nach seinem Wechsel in der Teilzeittätigkeit nur noch 24 anstatt von 30 Tagen Urlaub entsprechend seiner Teilzeittätigkeit gewähren.

Der Kläger macht geltend, ihm stünden für die Zeit von Januar bis Juni 2010 mindestens 15 Urlaubstage zu, für das zweite Halbjahr 12 Urlaubstage. Das LAG hatte die Klage abgewiesen, das BAG der hiergegen gerichteten Revision stattgegeben.

Entscheidungsgründe

Nach AUffassung des BAG verstößt die maßgebliche Tarifnorm gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitkräften und ist insofern unwirksam, soweit sie die Zahl der während der Vollzeittätigkeit erworbenen Urlaubstage mindert. Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfe die Zahl der Tage des bezahlten Jahresurlaubs wegen des Übergangs in eine Teilzeitbeschäftigung nicht verhältnismäßig gekürzt werden, wenn der Beschäftigte ihn vor dem Wechsel in eine Teilzeittätigkeit nicht nehmen konnte.

Das Argument, der erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub werde bei einer solchen Kürzung nicht vermindert, weil er in Urlaubswochen ausgedrückt unverändert bleibe, habe der EuGH unter Hinweis auf das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter ausdrücklich verworfen. Aufgrund dieser Rechtsprechung des EuGH könne an der bisherigen Rechtsprechung des BAG nicht festgehalten werden, nach der die Urlaubstage grundsätzlich umzurechnen waren, wenn sich die Anzahl der mit der Arbeitspflicht belegten Tage verringerte.

Bewertung/Folgen der Entscheidung

Das BAG setzt mit seinem Urteil die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Landeszentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols (Urt. v. 21. April 2010, C 486/08) sowie in der Rechtssache Brandes (Urt. v. 13. Juni 2013, C 415/12) um. Der EuGH hatte sich im gleichen Zusammenhang mit dem anteiligen Anspruch einer Teilzeitbeschäftigten auf Kinderzulage beschäftigt (Urteil vom 5. November 2014, C 476/12).

Konsequenz des Urteils ist, dass Beschäftigten während der Vollzeitbeschäftigung anteilig erworbenen Urlaub auch während der Teilzeitbeschäftigung noch zusteht. Dies gilt allerdings nur, wenn der Beschäftigte ihn während der Vollzeitbeschäftigung nicht nehmen konnte. Was genau darunter zu verstehen ist, ergibt sich aus der Pressemitteilung des BAG nicht. In der Regel werden dies aber Krankheit des Beschäftigten oder dringende betriebliche Gründe sein.

Über die Frage, was geschieht, wenn der Beschäftigte in Vollzeit zurückkehrt, hat das BAG nicht entschieden. Wendet man den den Pro-rata-temporis-Grundsatz allerdings konsequent an, darf der Beschäftigte nur den Urlaub nehmen, den er in der Teilzeitbeschäftigung anteilig erworben hat. Um Probleme wie in dem entschiedenen Fall zu vermeiden, sollten Beschäftigte dazu angehalten werden, ihren Urlaub vor dem Wechsel in eine Teilzeitbeschäftigung zu nehmen.

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