BAG: Vergütung von Reisezeiten

Entsendet der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorübergehend zur Arbeit ins Ausland, sind die für Hin- und Rückreise erforderlichen Zeiten wie Arbeit zu vergüten. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für Reisezeiten getroffen werden.

Berlin, 21.3.2019 – Mit Urteil vom 17. Oktober 2018 - 5 AZR 553/17 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) ein Urteil zur Vergütung von Reisezeiten bei Entsendungen ins Ausland gefällt. Inzwischen liegen die Entscheidungsgründe zu vor.

Mit Urteil vom 17. Oktober 2018 - 5 AZR 553/17 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) ein Urteil zur Vergütung von Reisezeiten bei Entsendungen ins Ausland gefällt.Grundsätzlich ordnet das BAG Reisezeiten als Arbeitszeit ein. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann jedoch eine gesonderte Vergütungsregelung für Reisezeiten getroffen werden.

Sachverhalt

Der Kläger ist arbeitsvertraglich verpflichtet, auf wechselnden Baustellen im In- und Ausland zu arbeiten. Für die Zeit vom 10. August bis zum 30. Oktober 2015 wurde der Kläger auf eine Baustelle nach Bengbu (China) entsandt.

Auf Wunsch des Klägers buchte die Beklagte für die Hin- und Rückreise statt eines Direktflugs in der Economy-Class einen Flug in der Business-Class mit Zwischenstopp in Dubai. Die Differenz sollte der Kläger tragen. Nachdem der Kläger am 10. August 2015 noch gearbeitet hatte, flog er abends von Frankfurt am Main mit Zwischenstopp in Dubai nach Shanghai. Nach restlicher Arbeit auf der Baustelle trat er am Nachmittag des 29. Oktober 2015 die Rückreise an.

Für vier Reisetage zahlte die Beklagte dem Kläger die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung für jeweils acht Stunden. Der Kläger verlangt Vergütung für weitere 37 Stunden Reisezeit und vertritt die Ansicht, die gesamte Reisezeit von seiner Wohnung bis zur auswärtigen Arbeitsstelle und zurück sei wie Arbeit zu vergüten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat der Klage überwiegend stattgegeben. Der Fünfte Senat des BAG hat die Entscheidung des LAG aufgehoben und zur neuen Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des BAG hat der Kläger gemäß § 611 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch alte Fassung (BGB a. F.) (§ 611a Abs. 2 BGB n.F.) einen Anspruch auf Vergütung der Zeiten als Arbeit, die für die Hin- und Rückreise zur auswärtigen Arbeitsstelle „erforderlich" sind. In welcher Höhe dieser Anspruch besteht, muss das LAG im fortgesetzten Berufungsverfahren klären.

Das BAG hält die Situation des Klägers, der im Rahmen einer vorübergehenden Entsendung nach China gereist ist, mit derjenigen eines Arbeitnehmers vergleichbar, der seine Tätigkeit außerhalb des Betriebs zu erbringen hat. Hin- und Rückreise des Klägers bei der vorübergehenden Entsendung nach China gehörten zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten. Die Reisen des Klägers seien ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgt und stünden in untrennbarem Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung. Damit seien sie „fremdnützig" und damit als vergütungspflichtige „Arbeit" i.S.v. § 611 Abs. 1 BGB a.F. einzuordnen.

Das BAG hält es für möglich, die Vergütungspflicht der „erforderlichen" Reisezeiten auszuschließen. Jedoch müsse das Gesamtentgelt zumindest unter Einschluss der Reisezeit den gesetzlichen Mindestlohn erreichen.

Nicht abschließend beurteilen kann das BAG, ob die Reisezeiten des Klägers „erforderlich" gewesen sind. Da der Arbeitgeber die Wahl des Reiseverlaufs hinsichtlich des Flugs dem Kläger überlassen habe, sei der Kläger aufgrund seiner Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Vertragsteils im Rahmen des ihm Zumutbaren verpflichtet, den kostengünstigen Reiseverlauf zu wählen. Nach den bisherigen Feststellungen des LAG sei der zusätzliche Aufwand des Umwegs über Dubai nicht „erforderlich" und damit nicht vergütungspflichtig gewesen.

Bewertung | Folgen der Entscheidung

Das BAG ordnet Reisezeiten grundsätzlich als Arbeitszeit ein.

  • Folgen im Hinblick auf die Vergütung 

Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für Reisezeiten getroffen werden, sofern dadurch nicht der jedem Arbeitnehmer für tatsächlich geleistete vergütungspflichtige Arbeit nach § 1 Abs. 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) zustehende Anspruch auf Mindestlohn unterschritten wird. Damit kann die Vergütung von Reisezeiten auch zukünftig pauschalierend, etwa durch Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto, geregelt werden.

Das BAG geht im Rahmen der aufgestellten Grundsätze für die „Erforderlichkeit" von Reisezeiten zu Recht davon aus, dass bei einer Flugreise grundsätzlich diejenige Reisezeit „erforderlich" ist, die bei einem Direktflug anfällt - es sei denn, ein solcher wäre wegen besonderer Umstände dem Arbeitnehmer nicht zumutbar. Der Arbeitnehmer muss gegebenenfalls die Umstände darlegen, aus denen sich ergibt, aufgrund welcher persönlichen Umstände der kürzeste Reiseverlauf nicht zumutbar war.

  • Folgen im Hinblick auf das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) 

Das BAG unterstreicht, dass für die Vergütungspflicht von Reisezeit deren arbeitszeitrechtliche Einordnung nach dem ArbZG unerheblich ist. Die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG führt nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht, wie umgekehrt die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit nicht die Vergütungspflicht ausschließen muss.

Reisezeiten sind damit auch zukünftig keine Arbeitszeit im Sinne des ArbZG, solange der Arbeitnehmer während der Reise nicht beansprucht wird (etwa durch die Anordnung des Arbeitgebers, Akten zu bearbeiten oder Präsentationen vorzubereiten). Vielmehr ist diese Reisezeit als Ruhezeit im Sinne des ArbZG zu bewerten. Ein über zehn Stunden hinausreichender Flug hat also auch zukünftig keine Auswirkungen auf die Frage, inwieweit der Arbeitnehmer im Rahmen des ArbZG eingesetzt wird.

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