Betriebsrätemodernisierungsgesetz von Bundeskabinett beschlossen

Der Kabinettsentwurf geht weit über die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages hinaus, bürdet den Unternehmen neue Lasten auf und lässt das vor dem Hintergrund der Pandemie beschlossene Belastungsmoratorium außer Acht. Die erfolgreiche Zusammenarbeit der Betriebspartner zur Bewältigung der aktuellen Gesundheitskrise zeigt zudem eindrücklich, dass diese Partnerschaft keiner einseitigen Nachhilfe des Gesetzgebers bedarf.

Berlin, 31.03.2021 - Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines Betriebsrätemodernisierungsgesetzes verabschiedet. Er enthält gegenüber dem Referentenentwurf des BMAS (wir berichteten hier) nur marginale Veränderungen und keine wesentlichen inhaltlichen Verbesserungen. Die wesentlichen Inhalte des Entwurfs sind:

  • Der Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahrens wird
    ausgeweitet und die Zahl der erforderlichen Stützunterschriften für Wahlvorschläge reduziert. Damit soll die Gründung von Betriebsräten erleichtert werden. 
  • Für das aktive und passive Wahlrecht von Auszubildenden zur Jugend- und Auszubildendenvertretung soll es nur noch auf den Status als Auszubildender ankommen. Die Altersgrenze für Auszubildende von 25 Jahren wird gestrichen.
  • Die Anfechtung von Betriebsratswahlen wegen Fehlern in der Wählerliste wird unter bestimmten Vorgaben eingeschränkt. 
  • Die Zahl der gegen ordentliche Kündigungen besonders geschützten Einladenden zu Wahlversammlungen wird von drei auf sechs erhöht. Außerdem wird ein besonderer Kündigungsschutz gegen ordentliche, verhaltens- oder personenbedingte Kündigungen für Beschäftigte eingeführt, die ihre Absicht zur Gründung eines Betriebsrats in einer notariell beglaubigten Erklärung dokumentieren und entsprechende Vorbereitungshandlungen unternehmen.
  • Es wird klargestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Gestaltung von Arbeitsumgebung und Arbeitsabläufen auch dann greifen, wenn Künstliche Intelligenz (KI) im Betrieb eingesetzt werden soll. Es wird außerdem klargestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei Personalauswahlrichtlinien auch dann greifen, wenn sie durch oder mithilfe einer KI erstellt wurden.
  • Wenn der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz die Einführung oder Anwendung von KI beurteilen muss, gilt die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich.
  • Betriebsräte erhalten bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit ein Mitbestimmungsrecht.
  • Bei Fragen der beruflichen Bildung sollen Unternehmen und Betriebsrat künftig die Einigungsstelle um Vermittlung anrufen können, wenn sie sich nicht über konkrete Maßnahmen einigen können. Die Einigungsstelle soll versuchen, eine Einigung der Parteien herbeizuführen, ohne dass ein Einigungszwang besteht. 
  • Betriebsratsarbeit soll künftig, auch außerhalb der Covid-19-Pandemie, rechtssicher unter Einsatz moderner Kommunikationsmittel möglich sein. Betriebsräte sollen deshalb, unter Achtung des Vorrangs der Präsenzsitzung, alleine und frei entscheiden können, ob sie bei der Durchführung von Betriebsratssitzungen auf Video- und Telefonkonferenzen zurückgreifen. Wenn ein Viertel der Betriebsratsmitglieder widerspricht, muss eine Präsenzsitzung stattfinden. 
  • Betriebsvereinbarungen, Interessenausgleich und Sozialplan können künftig mit qualifizierter elektronischer Signatur abgeschlossen werden. Entsprechendes wird für den Spruch der Einigungsstelle klargestellt.
  • Es erfolgt eine Klarstellung, dass der Arbeitgeber bei der Verarbeitung personenbezogener Daten der Verantwortliche im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung ist. Der Betriebsrat und der Arbeitgeber werden verpflichtet, sich bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften gegenseitig zu unterstützen. Hintergrund ist, dass der Betriebsrat zwar im Rahmen seiner Tätigkeit mit personenbezogenen Daten in Kontakt kommt, aber rechtlich nach außen nicht verselbständigt ist.

Aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES geht die Bundesregierung mit dem Beschluss weit über die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages hinaus und lässt das von ihr vor dem Hintergrund der Pandemie beschlossene Belastungsmoratorium außer Acht.

Ein pauschales Recht des Betriebsrats auf Hinzuziehung externer Sachverständiger beim Einsatz von KI beseitigt den Grundsatz der Erforderlichkeit und bedeutet unnötige Kosten, z.B. wenn betriebsintern umfassender Sachverstand vorliegt.

Eine Ausweitung von Kündigungsschutz für Betriebsratswahlinitiatoren birgt die Gefahr, dass nicht die Vertretung der Interessen der Belegschaft im Mittelpunkt steht, sondern möglicherweise Einzelinteressen. Es besteht auch kein Regelungsbedarf, weil die Behinderung von Betriebsratswahlen und Betriebsratsarbeit ein Straftatbestand ist.

Selbst die richtigen Regelungen zu virtuellen Betriebsratssitzungen bleiben hinter den tatsächlichen Digitalisierungsanforderungen und -möglichkeiten zurück.

Bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit bestehen bereits heute verschiedene Mitwirkungsrechte des Betriebsrates, ein zusätzliches Mitbestimmungsrecht gefährdet die Abstimmung mit den jeweiligen Beschäftigten auf der Grundlage ihrer individuellen Bedürfnisse und der Erfordernisse im Betrieb. Zusätzliche langwierige Mitbestimmungsverfahren würden die längst vielfältig eingesetzte mobile Arbeit ausbremsen.

Über den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens werden wir Sie informieren.

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