Brückenteilzeit: neuer Anlauf zur „befristeten Teilzeit“

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil legt einen Gesetzentwurf zum Teilzeitrecht vor: Neben einem Anspruch auf befristete Teilzeit soll es größere Rechte zur Arbeitszeitaufstockung sowie Neuregelungen zur Arbeit auf Abruf geben.

Berlin, 23.04.2018 – Der aktuell in der Ressortabstimmung befindliche „Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts – Einführung einer Brückenteilzeit“ knüpft sehr eng an einen bereits im vergangenen Jahr diskutierten Gesetzentwurf an. DER MITTELSTANDSVERBUND berichtete hier. Dabei sind die sehr detaillierten Vorgaben des aktuellen Koalitionsvertrages zur befristeten Teilzeit berücksichtigt. Außerdem sollen die ebenfalls im Koalitionsvertrag vereinbarten Änderungen bei der „Arbeit auf Abruf“ umgesetzt werden.

Brückenteilzeit: Arbeitsminister Heil startet neuen Anlauf zur „befristeten Teilzeit“Es steht zu erwarten, dass das Gesetzgebungsverfahren recht zügig durchgeführt wird.

Im Kern enthält der Referentenentwurf folgende Punkte:

  1. Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit

 Arbeitnehmer erhalten einen Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit – Voraussetzungen sind:

  • Länger als sechs Monate bestehendes Arbeitsverhältnis
  • Arbeitgeber beschäftigt in der Regel mehr als 45 Arbeitnehmer
  • Zumutbarkeitsgrenze für Unternehmensgrößen von 46 bis 200 Mitarbeitern: pro angefangenen 15 Mitarbeiter muss einem der Anspruch gewährt werden
  • kein Anspruch auf Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit oder vorzeitige Rückkehr zur früheren Arbeitszeit während der zeitlich begrenzten Teilzeitarbeit
  • befristete Teilzeit ablehnen beträgt zwischen einem und fünf Jahren; Abweichungen per Tarifvertrag regelbar
  • nach Ablauf einer Befristungsperiode Teilzeitarbeit kann frühestens nach einem Jahr eine erneute Verringerung der Arbeitszeit verlangt werden

DER MITTELSTANDSVERBUND kritisiert diesen Vorschlag: Zum einen besteht keine Notwendigkeit für eine solche Regelung, zum anderen stellt sie die betroffenen Unternehmen vor erhebliche praktische Schwierigkeiten.

Bereits heute gibt es im Teilzeit- und Befristungsgesetz sowohl den Rechtsanspruch auf (unbefristete) Verringerung der Arbeitszeit. Dieser gilt in Unternehmen mit mehr als 15 Arbeitnehmern. Daneben gibt es verschiedene Ansprüche auf eine befristete Verringerung der Arbeitszeit, etwa in der Elternzeit oder bei Pflege. Der Gesetzgeber hat damit ein System geschaffen, das die Bedürfnisse der Beschäftigten einerseits und die organisatorischen Interessen des Arbeitgebers andererseits fein austariert. Ein weitergehender Anspruch der Beschäftigten verschiebt hier das Gleichgewicht zu Lasten der Unternehmen.

Diese müssen angesichts eines allgemeinen Anspruchs auf befristete Teilzeit die zu erwartenden Arbeitsausfälle auffangen. Sofern dies nicht durch eine Aufstockung der Arbeitszeiten anderer Mitarbeiter möglich ist, muss das Unternehmen neue Mitarbeiter einstellen – dies für eine geringe Wochenarbeitszeit und befristet. Angesichts der aktuellen Arbeitsmarktlage wird dies selbst bei einfacheren Tätigkeiten schwierig sein. Bei qualifizierten oder gar sehr speziellen Tätigkeiten sowie in Regionen mit besonders leer gefegtem Arbeitsmarkt wird es kaum möglich sein, eine adäquate Vertretung zu finden.

Hinzu kommen rechtliche Unsicherheiten, vor allem wenn der Gesetzgeber die im Koalitionsvertrag angedachten Erschwernisse im Befristungsrecht umsetzt.

  1. Verlängerung der Arbeitszeit

Der Arbeitgeber hat den Wunsch eines teilzeitbeschäftigten Mitarbeiters nach einer Arbeitszeitverlängerung bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes bevorzugt zu berücksichtigen. Dabei muss es sich um einen entsprechenden freien Arbeitsplatz handeln, der Mitarbeiter muss mindestens gleich geeignet sein wie andere Bewerber. Dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer dürfen dem nicht entgegenstehen.

Damit soll die Darlegungs- und Beweislast stärker auf den Arbeitgeber übertragen werden, wenn diesem ein Wunsch nach Verlängerung der Arbeitszeit vorliegt. Er muss nun etwa beweisen, dass ein Arbeitsplatz nicht frei ist, dass dort keine vergleichbare Tätigkeit auszuüben ist oder dass der Teilzeitbeschäftigte nicht mindestens gleich geeignet ist wie andere Bewerber.

Auch für diese Neuregelung ist aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES kein Bedarf nachgewiesen. Bereits heute sind Teilzeitbeschäftigte bevorzugt zu berücksichtigen, wenn entsprechende Arbeitsplätze frei sind. Es gibt keinerlei Daten darüber, dass dies in der Praxis zu Problemen oder zu umfangreichen (unberechtigten) Zurückweisungen solcher Arbeitszeitwünsche durch die Arbeitgeber kommt. Die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten des Arbeitgebers stellt also ohne jede Notwendigkeit einen massiven Eingriff in sein originäres Recht zur eigenverantwortlichen Betriebsorganisation dar.

  1. Erörterungspflicht und Formvorschriften

Der Arbeitgeber hat künftig mit den Arbeitnehmern – unabhängig von deren Arbeitszeitvolumen – deren Wunsch nach Veränderung von Dauer und/oder Lage der vereinbarten Arbeitszeit zu erörtern. Dieser Vorschlag dürfte die gelebte Praxis in gut geführten Unternehmen spiegeln.

Der Arbeitnehmer hat seine Wünsch nach Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit in Textform an den Arbeitgeber zu richten. Dieser Vorschlag erscheint sinnvoll. Er dient nicht nur der erleichterten Beweisführung sondern verhilft auch zu einer konkreten Gesprächsgrundlage.

  1. Arbeit auf Abruf

Fehlt bei Abrufarbeit eine Vereinbarung zur wöchentlichen Arbeitszeit, dann soll künftig eine Arbeitszeit von 20 Stunden gelten. Bislang sieht § 12 Abs. 1 Satz 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) hier zehn Stunden vor. Die Änderung sollte also von Arbeitgebern zum Anlass genommen werden, entsprechende Arbeitsverträge zu prüfen und gegebenenfalls die Arbeitszeiten neu zu vereinbaren.

Der Anteil abzurufender und zu vergütender Zusatzarbeit darf die vereinbarte Mindestarbeitszeit um höchstens 20 Prozent unter- und 25 Prozent überschreiten. Dieser Vorschlag entspricht der gefestigten Rechtsprechung und stellt daher weder eine Verbesserung noch eine Verschlechterung dar.

Im Krankheitsfall und an Feiertagen wird der Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate als verpflichtende Grundlage festgeschrieben.  Auch dies entspricht der geltenden Rechtslage und kann nur als Klarstellung aufgefasst werden.

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