DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt die Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung

Am 19. September 2018 hat das Bundeskabinett den von Arbeitsminister Hubertus Heil vorgelegten Entwurf zum sogenannten Qualifizierungschancengesetz beschlossen. Das Gesetz soll Weiterbildungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer fördern und den Zugang zum Arbeitslosengeld erleichtern. Gleichzeitig wird der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung auf 2,5 Prozent gesenkt.

Berlin, 25.09.2018 - Der digitale und demografische Strukturwandel stellt das deutsche Wirtschafts- und Sozialmodell vor neue Herausforderungen. Insbesondere steigt die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften, so dass es in einigen akademischen Berufen und anerkannten Ausbildungsberufen sowie in bestimmten Regionen bereits zu Fachkräfteengpässen kommt. Gleichzeitig haben sich die Anforderungen der Arbeitgeber an die Fähigkeiten ihrer Arbeitnehmer gewandelt. Beide Effekte verdeutlichen die Notwendigkeit von Qualifizierungsmaßnahmen.

Qualifizierung als Mittel gegen zunehmende Automatisierung

 Das Gesetz soll Weiterbildungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer fördern und den Zugang zum Arbeitslosengeld erleichtern. Vor allem die zunehmende Nutzung moderner digitaler Technologien erhöht den Weiterbildungsbedarf in Betrieben. So ist der Anteil der Beschäftigten, deren Stelle digitalisiert oder automatisiert werden kann, von 15 Prozent im Jahr 2013 auf 25 Prozent im Jahr 2016 gestiegen. Besonders sind davon Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in technisch-industriellen Berufen und unternehmensnahen Dienstleistungen betroffen.

Da dieser Anteil noch weiter steigen wird, müssen sich Unternehmen schon frühzeitig Gedanken machen, wie sie qualifizierte Fachkräfte finden, entwickeln und binden können, um nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben. Vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen besteht hier noch Nachholbedarf, da die Weiterbildungsbeteiligung der Beschäftigten mit einer geringeren Betriebsgröße abnimmt.

Inhalt des Gesetzentwurfes

Der genannte demografische und technologische Wandel erfordert damit auch eine höhere Flexibilität bei den Arbeitnehmern. Vor diesem Hintergrund hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, den veränderten Anforderungen an den sozialen Schutz bei Arbeitslosigkeit Rechnung tragen. Konkrete Maßnahmen sind:

  •  Die Weiterbildungsförderung für beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird unabhängig von Ausbildung, Lebensalter und Betriebsgröße ermöglicht und weiter geöffnet. Das soll in erster Linie denjenigen Beschäftigten eine Anpassung und Fortentwicklung ihrer beruflichen Kompetenzen ermöglichen, deren Tätigkeit durch Technologien ersetzt werden können, in sonstiger Weise von Strukturwandel betroffen sind oder eine Weiterbildung in einem Engpassberuf anstreben. Das gilt ebenso für Beschäftigte im (aufstockenden) Leistungsbezug nach dem SGB II. Dabei werden zum einen hochwertige längerfristige und betriebsexterne Weiterbildungen gefördert. Zum anderen gibt es Zuschüsse für vom Arbeitgeber fortgezahltes Arbeitsentgelt während der Weiterbildung. Je nach Unternehmensgröße wird eine Kofinanzierung durch den Arbeitgeber vorausgesetzt: Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten werden zu 100 Prozent gefördert, KMU mit 10 bis 250 Beschäftigten bis zu 50 Prozent und größere Betriebe bis zu 25 Prozent. Auch für bestimmte Personengruppen in KMU (ältere oder schwerbehinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) können Förderungen von bis zu 100 Prozent gezahlt werden.
  •  Entlastung von Beschäftigten und Arbeitgebern: Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung wird von 3,0 Prozent auf 2,6 Prozent gesenkt.
  •  Stärkung der Weiterbildungs- und Qualifizierungsberatung der BA.
  •  Erweiterter Schutz in der Arbeitslosenversicherung: Die Rahmenfrist, innerhalb derer die Mindestversicherungszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zurückzulegen ist, wird auf 30 Monate erweitert.
  •  Entlastung von Betrieben, für die Saisonarbeit einen besonders hohen Stellenwert hat: Die befristet geltenden höheren Zeitgrenzen für eine sozialversicherungsfreie kurzfristige Beschäftigung von drei Monaten werden dauerhaft beibehalten.

Die entsprechenden Regelungen führen mittelfristig zu Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen im Haushalt der BA in Höhe von bis zu 6,2 Milliarden Euro jährlich. Für die Wirtschaft ergeben sich laut BMAS Bürokratiekosten von knapp einer Millionen Euro jährlich, die durch zusätzliche Antrags- und Nachweispflichten bei der Übernahme von Weiterbildungskosten und Arbeitsentgeltzuschüssen anfallen. Hinzu kommt durch die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung ein einmaliger Umstellungsaufwand in „geringfügiger Höhe“. Gleichzeitig werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Unternehmen durch die Senkung des Beitragssatzes mittelfristig um jeweils rund 2,6 Milliarden Euro jährlich entlastet.

Gießkannenprinzip statt gezielter Förderung

DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt die Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen, um (zukünftige) Beschäftigte insbesondere in Engpassberufen wie z.B. dem Handwerk für die digitale Zukunft vorzubereiten, sofern sich der entsprechende bürokratische Aufwand in Grenzen hält. Durch die Vorgabe, dass die Weiterbildung über arbeitsplatzbezogene Anpassungsqualifizierungen hinausgehen muss, besteht aber die Gefahr, dass die Maßnahmen am Bedarf der Betriebe vorbeigehen. Weiterbildung ist die Kernaufgabe von Unternehmen und sie wissen am besten, wo und wie zielgerichtet qualifiziert werden kann und muss.

Auch die Staffelung der Zuschusshöhe nach Betriebsgröße ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Allerdings besteht bei Betrieben mit mehr als 250 Mitarbeitern eine wesentlich höhere Gefahr von Mitnahmeeffekten als bei kleinen und mittleren Unternehmen. Da bei Betrieben dieser Größe mehr eigene Kapazitäten zur Weiterbildung bestehen, bedürfen sie grundsätzlich keiner öffentlich finanzierten Anreize zur entsprechenden Förderung. Eine stärkere Gewichtung auf den Mittelstand wäre daher wünschenswert.

Ebenso befürwortet DER MITTELSTANDSVERBUND die überfällige Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung auf 2,5 Prozent. Ein Automatismus zur weiteren Beitragssenkung bei entsprechend hohen Rücklagen der BA wäre begrüßenswert gewesen. Ebenso ist die Erleichterung der Zugangsvoraussetzungen zum Arbeitslosengeld kritisch zu betrachten, da sie einen weiteren Schritt in der Abkehr von den Hartz-Reformen darstellt.

Grundsätzlich lässt sich der Einschätzung der Bundesregierung jedoch zustimmen, dass die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft unter anderem davon abhängt, dass die Chancen des digitalen Zeitalters konsequent genutzt werden und somit auch kleinere Produktionsbetriebe die notwendigen Investitionen nicht scheuen.

Der Gesetzentwurf muss zuvor noch Bundestag und Bundesrat passieren. Das Gesetzgebungsverfahren soll aber noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. DER MITTELSTANDSVERBUND hält Sie auf dem Laufenden.

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