Diskriminierung durch sprachbezogene Anforderungen in Stellenausschreibungen

Das BAG hat entschieden, dass die in einer Stellenausschreibung enthaltene Anforderung "Deutsch als Muttersprache" Personen wegen der ethnischen Herkunft benachteiligen kann. Die Anforderung sehr guter Deutsch- und guter Englischkenntnisse hingegen bewirkt keine Diskriminierung. Zudem äußert sich das Gericht zum Beginn der Geltendmachungsfrist nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Berlin, 31.05.2018 – Das Bundesarbeitsgericht hat sich in zwei Verfahren damit beschäftigt, welche in Stellenanzeigen enthaltenen Anforderungen an sprachliche Fertigkeiten eine unzulässige Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft darstellen kann.

Die heimliche Aufzeichnung eines Personalgespräches durch den Arbeitnehmer kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. In einem Verfahren wurde „Deutsch als Muttersprache“ für diskriminierend erachtet, im anderen wurde die Anforderung sehr guter Deutsch- und guter Englischkenntnisse für zulässig erachtet.

„Deutsch als Muttersprache“ – BAG Urteil vom 29. Juni 2017

Mit Urteil vom 29. Juni 2017 – AZ 8 AZR 402/15 – hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die Anforderung "Deutsch als Muttersprache" in einer Stellenausschreibung zumeist eine mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft bewirkt.

Zudem wurde festgestellt, dass der Beginn der Frist, innerhalb derer Schadensersatz und Entschädigung geltend gemacht werden können - § 15 Abs. 4 S. 2 AGG – eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Arbeitgebers voraussetzt. Schweigen genügt hier nicht.

Sachverhalt

Die Beklagte beauftragte im Februar 2013 eine studentische Arbeitsvermittlung mit der Suche nach zwei Bürohilfen zur Unterstützung des Redakteurs beim Verfassen eines Buches für die Zeit von März bis Mai 2013. Der in der Ukraine geborene Kläger bewarb sich auf die Stellenausschreibung, die die Anforderung "Deutsch als Muttersprache" enthielt. Die Studentenvermittlung traf eine Vorauswahl. Die Bewerbung des Klägers leitete sie nicht an die Beklagte weiter. Die Beklagte besetzte die Stellen mit Mitbewerbern.

Der Kläger bat die Beklagte im September 2013 um eine Rückmeldung auf seine Bewerbung. Die Beklagte teilte ihm am 11. September 2013 mit, dass sie die Stellen anderweitig besetzt habe. Mit Schreiben vom 06. November 2013 machte der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung geltend. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zur Entschädigung verurteilt.

Entscheidungsgründe

Das BAG entschied, dass der Kläger den Anspruch frist- und formgerecht innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht hat. Die Frist habe frühestens am 11. September 2013 zu laufen begonnen, da dem Kläger erst an diesem Tag eine Ablehnung der Beklagten zugegangen sei. § 15 Abs. 4 S. 2 AGG setze eine auf den konkreten Beschäftigten und die konkrete Bewerbung bezogene Ablehnung voraus. Dem bloßen Schweigen des Beklagten komme kein Erklärungswert zu.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Stelle befristet ausgeschrieben war. Die Ablehnung war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, da weder der Beklagte erklärt habe, ausschließlich innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zur Verfügung zu stehen, noch für die Arbeitsleistung der Leistungszeitpunkt so wesentlich war, dass sie nicht hätte nachgeholt werden können.

Die Beklagte bringe mit der in der Stellenausschreibung enthaltenen Anforderung "Deutsch als Muttersprache" zum Ausdruck, lediglich Interesse an der Gewinnung von Beschäftigten zu haben, die im deutschen Sprachraum aufgewachsen sind. "Muttersprache" ist die Sprache, die man von Kind auf oder als Kind – typischerweise von den Eltern – gelernt habe. Sie betreffe mithin in besonderer Weise den Sprachraum und damit die ethnische Herkunft eines Menschen. Die Anforderung sei daher geeignet, Personen wegen ihrer ethnischen Herkunft in besonderer Weise zu benachteiligen.

Eine Rechtfertigung scheide deshalb aus, weil die Beklagte nicht dargetan habe, dass es zur qualifizierten Unterstützung des Redakteurs auch durch das Verfassen eigener Texte mit profunder Sprachkenntnis erforderlich und angemessen ist, von den Bewerbern zu verlangen, dass sie Deutsch als Muttersprache beherrschen.

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