Erneute Unsicherheit bei sachgrundloser Befristung und Ersteinstellungsgebot

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen schafft mit einem Urteil neue Rechtsunsicherheit in Sachen befristete Arbeitsverträge. Ob sachgrundlos befristete Arbeitsverträge nur beim Fehlen jeglicher Vorbeschäftigung möglich sind oder ob eine Karenzzeit zwischen zwei Verträgen genügt, muss nun erneut vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden werden.

Berlin, 16.03.2018 – Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen geht in seinem Urteil vom 20. Juli 2017 – 6 Sa 1125/16 – von einem unbegrenzt geltenden Verständnis des sogenannten Ersteinstellungserfordernisses des § 14 Abs. 2 S. 2 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) aus und schafft damit neue Rechtsunsicherheit.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen schafft mit einem Urteil neue Rechtsunsicherheit in Sachen befristete Arbeitsverträge. Das Bundesarbeitsgericht hatte dies im Jahr 2011 eingeschränkt und sachgrundlose Befristungen für zulässig erklärt, wenn zwischen dem alten und dem neuen Arbeitsverhältnis ein Zeitraum von mindestens drei Jahren lag. Die Frage wird nun erneut dem Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Leitsätze des Gerichts

  • § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthält ein zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot.
  • Das Vertrauen des Arbeitgebers auf den Fortbestand der Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2011 zum zeitlich begrenzten Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist nicht schutzwürdig.

Sachverhalt

Die Parteien haben über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses gestritten. Die Beklagte betreibt einige hundert Supermärkte in Deutschland. Die Klägerin war von Juli bis Ende 2008 befristet im Betrieb A der Beklagten beschäftigt. Ab Mai 2014 war sie erneut auf Grundlage eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags bei der Beklagten beschäftigt, diesmal im Betrieb der Beklagten. Der Vertrag wurde dreimal verlängert und endete Ende April 2016. Die Klägerin war der Auffassung, die Befristung sei unwirksam gewesen wegen der vorangegangenen Beschäftigung der Klägerin für die Beklagte im Jahr 2008.

Das Arbeitsgericht hat die Befristungskontrollklage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision ist beim Bundesarbeitsgericht anhängig (7 AZR 477/17).

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts habe die Beschäftigung im Jahr 2008 einer erneuten sachgrundlosen Befristung gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG entgegengestanden. Daran ändere der Umstand nichts, dass zwischen der Beendigung des ersten und dem Neuabschluss des zweiten Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre gelegen hätten.

Die Kammer teilte ausdrücklich das Auslegungsergebnis des BAG vom 06. April 2011 nicht. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG sei als zeitlich unbeschränktes Anschlussverbot auszulegen. Dafür spreche der Wortlaut. Mit "bereits zuvor" sei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch gerade keine zeitliche Grenze verbunden. Die Gesetzgebungsgeschichte unterstütze dies. Der Gesetzgeber habe gewollt, dass eine sachgrundlose Befristung nur bei einer "Neueinstellung" zulässig sei, worunter er ausdrücklich die "erstmalige Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber" verstanden habe.

Um Praxisprobleme bei der Feststellung einer Vorbeschäftigung zu vermeiden, habe der Arbeitgeber ein Fragerecht. Ein umfassendes Vorbeschäftigungsverbot verstoße auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG), da Arbeitnehmer nach wie vor mit jedem Arbeitgeber Arbeitsverträge schließen könnten, lediglich die "Befristung ohne Sachgrund" sei ausgeschlossen.

Bewertung und Folgen der Entscheidung

Die Entscheidung stellt einen Bruch mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar, das im Jahr 2011 entschieden hatte, dass § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG einer einschränkenden Auslegung bedarf. Die vorliegende Entscheidung des LAG Niedersachsen widerspricht einer sinnvollen und praktikablen Anwendung der Befristung von Arbeitsverhältnissen. Sie wirkt sich beschäftigungsfeindlich aus.

Arbeitgebern ist zu raten, bis zu einer erneuten Klärung durch das BAG sachgrundlos befristete Einstellungen nur beim Fehlen jeglicher Vorbeschäftigung vorzunehmen.

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