Facebookseiten – Wann darf der Betriebsrat mitreden?

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Bereitstellung der Funktion "Besucher- Beiträge" auf einer Facebook-Seite des Arbeitgebers der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt – die Einrichtung der Seite hingegen nicht.

Berlin, 23.08.2017 – Mit Beschluss vom 13. Dezember 2016 - 1 ABR 7/15 - hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die Bereitstellung der Funktion "Besucher-Beiträge" auf einer Facebookseite des Arbeitgebers der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Wird hingegen lediglich eine Facebookseite ohne diese Funktion eingerichtet, so gibt es kein Mitbestimmungsrecht.

Leitsatz des Gerichts

Eine vom Arbeitgeber betriebene Facebookseite, die es den Nutzern von Facebook ermöglicht, über die Funktion "Besucher-Beiträge" Postings zum Verhalten und zur Leistung der beschäftigten Arbeitnehmer einzustellen, ist eine technische Einrichtung, die zur Überwachung der Arbeitnehmer im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestimmt ist. Die Bereitstellung der Funktion "Besucher-Beiträge" unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin, die Blutspendedienste betreibt, unterhält eine Facebookseite zur einheitlichen Präsentation des Konzerns. Diese ermöglicht es registrierten Nutzern, "Besucher-Beiträge" einzustellen bzw. zu posten, die von allen Besuchern der Seite eingesehen werden können. Betreut wird die Facebook-Seite von einer unternehmensübergreifenden Gruppe von etwa zehn Arbeitnehmern. Diese stellen Beiträge ein und sind damit betraut, einzelne Postings gegebenenfalls zu kommentieren oder auch zu löschen. Über die auf der Facebookseite abgebildete Chronik ist ersichtlich, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit dort ein Beitrag oder Kommentar eingestellt oder aktualisiert wurde.

Ein Nutzer stellte ein Posting auf der Facebookseite ein, indem er sich über das Setzen der Injektionsnadel für eine Blutspende beschwerte. In einem weiteren Posting wurde einem Arzt vorgeworfen, er habe vor der Blutabnahme keine regelgerechte Untersuchung vorgenommen, woraufhin eine Blutspenderin fast kollabiert sei.

Der Konzernbetriebsrat macht geltend, das Anmelden und Betreiben der Facebookseite sei unter Verstoß gegen sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erfolgt. Die Arbeitgeberin könne über eine von Facebook bereitgestellte Funktion Daten über das Verhalten von Arbeitnehmern zusammenführen. Die Leistung der Arbeitnehmer, denen die Pflege der Facebookseite übertragen sei, könnte elektronisch erfasst und gespeichert werden. Schließlich könnten sich Nutzer durch ihre Besucher-Beiträge gegenüber einem unbegrenzten Personenkreis über Verhalten und Leistung von Beschäftigten äußern.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat entschieden, dass die Arbeitgeberin die unternehmerische Vermarktungsentscheidung, eine Facebookseite als konzernweite Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit und des Marketings einzurichten und zu betreiben, mitbestimmungsfrei treffen darf. Dabei handele es sich gemäß § 58 Abs. 1 BetrVG um eine Maßnahme, die den Konzern betrifft und offensichtlich nicht durch den Gesamtbetriebsrat im Unternehmen der Arbeitgeberin oder durch die Betriebsräte in den jeweiligen Betrieben des Konzerns geregelt werden könne.

Kein Anspruch auf Löschung der Facebook-Seite

Ein Unterlassungsanspruch dahingehend, dass die Arbeitgeberin die Anmeldung bei Facebook rückgängig machen müsse, bestehe nicht und könne nicht auf ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gestützt werden.

Die der Arbeitgeberin zwingend vorgegebenen Funktionen ihrer Facebookseite ermöglichten aufgrund der derzeit zur Verfügung stehenden Auswertungsmöglichkeiten keine Überwachung von Verhalten und der Leistung der Beschäftigten. Der Betrieb der Facebookseite führe auch nicht dazu, dass diejenigen Arbeitnehmer, die den Facebookauftritt betreuen, durch eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG überwacht würden.

Es sei nicht erkennbar, dass die von Facebook bereit gestellten Funktionen - "Auswertung von Ergebnissen" - geeignet seien, das Verhalten und die Leistung einzelner im Konzern beschäftigter Arbeitnehmer im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses zu überwachen. Ein Mitbestimmungsrecht des Konzernbetriebsrats folge auch nicht aus dem Umstand, dass die arbeitgeberseitigen "Beiträge" und "Kommentare" der mit der Pflege der Facebookseite beschäftigten Arbeitnehmer auf dieser mit dem Datum und der Uhrzeit ihrer Einstellungen versehen sind.

Die Überwachung durch eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erfordere, dass die erhobenen Daten einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden können, also individualisierbar seien. Werde lediglich die Gesamtleistung einer Gruppe aufgezeichnet, komme ein Mitbestimmungsrecht nur in Betracht, wenn der auf die Gruppe ausgeübte Überwachungsdruck auf die einzelnen Gruppenmitglieder durchschlage.

Funktion „Besucher-Beiträge“ gilt als technische Einrichtung

Mitbestimmungspflichtig sei dagegen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG die Einrichtung der Möglichkeit, auf der Facebookseite Besucher-Beiträge einzustellen. Hierbei handele es sich um eine technische Einrichtung, die zur Überwachung der Leistung und des Verhaltens der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer ermöglicht.

Je nach Inhalt der Besucher-Beiträge könnten diese namentlich oder situationsbedingt bestimmten Arbeitnehmern zugeordnet werden. Durch arbeitnehmerbezogene Besucher-Beiträge auf der Facebookseite würden die Arbeitnehmer einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt. Die Facebookseite sei damit auch im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zur Überwachung bestimmt.

Es sei unerheblich, dass die Seite nicht auf die Überwachung der Leistung und des Verhaltens der bei der Arbeitgeberin Beschäftigten ausgerichtet sei oder die Nutzer nicht von ihr aufgefordert würden, "Besucher-Beiträge" zu dem Verhalten oder der Leistung der Beschäftigten einzustellen. Die Überwachung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sei nicht erst das Auswerten oder die weitere Verarbeitung schon vorliegender Informationen, sondern bereits das Sammeln derselben.

Mitbestimmungsrecht trotz EDV-Betriebsvereinbarung 

Durch den Abschluss einer EDV-Konzernrahmenbetriebsvereinbarung habe der Konzernbetriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nicht ausgeübt. Die in der Konzernrahmenbetriebsvereinbarung geregelte Internetnutzung betreffe den Zugang zum World Wide Web einschließlich der hierzu unmittelbar erforderlichen Software (Webbrowser oder allgemeiner Browser) zur Darstellung von Webseiten, nicht jedoch eigenständige webbasierte Softwareprogramme, die durch die Eröffnung eines Kontos bei Facebook durch die Arbeitgeberin zum Einsatz komme.

Der Konzernbetriebsrat hatte daher einen Anspruch auf Abmeldung der Funktion "Besucher-Beiträge" auf der Facebook-Seite der Arbeitgeberin.

Folgen für die Praxis

Richtig ist die grundsätzliche Aussage des BAG, dass die Einrichtung einer Facebookseite der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit unterliegt und damit mitbestimmungsfrei ist. Im Übrigen lässt das Bundesarbeitsgericht bezogen auf die Funktion Besucher-Beiträge nicht den Einwand des Arbeitgebers gelten, dass keine Überwachung der Arbeitnehmer beabsichtigt ist oder gar durchgeführt wird und bleibt damit bei seiner Auslegung, dass eine technische Einrichtung auch dann im Sinne des Gesetzes zur Überwachung von Leistung und Verhalten der Arbeitnehmer "bestimmt" ist, wenn diese nur möglich, aber nicht beabsichtigt ist.

Für die Praxis wichtig ist, dass nach der Entscheidung auch Funktionen einer Facebookseite mitbestimmungspflichtig sein können, die nicht erst aktiv eingerichtet werden müssen und solche, die Facebook möglicherweise zukünftig noch einrichtet. Trotz der Grundsatzentscheidung der Mitbestimmungsfreiheit der Einrichtung einer Facebookseite kann es sich daher empfehlen den Betriebsrat mit einzubeziehen, damit von Anfang an sichergestellt ist, dass der Arbeitgeber Funktionen, die er für die Präsentation seines Unternehmens für wichtig hält, nicht später wieder deaktivieren muss.

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