Flüchtlinge in Deutschland – Chancen für den Mittelstand?

Azubi- und Fachkräftemangel wird für die Entwicklungsperspektiven von immer mehr Unternehmen zum Engpassfaktor. Chancen hat, wer auch ungewöhnliche Wege in Betracht zieht.

Berlin, 07.07.2015 — Mehr als eine halbe Millionen offene Stellen gibt es nach aktuellen Statistiken in Deutschland. Verschärfend kommt hinzu, dass rund 35.000 Ausbildungsstellen mangels geeigneter Kandidaten nicht besetzt werden konnten. In den kommenden Jahren wird sich diese Lage gerade mit Konsequenzen für mittelständische Unternehmen nach aller Voraussicht nicht entschärfen. Die Zukunft wird deshalb denjenigen gehören, die bereit sind, sich umzuorientieren und unkonventionelle Wege zu beschreiten. Gerade dies hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten immer als eine besondere Stärke des Mittelstandes erwiesen.

In Erwägung ziehen sollten Unternehmer deshalb das sich bietende Potenzial der immer größeren Zahl an Flüchtlingen, die derzeit alle Teile unseres Landes erreichen.

Erste positive Erfahrungen in Handels- und Handwerksunternehmen liegen bereits vor. Auch wenn es vielfach noch Berührungsängste geben mag oder die Befürchtung besteht, dass die Flüchtlinge wieder abgeschoben werden könnten und eine teure Einarbeitung und das investierte persönliche Engagement umsonst ist, besteht Grund zur ernstlichen Prüfung!

Wenn es gelingt, hier aufeinander zuzugehen, lassen sich drei Schwächen auf einmal lindern:

  • Zum einen lässt sich der Fachkräftemangel und die hohe Zahl an unbesetzten Leerstellen verringern.
  • Zum zweiten erhalten geflüchtete Menschen in unserem Lande eine Berufs- und Lebensperspektive.
  • Zum dritten lassen sich damit Konfrontationen zwischen Flüchtlingen und einheimischer Bevölkerung mindern.
Unternehmer sind jedoch gut beraten, wenn sie sich an die unterstützenden Stellen wenden, die das "ESF-Bundesprogramm Bleibeberechtigte und Flüchtlinge" koordiniert, da die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Flüchtlingen recht komplex sind. Um z.B. eine Arbeit oder eine betriebliche Ausbildung aufnehmen zu dürfen, benötigt der betreffende Flüchtling eine Beschäftigungserlaubnis. Flüchtlinge im Asylverfahren oder mit einer Duldung erhalten eine volle Beschäftigungserlaubnis.

Oft problematisch sind sprachliche Hürden. Die Integrationskurse des Bundes für den Spracherwerb sind an die Aufenthaltserlaubnis gekoppelt. Vielerorts hilft aber ehrenamtliches Engagement beim Spracherwerb weiter. Eine große Hürde für die berufliche Entwicklung ist das Fehlen von Schulabschlüssen bei jungen Flüchtlingen. Die flächendeckende Beschulung der 16 bis 25-jährigen Flüchtlinge an Berufsschulen in Bayern ist hier beispielgebend für andere Bundesländer.

Auch wenn letztlich die Einstellung von Flüchtlingen durch die vielfältigen behördlichen Regelungen schwierig erscheint, so sind zunehmend Stimmen aus der Praxis zu vernehmen, die die Einsatzfreude, die Arbeitsqualität und die Leistungsfähigkeit der neuen Mitarbeiter in höchsten Tönen loben. DER MITTELSTANDSVERBUND ermutigt deshalb seine Mitglieder und die lokalenAnschlussunternehmen, die Chancen zu erkennen und aktiv zu werden. Ein Engagement ist nicht nur im Sinne der Flüchtlinge, sondern gerade der zahlreichen Unternehmer selbst, die händeringend nach Fachkräften und Auszubildenden suchen.

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