Gehaltspfändung: Arbeitgeber kann Angaben der Beschäftigten vertrauen

Wenn Arbeitseinkommen gepfändet werden und der Arbeitgeber den pfändungsfreien Teil falsch berechnet, zahlt er unter Umständen doppelt. Das BAG hat jetzt klar gestellt, dass der Arbeitgeber grundsätzlich auf die Richtigkeit der vom Arbeitnehmer gemeldeten Daten vertrauen darf.

Berlin, 23.01.2015 — Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 28.8.2013 - 10 AZR 323/12 entschieden, dass Unterhaltsverpflichtungen bei der Ermittlung des pfändungsfreien Einkommens nur dann zu berücksichtigen sind, wenn der Unterhalt tatsächlich geleistet wird.

Leitsatz des Gerichts

Bei der Berechnung des pfändungsfreien Arbeitsentgelts ist der Ehegatte nach § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO dann zu berücksichtigen, wenn der Schuldner ihm tatsächlich Unterhalt leistet. Bei Ehegatten, die in häuslicher Gemeinschaft leben, ist davon auszugehen. Bei getrennt lebenden Ehegatten muss der Schuldner nachweisen, dass er tatsächlich Unterhalt leistet

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Berechnung der pfändungsfreien Entgeltbestandteile des Klägers. Der Kläger war bis zum 31. Dezember 2010 für die Beklagte tätig. In den Jahren 2008 und 2009 war auf der Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III eingetragen und seit Januar 2010 die Lohnsteuerklasse I sowie ein Kinderfreibetrag von 0,5. Der Kläger lebt seit 2009 von seiner Ehefrau getrennt, die Ehe wurde am 24. August 2010 geschieden. Seit dem 30. Januar 2010 ist der Kläger zudem Vater eines Kindes, mit dessen Mutter er nicht verheiratet war.

Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 21. August 2008 wurde der Gehaltsanspruch des Klägers, ausgenommen die unpfändbaren Bezüge, gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen. Die Beklagte hat bei der Berechnung des pfändungsfreien Entgelts die Ehefrau des Klägers nicht berücksichtigt.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Beklagte hätte die Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner damaligen Ehefrau sowie später die Unterhaltsansprüche seines Kindes und dessen Mutter berücksichtigen müssen und demensprechend höhere AUszahlungen an ihn vornehmen müssen.

Die Klage hatte in erster und zweiter Instanz Erfolg.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Das Landesarbeitsgericht durfte nicht davon ausgehen, dass der Kläger seiner Ehefrau im gesamten Streitzeitraum Unterhalt geleistet hat. Zur weiteren Aufklärung wurde die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen

Die Klage war begründet, soweit die frühere Ehefrau des Klägers bei der Berechnung des pfändungsfreien Arbeitsentgelts zu berücksichtigen war. Der Betrag, bis zu dessen Höhe das Arbeitseinkommen unpfändbar ist, erhöht sich, wenn der Schuldner aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung u.a. seinem Ehegatten Unterhalt gewährt. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Schuldner tatsächlich einen Geldbetrag für den Unterhalt des Ehegatten leiste; dieser sei schon dann zu berücksichtigen, wenn der Schuldner aufgrund beiderseitiger Verständigung angemessen zum Familienunterhalt beträgt. Bei Ehegatten, die in häuslicher Gemeinschaft leben, sei grundsätzlich von gegenseitigen Unterhaltsleistungen, durch die die Kosten des Familienunterhalts gemeinsam bestritten werden, auszugehen.

Keine Vermutung bei getrennt lebenden Ehegatten

Der getrennt lebende Ehegatte hat Anspruch auf angemessenen Unterhalt, der im Unterschied zum Familienunterhalt grundsätzlich als monatliche Geldrente zu leisten ist. Dies werde aber bei der Bemessung des unpfändbaren Einkommens des Schuldners nur berücksichtigt, wenn der Schuldner diesen Unterhalt auch tatsächlich leistet. Die Vermutung wechselseitiger Erbringung von Unterhaltsleistungen durch Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft greife hier nicht.

Unerheblich sei dagegen, ob der Ehegatte eigene Einkünfte hat. Er werde bei der Berechnung des pfändungsfreien Entgelts trotz eigener Einkünfte berücksichtigt, wenn der Schuldner tatsächlich Unterhalt leistet. Der Gläubiger habe in diesem Fall allerdings die Möglichkeit, einen Beschluss des Vollstreckungsgerichts zu erwirken, dass die unterhaltsberechtigte Person ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt.

Ob und in welchem Zeitraum der Kläger seiner früheren Frau tatsächlich Unterhalt geleistet hat, sei nicht bindend festgestellt. Solange der Kläger mit seiner früheren Ehefrau in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, sei davon auszugehen, dass die Ehegatten einander Naturalunterhalt geleistet haben und die Ehefrau als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen war. Mit der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft sei die getrennt lebende Ehefrau nur dann als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen, wenn der Kläger ihr tatsächlich Unterhalt geleistet hat. Dazu fehlten Feststellungen.

Keine Verwirkung

Die Geltendmachung des Anspruchs war auch nicht verwirkt. Der Kläger habe durch die Wahl der Lohnsteuerklasse III (bis Dezember 2009) dokumentiert, mit seiner Ehefrau zusammenzuleben. Die Wahl dieser Steuerklasse sei nur möglich, wenn die Ehepartner nicht dauernd getrennt leben. Die Beklagte habe bereits deshalb nicht davon ausgehen können, dass der Kläger die Nichtberücksichtigung seiner Ehefrau bei der Berechnung der pfändungsfreien Beträge akzeptieren würde.

Mögliche Unterhaltsleistungen zur weiteren Aufklärung

Zur endgültigen Entscheidung bedürfe es der Aufklärung, zu welchem konkreten Zeitpunkt die häusliche Gemeinschaft aufgelöst wurde. Dem Kläger sei Gelegenheit zu geben, für den Zeitraum des Getrenntlebens etwaige Unterhaltszahlungen an die getrennt lebende Ehefrau darzulegen. In Bezug auf die Monate Januar und Februar 2010 sei durch das Landesarbeitsgericht aufzuklären, welcher weiteren unterhaltsberechtigten Person der Kläger tatsächlich Unterhalt geleistet hat. Er sei ebenfalls gegenüber dem im Januar 2010 geborenen Kind und dessen Mutter unterhaltsverpflichtet gewesen.

Bewertung/ Folgen der Entscheidung

Das BAG stellt mit der Entscheidung klar, dass der Arbeitgeber grundsätzlich auf die Richtigkeit der vom Arbeitnehmer gemeldeten Daten bei der Berechnung des pfändbaren Anteils am Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers vertrauen darf. Diese Berechnung gehört demgegenüber zu den Verpflichtungen des Arbeitgebers.

Im Rahmen einer bestehenden Ehe kann der Arbeitgeber grundsätzlich darauf vertrauen, dass Unterhaltspflichten zwischen den Ehegatten bestehen und erfüllt werden. Weiß er dagegen, dass die Ehegatten getrennt leben, kommt es für die Ermittlung des pfändungsfreien Arbeitsentgelts darauf an, ob der Unterhaltschuldner dem Unterhaltsberechtigten tatsächlich Leistungen zuwendet.

In diesem Fall bietet es sich an beim Unterhaltsschuldner im Fall der Lohnpfändung anzufragen, ob er tatsächlich solche Unterhaltsleistung erbringt. Andernfalls kann im Fall der falschen Berechnung die Gefahr bestehen, dass der Arbeitgeber entweder den Gläubiger oder dem Unterhaltsschuldner zur Nachleistung verpflichtet bleibt.

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