Wahlprogramm-Check: Teil 6 – Arbeitsrecht

Ob Befristung, Tarifrecht und Arbeitsschutz 4.0 – welche Neuerungen planen die Parteien im Arbeitsrecht? Und was wird für Arbeitgeber relevant? DER MITTELSTANDSVERBUND informiert.

Berlin, 25.08.2017 – Komplex und kontrovers: Dies beschreibt die Thematik des Arbeitsrechts und die dazugehörige politische Diskussion ganz treffend. Grund genug also, einen Blick in die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und DIE LINKE zu werfen. Welche Forderungen stellen die antretenden Parteien? In welchen Punkten sind die sich einig und wo widersprechen sie sich? Und welche Auswirkungen hat dies auf Verbundgruppen? DER MITTELSTANDSVERBUND gibt Antworten.

Gestaltung von Arbeitsverträgen - neue Restriktionen?

Bereits in dieser Wahlperiode wurde das Recht auf „befristete Teilzeit“ diskutiert. Dies fordern nun in unterschiedlichen Abstufungen sowohl die Union als auch SPD, Grüne und LINKE. Um die berufliche Lebensgestaltung zu erleichtern, wollen Union, SPD und FDP die Möglichkeit von (betriebsübergreifenden) Lebensarbeitszeitkonten prüfen.

Die Grünen wollen die sachgrundlose Befristung abschaffen, SPD und LINKE wollen zudem die möglichen Sachgründe sowie Kettenbefristungen einschränken. Die Union will lediglich „offenkundigen Missbrauch abstellen“.

Minijobs sollen nach Vorstellung der LINKEN abgeschafft werden. Die SPD will hier lediglich „Missbrauch bekämpfen“. DIE LINKE will außerdem, dass Teilzeitverträge künftig in der Regel mindestens 22 Wochenstunden umfassen.

Der SPD und der LINKEN ist auch „Arbeit auf Abruf“ ein Dorn im Auge. Die LINKE will zudem den gesetzlichen Mindesturlaub auf 30 Werktage anheben und den gesetzlichen Kündigungsschutz verschärfen, u.a. durch ein Verbot von sogenannten Massenentlassungen bei profitablen Unternehmen. Generell fordern beide Parteien auch mehr staatliche Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften sowie die Verfolgung von Verstößen als Straftat. Daneben fordern SPD und Grüne ein Schutzgesetz für Whistleblower.

DER MITTELSTANDSVERBUND sieht diese Pläne kritisch. Gerade kleinere Unternehmen sind auf ein Mindestmaß an Flexibilität in der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse angewiesen.

Streitpunkte Leiharbeit und Werkverträge

In der Leiharbeit fordern SPD und Grüne equal pay vom ersten Tag an. Für DIE LINKE ist das nicht genug: sie fordert eine Flexibilitätszulage von 10 Prozent und eine Überlassungshöchstdauer von drei Monaten; Ziel ist die komplette Abschaffung der Leiharbeit. Die FDP hingegen will die gesetzlichen Einschränkungen der letzten Wahlperiode zurück nehmen und den tariflichen Regelungen der Branche Vorrang einräumen.

Die Grünen fordern eine klare Abgrenzung von Werk- bzw. Dienstverträgen von der Zeitarbeit sowie die Unterbindung von Scheinselbständigkeit durch „rechtssichere“ Kriterien. Mit der Abgrenzung von selbständiger und unselbständiger Arbeit beschäftigen sich auch SPD und Linke sowie die FDP. Letztere will durch einen Positivkatalog die selbständige Tätigkeit rechtssicher definieren.

Ob eine einfache, klare Abgrenzung überhaupt möglich ist, stellt DER MITTELSTANDSVERBUND in Frage. Dies wurde bereits erfolglos in der aktuellen Wahlperiode versucht. Eine umfangreiche Rechtsprechung der Arbeits- und Sozialgerichte gibt hier den Rahmen vor.

Ergänzend fordern SPD, Grüne und Linke ein Mindesthonorar für selbständige Tätigkeiten im Rahmen von Dienst- oder Werkverträgen.

Die SPD will genau wie DIE LINKE den „Missbrauch von Werkverträgen bekämpfen“. Sie alle wollen hierzu die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ausweiten. Dagegen will die FDP nicht weiter in die Vertragsfreiheit eingreifen sondern vielmehr alte Regulierungen auf ihre Tauglichkeit für die neue Wirklichkeit in der Arbeitswelt hin überprüfen. Auch hier gilt aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES, dass die in den letzten Jahren immer weiter eingeschränkte Flexibilität in der Vertragsgestaltung nicht noch weiter beschnitten werden darf.

Arbeitszeit und Arbeitsschutz in der modernen Arbeitswelt

Dass Arbeitszeitrecht und Arbeitsschutz an die digitale Arbeitswelt angepasst werden müssen, sehen alle Parteien – wenn auch mit unterschiedlichem Ansatz. So wollen SPD und Grüne dem Arbeitnehmer mehr Wahlfreiheit hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit (Wahlarbeitszeit) zugestehen.

Dabei sollen jedoch die die Vorgaben aus Arbeitszeitgesetz und Arbeitsschutz genau wie die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates erweitert werden. Diskutiert wird u.a. ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit. SPD und LINKE wollen dies durch mehr staatliche Kontrolle garantieren. Die LINKE treibt diesen restriktiven Ansatz noch weiter und fordert neben einer Anti-Stress-Verordnung und einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 40 Stunden auch eine Ausweitung aller Schutzvorschriften auf Crowd-Worker.

Die FDP will das Arbeitszeitgesetz flexibler gestalten, den Arbeitsschutz entbürokratisieren und damit neue Arbeitszeitmodelle ermöglichen. Die Union will dies auch, jedoch soll nach ihrer Vorstellung die Ausgestaltung Sache der Tarifpartner sein.

SPD und Grüne fordern zudem ebenso wie DIE LINKE einen eigenen Beschäftigtendatenschutz. DIE LINKE spricht sich auch für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und deutliche Verschärfungen im Arbeitszeitgesetz aus.

DER MITTELSTANDSVERBUND plädiert für eine zeitgemäße, an die moderne Arbeitswelt angepasste Ausgestaltung von Arbeitszeitrecht und Arbeitsschutz . Damit soll Unternehmen und Beschäftigten der Freiraum gegeben werden, gemeinsam die individuell passende Lösung für die betrieblichen und persönlichen Anforderungen zu finden. Statt weiterer Restriktionen sind hier mehr Freiräume notwendig.

Mindestlohn und Tarifrecht

Die Union steht zum gesetzlichen Mindestlohn - gleichwohl will sie hier unnötige Bürokratie abbauen. Anders sieht dies die SPD, die einige bestehende Ausnahmen abschaffen und zudem eine Mindestvergütung für Auszubildende einführen will. Die Grünen wollen ihn um weitere branchenspezifische Lohnuntergrenzen ergänzen. Die LINKE hingegen will ihn direkt auf 12 Euro anheben und alle Ausnahmen streichen.

SPD, Grüne und LINKE wollen die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen in unterschiedlichem Ausmaß erleichtern. Generell wollen Union und auch SPD die Rolle der Tarifparteien dadurch stärken, dass sie diesen mehr Möglichkeiten zum Abweichen vom Gesetz geben. SPD und LINKE wollen insbesondere auch die Gewerkschaften stärken. Beide fordern ein Verbandsklagerecht, die LINKE wünscht sich zudem erweiterte Streikrechte.

Mitbestimmung ausweiten

Die Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung ist für SPD und Grüne ein Thema - sie wollen den Schwellenwert auf 1.000 Beschäftigte absenken.

Die betriebliche Mitbestimmung soll aus Sicht der SPD und LINKEN ebenfalls ausgeweitet werden. Hier gibt es verschiedene Vorschläge von mehr Initiativrechten und mitbestimmungspflichtigen Themen über erweiterten Kündigungsschutz bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung einer Behinderung der Betriebsratsarbeit.

Frauenquote und Entgeltgleichheit

Neben einem neuen, erweiterten Entgeltgleichheitsgesetz mit Verbandsklagerecht fordern die Grünen eine 50 Prozent-Frauenquote für die Führungsgremien aller börsennotierten, mitbestimmungspflichtigen Unternehmen. Die SPD will lediglich das aktuell beschlossene Entgelttransparenzgesetz evaluieren und ggf. nachbessern, wohingegen die LINKE nicht nur eine 50 Prozent-Quote für alle Unternehmen fordert sondern auch den „Niedriglohnbereich abschaffen“ will.

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