Warum eine Neuregelung des Arbeitszeitgesetzes notwendig ist

Bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit geht die Regierung nur mit Trippelschritten vorwärts. Dabei ist Eile angesagt: Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt verändert. Die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes müssen endlich an die heutigen Arbeitsverhältnisse angepasst werden.

Berlin, 13.04.2018 – In der vergangenen Legislaturperiode scheiterte der Vorschlag der damaligen Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), den Tarifpartnern mittels einer Experimentierklausel mehr Freiräume bei der Gestaltung der Arbeitszeit zu gestatten, vor allem am Widerstand der Gewerkschaften und Vorbehalten aus der eigenen Regierung.

DER MITTELSTANDSVERBUND setzt sich für eine Neuregelung des Arbeitszeitgesetzes ein.Mit der Neuauflage der Großen Koalition hat sich daran wenig geändert. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist erneut von „Experimentierräumen für tarifgebundene Unternehmen“ die Rede. Tarifgebundene Unternehmen sollen mittels Betriebsvereinbarungen die Möglichkeit erhalten, flexiblere Regelungen bei der wöchentlichen Arbeitszeit zu treffen – es müssten also sowohl Gewerkschaft als auch Betriebsrat einer solchen Flexibilisierung zustimmen.

Mit der Digitalisierung haben sich Lebens- und Arbeitswelten verändert

Die derzeit geltenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes stammen aus den 1990er Jahren. Seitdem hat die Digitalisierung die Lebens- und Arbeitswelt dramatisch verändert. Technische Entwicklungen und Nachfrageschwankungen stellen die Arbeitsorganisation vor neue Herausforderungen. Unternehmen müssen sich stärker als zuvor an sich schnell verändernde Bedingungen anpassen. Außerdem haben sich mit vielfältigeren Lebens- auch neue Arbeitsformen entwickelt. Auch Arbeitnehmer wünschen sich heute mehr Flexibilität in ihrer Arbeitsorganisation, etwa im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Überall dort, wo Mitarbeiter Ihre Arbeitszeit eigenverantwortlich planen oder unvorhergesehene Ereignisse eintreten, können reguläre Arbeitszeiten überschritten werden. Der Außendienstmitarbeiter kann im Stau feststecken oder von einem unerwartet langen Kundentermin überrascht werden – schon besteht die Gefahr, dass gegen die Regelungen zur Ruhezeit verstoßen oder die tägliche Höchstarbeitszeit überschritten wird.

Der kurzfristige Ausfall mehrerer Mitarbeiter, etwa durch die Grippewelle im vergangenen Winter, kann entsprechende Mehrarbeit bei den Kollegen nach sich ziehen – vor allem wenn Öffnungs- und Servicezeiten aufrechterhalten werden müssen. Selbst unsere Bundestagsabgeordneten und deren Mitarbeiter dürften die Problematik kennen: In den Sitzungswochen sind Termine eng getaktet, Sondersitzungen werden einberufen und die Plenarsitzung dauert bis weit nach Mitternacht. In all diesen Fällen setzen die bestehenden Regelungen zur Arbeitszeit Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu enge Grenzen.

Viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind den gesetzlichen Regelungen weit voraus. So mancher Betrieb weicht in der Praxis bereits von den geltenden Regelungen ab, mit dem Risiko im Konfliktfall hohe Geldbußen zahlen zu müssen. Wie sinnvoll ist eine gesetzliche Regelung, die nicht mehr dem Arbeitsalltag in den Unternehmen und auch den individuellen Wünschen der Betroffenen entspricht?

Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit ist überfällig

Eine zeitgemäße Neuregelung des Arbeitszeitgesetzes ist ein Kernanliegen DES MITTELSTANDSVERBUNDES. Zusammen mit den in der AG Mittelstand vertretenden Organisationen fordert der Spitzenverband des kooperierenden Mittelstandes seit Jahren eine Flexibilisierung der Arbeitszeitregelungen.

Eine Anpassung des Arbeitszeitgesetzes ist überfällig und wird gegenwärtig erneut von Arbeitgeberseite mit Nachdruck gefordert. Dabei müssen die Neuregelungen über „Experimentierräume“ für einzelne Betriebe hinausgehen. Denn ginge es nach dem Koalitionsvertrag, wird die Flexibilisierung von Arbeitszeiten gleich an zwei Voraussetzungen geknüpft: Erstens an eine Einigung auf Ebene der Tarifparteien, also Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, zweitens an eine Einigung auf betrieblicher Ebene zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat.

Statt die Aushandlung von flexiblen Arbeitszeitmodellen auf die Tarifpartner abzuwälzen, sollte die Politik eine einheitliche Neuregelung, die auch Unternehmen ohne Tarifbindung mit einschließt, nicht länger hinauszögern.

Einige europäische Länder, darunter Dänemark, Großbritannien und Italien verzichten auf eine tägliche Höchstgrenze bei der Arbeitszeit und haben lediglich eine wöchentliche Obergrenze festgelegt. Auch die FDP hat kürzlich einen Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht, der eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden vorsieht.

DER MITTELSTANDSVERBUND setzt sich für eine Neuregelung des Arbeitszeitgesetzes ein, welche die Spielräume der Europäischen Richtlinie vollständig nutzt und sich insbesondere auf eine wöchentliche Verteilung des Arbeitsvolumens anstelle einer täglichen Höchstgrenze beschränkt.

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