Berufliche Ausbildung in Zeiten von Corona: Was muss beachtet werden?

Die weitreichenden Einschränkungen infolge des Coronavirus haben auch Auswirkungen auf die berufliche Ausbildung in den Unternehmen. Denn auch hier können die üblichen Abläufe derzeit nicht ohne weiteres aufrechterhalten werden. Dabei gibt es eine Reihe von Punkten zu beachten, damit es nicht zu negativen Beeinträchtigungen der Ausbildungsverhältnisse kommt.

Berlin, 01.04.2020 – Das Coronavirus stellt die mittelständischen Unternehmen gegenwärtig vor zahlreiche Herausforderungen. Im Bereich der Arbeitsorganisation gilt es dabei, die eingespielten Arbeitsabläufe bestmöglich an die veränderten Anforderungen anzupassen. Dies gilt ohne Frage auch für die Organisation der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Bestehende Ausbildungsverhältnisse sollten nicht unter der gegenwärtigen Situation leiden müssen oder gar aufgehoben werden. Andernfalls tragen sowohl die Auszubildenden als auch die Ausbildungsbetriebe erhebliche Nachteile davon. Um dies zu verhindern, informieren wir Sie in diesem Überblick über die wesentlichen Aspekte, die Unternehmen aktuell berücksichtigen sollten.

Verschiebung und Ausfall von Prüfungen

Laut aktueller Bekanntmachung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) werden die Industrie- und Handelskammern alle für April und Mai geplanten schriftlichen Abschlussprüfungen auf den Sommer 2020 verschieben. Die Prüfungen werden voraussichtlich in der Zeit vom 16. bis 19. Juni 2020 nachgeholt. Die industriell-technischen Prüfungen sollen dabei am 16./17. Juni stattfinden und die kaufmännischen am 18./19. Juni.

Prüfungsteilnehmer, die im Frühjahr für die Abschlussprüfung Teil 1 angemeldet waren, können die entsprechende Prüfung im Herbst nachholen. Alle Zwischenprüfungen, die im Frühjahr hätten stattfinden sollen, entfallen hingegen ersatzlos. Dies soll jedoch nach gemeinsamer Auffassung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, die von den für die Prüfung zuständigen Stellen geteilt wird, keine negativen Konsequenzen für die spätere Zulassung zur Abschlussprüfung haben.

Sofern aufgrund der Verschiebung der Prüfung das Ausbildungsverhältnis enden würde, bevor die Prüfung absolviert wurde, sieht das Berufsbildungsgesetz (BBiG) zwar keine automatische Verlängerung vor. Diese könnte aber ggf. vom Auszubildenden beantragt werden. Dieser hätte dabei darzulegen, dass die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Die Entscheidung trifft dann die zuständige Kammer. 

Bis einschließlich Mai finden darüber hinaus auch keine IHK-Weiterbildungsprüfungen statt. Diese sollen zwischen Juni und August nachgeholt werden. Alle IHK-Unterrichtungen sowie Sach- und Fachkundeprüfungen bleiben mindestens bis zum 24. April ausgesetzt. Bei dringenden Engpässen, z.B. in systemrelevanten Unternehmen, kann es im Einzelfall Ausnahmen geben. Die Entscheidung wird in diesem Fall von der jeweils zuständigen IHK im Austausch mit den Unternehmen getroffen. Zudem gilt folgende Sonderregelung in der Logistik: Die Gültigkeit der Schulungsnachweise für Berufskraftfahrer sowie im Gefahrgutbereich wurden verlängert. Alle Bescheinigungen über die Fahrzeugführerschulung, deren Geltungsdauer zwischen dem 1. März und dem 1. November 2020 endet, bleiben bis zum 30. November 2020 gültig.

Ausfall der Ausbildung im Betrieb

Bei einer teilweisen bzw. vollständigen Betriebsschließung oder bei vereinbarter Kurzarbeit gilt für die Ausbildung Folgendes: Zunächst muss der Ausbildungsbetrieb unter allen Umständen versuchen, die Ausbildung aufrechtzuerhalten. Sofern auch nur in einem Teilbereich der Betrieb noch weiterläuft, muss versucht werden, die Ausbildung in diesen Bereich zu verlagern. Ggf. müssten dann entsprechende Ausbildungsinhalte vorgezogen werden oder es kommt eine Teilzeitausbildung in Betracht (Reduzierung auf bis zu 50 % der täglichen bzw. wöchentlichen Ausbildungszeit gemäß § 7a BBiG). 

Sofern gar keine betrieblichen Aktivitäten mehr stattfinden, können auch ausbildungsrelevante Aufgaben oder Projekte für die Erarbeitung zu Hause entwickelt werden. In diesem Fall ("Homeoffice") muss jedoch eine ausreichende Betreuung der Auszubildenden (virtuell oder telefonisch) sichergestellt sein. Es kann zudem zusätzliche Lernzeit für die Berufsschule vorgesehen werden. Zu beachten ist dabei, dass auch Ausbilder möglichst lange im laufenden Betrieb gehalten werden müssen. Sie dürfen erst dann in Kurzarbeit gehen, wenn keine Alternative mehr besteht. Erst wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kann auch Kurzarbeit für Auszubildende vereinbart werden. Dies gilt aber nur, wenn die Unterbrechung der Ausbildung unvermeidbar ist. In diesem Fall haben Auszubildende gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2a BBiG jedoch zunächst einen sechswöchigen Anspruch auf Fortzahlung ihrer Vergütung. 

Eine letzte Maßnahme stellt die Kündigung des Ausbildungsverhältnisses dar. Sofern eine ordnungsgemäße Ausbildung nicht mehr sichergestellt werden kann, weil der Betrieb ganz bzw. teilweise geschlossen ist oder aufgrund der Umstände die Ausbildungsberechtigung nicht mehr besteht (z.B. kein ausbildendes Personal mehr zur Verfügung steht), besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht gemäß § 22 Abs. 2 Nr.1 BBiG.

Ausfall des Berufsschulunterrichts

Bundesweit findet gegenwärtig kein Präsenzunterricht in Berufsschulen statt. Sofern anstelle des regulären Unterrichts Online-Angebote geschaffen werden bzw. Aufgaben zur eigenverantwortlichen Bearbeitung zur Verfügung gestellt werden, muss den Auszubildenden entsprechende Zeit eingeräumt werden, um diese wahrzunehmen bzw. zu bearbeiten. Insofern gilt weiterhin die Pflicht zur Freistellung für den Berufsschulunterricht gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 BBiG. 

Falls aufgrund eines erhöhten betrieblichen Bedarfs die Auszubildenden unverzichtbar im Betrieb sind, gibt es entsprechend den jeweiligen Berufsschulverordnungen der Länder die Möglichkeit, eine Befreiung von der Berufsschule zu beantragen. Auch wenn die zuständige Berufsschule derzeit nicht erreichbar sein sollte, empfiehlt es sich aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation, ggf. einen formlosen Antrag an diese per E-Mail zu senden und mit Hinweis auf die aktuelle Situation um Befreiung zu bitten. Selbstverständlich muss dann aber im Nachgang gemeinsam eine Möglichkeit gefunden werden, wie der Berufsschulstoff nachgeholt werden, damit den Auszubildenden kein Nachteil entsteht.

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