Bundesarbeitsministerium erlässt Verordnung zu Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz im Zuge des Coronavirus

Um die hohe Nachfrage nach Waren des täglichen Bedarfs vor dem Hintergrund der Coronakrise decken zu können, kann in den entsprechenden Branchen nun länger gearbeitet werden. Die beschlossenen Ausnahmen gelten aber nur befristet und mit Einschränkungen.

Berlin, 15.04.2020 – Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat – wie bereits Ende März angekündigt – eine „Verordnung zu Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz infolge der COVID-19-Epidemie“ erlassen, die am 9. April 2020 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde und am Folgetag in Kraft getreten ist. Damit gelten vorübergehend verschiedene Ausnahmen von den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes in Hinblick auf Höchstarbeitszeit, Ruhezeiten sowie die Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Die Ausnahmen sind gleichwohl auf solche Tätigkeiten beschränkt, die für die Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs und ähnlichen Produkten notwendig sind. 

Konkret gelten die Ausnahmen – abgesehen von weiteren Ausnahmen insbesondere für öffentliche Einrichtungen und den Gesundheitssektor – für folgende Unternehmen bzw. einzelne Tätigkeiten in Unternehmen:

  • Herstellen, Verpacken einschließlich Abfüllen, Kommissionieren, Liefern an Unternehmer, Be- und Entladen und Einräumen von

    a) Waren des täglichen Bedarfs,
    b) Arzneimitteln, Medizinprodukten und weiteren apothekenüblichen Waren sowie Hilfsmitteln,
    c) Produkten, die zur Eingrenzung, Bekämpfung und Bewältigung der COVID-19-Epidemie eingesetzt werden,
    d) Stoffen, Materialien, Behältnissen und Verpackungsmaterialien, die zur Herstellung und zum Transport der in den Buchstaben a bis c genannten Waren, Mittel und Produkte erforderlich sind,
  • Sicherstellung von Geld- und Werttransporten sowie Bewachung von Betriebsanlagen,
  • Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Datennetzen und Rechnersystemen,
  • Apotheken und Sanitätshäuser im Rahmen der zugelassenen Ladenöffnungszeiten und bei erforderlichen Vor- und Nacharbeiten sowie bei Abhol- und Lieferdiensten von Apotheken und Sanitätshäusern.

Für Beschäftigte in diesen Tätigkeitsfeldern kann die tägliche Höchstarbeitszeit nun auf bis zu 12 Stunden ausgeweitet werden, sofern dies nicht durch geeignete personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit soll grundsätzlich 60 Stunden nicht überschreiten. Hiervon kann aber in dringenden Ausnahmefällen abgewichen werden, wenn sich dies wiederum nicht durch geeignete Maßnahmen vermeiden lässt. Die gesetzliche Ruhezeit in den genannten Tätigkeiten darf auf 9 Stunden  verkürzt werden. Eine solche Verkürzung muss aber innerhalb von vier Wochen durch freie Tage oder verlängerte Ruhezeiten ausgeglichen werden. Darüber hinaus dürfen Beschäftigte in diesen Tätigkeitsfeldern nun auch – wenn nötig – an Sonn- und Feiertagen arbeiten, sofern Ladenschlussgesetze von Bund und Ländern dem nicht entgegenstehen. 

Sämtliche im Rahmen der Verordnung genannten Ausnahmen sind zeitlich befristet und dürfen von Arbeitgebern nur bis zum 30. Juni 2020 angewendet werden. In den Fällen, in denen auf Ebene der Länder bereits zuvor Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz beschlossen wurden, die über die Bestimmungen der Verordnung des BMAS hinausgehen, sind sie maßgeblich und bleiben bestehen.

Insgesamt sind die nun geltenden Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES ausdrücklich zu begrüßen. Eine bundesweit einheitliche Regelung hierzu hatten wir bereits am 20. März im Rahmen einer Eingabe an das BMAS gefordert. Insbesondere viele gewerbliche Verbundgruppen im Handel können in ihrer Arbeitsorganisation von den flexibleren Regelungen profitieren. Unglücklich ist allerdings, dass – im Vergleich zum Referentenentwurf – in der endgültigen Fassung der Verordnung die Möglichkeit entfallen ist, die Arbeitszeit in dringenden Ausnahmefällen auch über zwölf Stunden am Tag hinaus zu verlängern. Zudem wurde nun klargestellt, dass nur Lieferungen an Unternehmer zulässig sind, wohingegen eine Belieferung von Endverbrauchern grundsätzlich ausgeschlossen ist. Lediglich für Apotheken und Sanitätshäuser gilt dies nicht zwingend.

DER MITTELSTANDSVERBUND hält diese Einschränkungen für nicht zielführend und wird weiterhin den Austausch mit der Politik suchen, um für die Notwendigkeit der Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz in diesen außerordentlichen Zeiten zu werben. Darüber hinaus ist zu kritisieren, dass die Ausnahmen vorerst nur bis zum 30. Juni gelten sollen. Die Auswirkungen der Coronakrise auf die Nachfragesituation und Personalverfügbarkeit werden jedoch deutlich über diesen Zeitpunkt hinaus spürbar bleiben. 

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