Corona-Maßnahmenpaket: Koalitionsausschuss beschließt weitere Konjunkturhilfen und Zuschüsse

Die Große Koalition hat ein weiteres großes Maßnahmenpaket beschlossen, das die negativen Folgen der Coronakrise in verschiedenen Bereichen abmildern soll. Dabei sind mehrere Maßnahmen zur Unterstützung der Unternehmen geplant – unter anderem eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer und Überbrückungshilfen. Auch wenn gerade kleine und mittlere Unternehmen davon profitieren sollen, ist die Förderung nicht zielgenau ausgestaltet und es bleiben offene Fragen.

Berlin, 05.06.2020 – Nach mehrtätigen Beratungen hat sich der Koalitionsausschuss von CDU/CSU und SPD am 3. Juni auf ein weiteres umfangreiches Maßnahmenpaket geeinigt. Dieses zielt darauf ab, die negativen Folgen der Coronakrise in unterschiedlichen Bereichen abzufedern und nicht zuletzt durch konjunkturelle Impulse auch finanziell zu kompensieren.

Die Große Koalition hat mehrere Maßnahmen zur Unterstützung der Unternehmen geplant – unter anderem eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer und Überbrückungshilfen. Neben einer Reihe weiterer Maßnahmen, auf die wir in anderen Beiträgen näher eingehen, gehören dazu folgende Maßnahmen:

Befristete Mehrwertsteuersenkung:

  • Mit dem Ziel einer Stärkung der Binnennachfrage in Deutschland soll – befristet vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 – die Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer abgesenkt werden. Der reguläre Mehrwertsteuersatzsoll dann von 19 % auf 16 % sowie der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 % auf 5 % sinken.
  • Nach gegenwärtigem Stand soll der Mehrwertsteuersatz anschließend wieder auf den ursprünglichen Satz angehoben werden. Hierüber wird aber weiterhin in den Koalitionsparteien diskutiert.
  • Noch nicht abschließend geklärt ist, welche Mehrwertsteuersätze in den jeweiligen Übergangsphasen gelten sollen: z.B. für Warenlieferungen, die zwar im Juni bestellt, aber erst im Juli geliefert werden. Im Fall der letzten Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 war für die Höhe des Steuersatzes der Zeitpunkt der Leistungserbringung maßgeblich. Es bleibt vorerst abzuwarten, ob dies auch bei der befristeten Mehrwertsteuersenkung der Fall sein soll.

Überbrückungshilfen für KMU:

  • Zur Sicherung der Existenz von kleinen und mittelständischen Unternehmen soll ein Programm für Überbrückungshilfen mit einem Volumen von bis zu 25 Mrd. Euroaufgelegt werden. Die entsprechenden Überbrückungshilfe sollen – unabhängig von der Branche des Unternehmens – für die Monate Juni bis August 2020 gewährt werden.
  • Antragsberechtigt wären dabei nur Unternehmen, deren Umsätze Corona-bedingt in den Monaten April und Mai 2020 im Vergleich zu den entsprechenden zwei Vorjahresmonaten um mindestens 60 % zurückgegangen sind und deren Umsatzrückgänge in den Monaten Juni bis August 2020 um mindestens 50 % fortdauern. Bei Unternehmen, die nach April 2019 gegründet worden sind, wären als Vergleichszeitraum stattdessen die Monate November und Dezember 2019 heranzuziehen.
  • Die Überbrückungshilfen bestehen ausschließlich in einer teilweisen Erstattung fixer Betriebskosten. Erstattet sollen dabei konkret bei einem Umsatzrückgang von mindestens 50 % gegenüber dem Vorjahresmonat bis zu 50 % der fixen Betriebskosten. Bei einem Umsatzrückgang von mehr als 70 % sollen hingegen bis zu 80 % der fixen Betriebskosten erstattet werden können. Der maximale Erstattungsbetrag pro Unternehmen beträgt 150.000 Euro für drei Monate. Bei Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten soll der Erstattungsbetrag grundsätzlich auf 9.000 Euro, bei Unternehmen mit bis 10 Beschäftigten auf 15.000 Euro gedeckelt werden. In „begründeten Ausnahmefällen“ sollen die Erstattungsbeträge der entsprechenden Unternehmen diese Grenzen übersteigen können.
  • Alle geltend gemachten Umsatzrückgänge und fixe Betriebskosten sind durch einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in geeigneter Weise zu prüfen und zu bestätigen. Überzahlungen müssen erstattet werden. Es ist vorgesehen, dass Anträge auf Überbrückungshilfen spätestens bis zum 31.8.2020 gestellt werden können sowie deren Auszahlungen spätestens bis zum 30.11.2020 vorgenommen werden sollen.

Anpassung des Insolvenzrechts:

  • Abgesehen von finanziellen Unterstützungsmaßnahmen soll – für die Fälle, in denen diese nicht zum Erfolg führen – das Insolvenzrecht reformiert werden, um Unternehmen nach einer Insolvenz einen schnellen Neustart zu erleichtern.
  • Neben der Verkürzung des Entschuldungsverfahrens für natürliche Personen auf drei Jahre soll im Bereich der Unternehmensinsolvenzen ein vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren eingeführt werden. Damit werden nunmehr europäische Vorgaben zur Harmonisierung der insolvenzrechtlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten umgesetzt.

Die befristete Mehrwertsteuersenkung  soll laut den Koalitionspartnern der Stärkung der Binnennachfrage dienen. Ob dies in der Breite den gewünschten Effekt erzielen wird, kann noch nicht abgesehen werden. In einigen Bereichen könnten die Preise tatsächlich sinken und damit für höheren Konsum sorgen. Gleichzeitig steht es den Unternehmen frei, ihre Endpreise nicht anzupassen. Dies böte ihnen – in Abhängigkeit vom Wettbewerb und dem Verhalten preissensibler Verbraucher – grundsätzlich auch die Chance auf etwas höhere Erträge. Zu begrüßen ist aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES aber grundsätzlich, dass durch die befristete Mehrwertsteuersenkung nun keine einzelne Branche gefördert wird, sondern unterschiedliche Unternehmen des kooperierenden Mittelstands positive Effekte spüren könnten.

Kritisch ist hingegen der sehr kurze Vorlauf anzumerken, der den Unternehmen zur Umstellung ihrer Abrechnungs- und Kassensysteme auf den niedrigeren Steuersatz bleibt. Im Fall von Preissenkungen kommt in vielen Fällen noch ein umfassender Aufwand für das Anbringen neuer Preisschilder in Ladengeschäften hinzu. Auch ist noch nicht geklärt, welche Steuersätze in den Übergangszeiträumen gelten sollen. Gerade diese Details haben aber große Relevanz für die Praxis und sorgen nun für Unsicherheit in den Unternehmen. Deshalb kommt es jetzt darauf an, dass eine schnelle Umsetzung in Form eines Gesetzentwurfes erfolgt und dieser so schnell wie möglich von Bundestag und Bundesrat beschlossen wird, damit den Unternehmen genug Zeit zur Umstellung bleibt. Dabei müssen auch alle offenen Umsetzungsfragen – entweder im Rahmen des Gesetzes oder in Form eines BMF-Schreibens – zweifelsfrei geklärt werden. Dies wird angesichts der wenigen verbleibenden Wochen ein herausforderndes Unterfangen für die Politik und es ist sehr zu hoffen, dass am Ende nicht die Unternehmen darunter leiden müssen.

Dass sich die Große Koalition auf ein Programm für Überbrückungshilfen  zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen einigen konnte, ist grundsätzlich erfreulich. Die betroffenen Unternehmen können sich somit für die Monate Juni bis August zumindest einen Teil ihrer betrieblichen Fixkosten erstatten lassen. Dass aber über die Fixkosten hinaus keinerlei finanzielle Kompensation erfolge, ist sehr bedauerlich und keinesfalls sachgerecht. In den zurückliegenden Monaten haben viele Unternehmen ihr Eigenkapital aufgebraucht und teils mit Krediten hohe Fremdkapitalbestände in die Bücher genommen. Gerade kapitalintensive Unternehmen mit hohen Umsätzen und geringer Rendite waren davon extrem betroffen. Deshalb mahnt DER MITTELSTANDSVERBUND, dass die Politik weiterhin dringend an einem umfassenden Konzept zur Rekapitalisierung arbeiten muss. Auch greift es zu kurz, die Monate April und Mai 2020 als entscheidenden Indikator für Corona-bedingte Umsatzrückgänge zu definieren. Denn bei vielen Unternehmen wirken sich die Umsatzeinbußen insbesondere im Geschäftskundenbereich erst verspätet aus – aber deshalb nicht weniger stark.

Kleine Unternehmen – zu denen auch zahlreiche Anschlusshäuser von Verbundgruppen zählen – sind darüber hinaus im Rahmen der Überbrückungshilfen unbegründet zusätzlichen Beschränkungen unterworfen. Sie erhalten im Vergleich zu Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern einen niedrigeren Erstattungsbetrag von grundsätzlich höchstens 9.000 bzw. 15.000 Euro. Die Bürokratieaufwand durch die Nachweispflichten stellt für Kleinunternehmen zudem eine besondere Belastung dar. Dabei rächt sich nun umso mehr, dass Unternehmen mit weniger als 11 Beschäftigten auch weiterhin ohne nachvollziehbare Begründung von der Beantragung der KfW-Schnellkredite ausgenommen sind.

Die von der Bundesregierung geplante Einführung eines vorinsolvenzlichen Restrukturierungsverfahrens  wird aufgrund der engen Verzahnung der einzelnen Wertschöpfungsstufen auch unmittelbare Relevanz für die Verbundgruppen haben. Im Wesentlichen setzt Deutschland damit europäische Vorgaben um. Bereits Anfang 2019 hatten sich die Europäischen Gesetzgeber auf die Richtlinien zur Harmonisierung der nationalen insolvenzrechtlichen Regelungen und zur Schaffung eines einheitlichen präventiven Restrukturierungsrahmens geeinigt.  In Deutschland bestehen bereits Verfahren, um Insolvenzen vorzubeugen – Eine klare Abgrenzung der Verfahren und deren Rechtsfolgen wird nun notwendig sein, um Ketteninsolvenzen zu vermeiden. Wichtig in der jetzt folgenden Umsetzung dürfte zudem die Ausgestaltung des sogenannten Moratoriums werden, mithilfe dessen sich der Schuldner gegenüber Gläubigerzugriffen schützen kann. Weiterhin bleibt abzuwarten, ob Deutschland die aktuell geltende Insolvenzantragspflicht auch auf dieses neue Verfahren ausweitet.

Wir werden die nun anstehenden Gesetzgebungsverfahren und die konkrete Ausgestaltung der beschlossenen Maßnahmen aufmerksam und kritisch begleiten. Zu gegebener Zeit werden wir sie über die Fortschritte informieren.

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