Aktionsprogramm für den Mittelstand: Zu wenig und zu spät

Mit einer Neuauflage des "Aktionsprogramms Zukunft Mittelstand" will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Unternehmen verbessern. DER MITTELSTANDSVERBUND kritisiert das Papier.

Berlin, 02.06.2016 – Mit einem weiteren "ambitionierten Bürokratieabbau" will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mittelständischen Unternehmen mehr Luft zum Investieren verschaffen. Nach dem "kräftigen Impuls" von 1,4 Mrd. Euro im Zuge eines ersten Gesetzespakets werde ein zweites Bürokratieentlastungsgesetz angestrebt, kündigte Gabriel am 31. Mai auf einer Konferenz zusammen mit den Präsidenten von BDI, DIHK und ZDH in Berlin an.

Arbeitsgrundlage soll das neu aufgelegte "Aktionsprogramm Zukunft Mittelstand" sein. Für den MITTELSTANDSVERBUND enthält das Papier zu viele Ankündigungen und zu wenig konkrete Maßnahmen.

Eine Analyse:

Bürokratieabbau

Angestrebt ist, Unternehmen bei der Bürokratie zu entlasten. Dazu sollen Änderungen im Steuerrecht vorgenommen werden. Die Abschreibungsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter und der Umsatzschwellenwert für die sog. Ist-Besteuerung sollen angehoben werden. Bei der Ist-Besteuerung zahlt der Unternehmer erst dann die Umsatzsteuer an das Finanzamt, wenn der Auftraggeber die Rechnung bezahlt hat. Sie muss daher vom Unternehmer nicht vorfinanziert werden.

Diese Schritte sind zu begrüßen, reichen aber bei weitem nicht aus und sind zu ungenau. Wie weit die Werte angehoben werden sollen, findet keine Erwähnung. Der Bürokratieabbau darf sich außerdem nicht allein auf das Steuerrecht beschränken. Deshalb hat DER MITTELSTANDSVERBUND bereits im vergangenen Jahr zehn detaillierte Vorschläge erarbeitet und dem Bundeswirtschaftsminister übergeben. Darin sind unter anderem enthalten: Verbesserungen bei den Informations- und Impressumspflichten oder Vereinfachungen im Arbeitszeitrecht.

Die Bundesregierung lobt ihre Erfolge beim Bürokratieabbau. Doch die angeführte Entlastung von 1,4 Mrd. Euro im vergangenen Jahr ist angesichts neuer Vorhaben der Regierung nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Besonders schmerzhaft: Die im Koalitionsvertrag vereinbarte "One in, one out"-Regel, nach der jede zusätzliche bürokratische Maßnahme zu einer gleichhohen Entlastung an anderer Stelle führen soll, wird aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDS von manchen Ministerien nur halbherzig angewendet. Hier ist der Einsatz des Bundeswirtschaftsministers gefragt!

Digitalisierung

Auch hier gehen die Vorschläge grundsätzlich in die richtige Richtung - allerdings ist das Tempo zu langsam. Die Bundesregierung beabsichtigt, in der Netzinfrastruktur flächendeckend Übertragungsraten von 50MBit/s zu gewährleisten. Gleichzeitig kommt sie zu dem Schluss, dass es sich dabei nur um einen Zwischenschritt handelt. Für den MITTELSTANDSVERBUND ist dieser umständliche Ansatz fragwürdig. Anstatt die Einführung der sog. Vectoring-Technologie zu unterstützen, die in ihrer derzeit geplanten Form das Risiko einer Re-Monopolisierung des Telekommunikationsmarkts in sich birgt, sollte die Bundesregierung gleich den Ausbau von Glasfaserkabeln in Angriff nehmen. Schon die Vorgängerregierung hat hier umfassende Investitionen versprochen. Passiert ist bisher leider wenig.

Auch auf anderen Feldern muss der Rahmen für die Digitalisierung verbessert werden. In der nationalen Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung darf der Gesetzgeber nicht zu Lasten des Mittelstands von den europäischen Vorgaben abweichen. Digitalisierung funktioniert nur, wenn Unternehmen Daten auch nutzen dürfen. Unklar ist ferner der Zweck der geplanten "zentralen Kontaktstelle für KMU zu Standardisierungaktivitäten". Hier hätte sich DER MITTELSTANDSVERBUND konkretere Aussagen zur Zielstellung gewünscht.

Positiv hervorzuheben ist dagegen die "Initiative IT-Sicherheit in der Wirtschaft". Hier freut sich DER MITTELSTANDSVERBUND auf den Dialog mit dem Wirtschaftsministerium und wird aktiv auf die eigene Mitgliedschaft zugehen.

Gründungs- und Wachstumsfinanzierung

Das Bundeswirtschaftsministerium verweist auf Ausnahmen beim Kleinanlegerschutzgesetz, welche Finanzierungsmodelle wie z.B. Crowd-Investing angemessen berücksichtigen. Das ist aber kein Grund zum Feiern. Tatsache ist, dass das Kleinanlegerschutzgesetz vielen Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt wesentlich erschwert hat. Dieser Ansatz läuft den Plänen der EU-Kommission zuwider, die den Markt für Kapitalmarktfinanzierungen stärken will.

DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt jedoch den Einsatz der Bundesregierung auf europäischer Ebene in Sachen Bankenregulierung. Es darf zu keiner strukturellen Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen des Mittelstands kommen.

Fachkräftebedarf sichern, Flüchtlinge integrieren, Unternehmer stärken

Seit dem Aufkommen der Flüchtlingsthematik setzt sich DER MITTELSTANDSVERBUND für eine gelungene Integration von Flüchtlingen ein. Hier kann die Wirtschaft einen erheblichen Beitrag leisten, indem sie Geflüchtete durch Ausbildungsmaßnahmen zeitnah für den Arbeitsmarkt qualifiziert. Zuerst muss der Gesetzgeber aber den rechtlichen Rahmen schaffen.

Daher begrüßt der Spitzenverband der kooperierenden Wirtschaft das Bekenntnis des Bundeswirtschaftsministeriums zur sog. "3+2-Regel", nach der Geflüchtete unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens eine Ausbildung beginnen und anschließend zwei Jahre in Deutschland arbeiten dürfen. Allerdings: Diese Regel, die sich aktuell im Gesetzgebungsverfahren befindet, hätte schon viel früher eingeführt werden können.

Auch der Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte steht DER MITTELSTANDSVERBUND positiv gegenüber. Hierzu hat der Bund mit dem Portal make-it-in-germany.de einen hilfreichen Beitrag geleistet.

Dennoch gilt, dass sich das Engagement der Politik zur Bewältigung des Fachkräftemangels nicht auf Zuwanderungsmaßnahmen beschränken darf. Verbessert werden muss z.B. ebenso die Ausbildungsfähigkeit von Schulabgängern.

Genauso darf der Beruf des Unternehmers nicht weiter in Verruf geraten. Denn es herrscht nicht nur ein Fachkräfte-, sondern auch ein Unternehmermangel in Deutschland. Das öffentliche Bild von Unternehmern wird auch durch die Politik mitgestaltet und muss wieder attraktiver werden. Unternehmertum muss in den Schulen einen Platz finden, z.B. im Wirtschaftsunterricht oder in der Berufsberatung. Auch Hochschulen sollten den Studierenden für diesen Karriereweg Kenntnisse mit auf den Weg geben.

Innovation und Globalisierung

Im Allgemeinen beschränkt sich der Innovationsbegriff bei den im Aktionsprogramm erwähnten Fördermaßnahmen zu sehr auf technische Innovationen. Zu kurz kommt dabei der Blick auf prozessuale Neuerungen. Doch gerade mit Blick auf die Digitalisierung wird sich auf diesem Feld die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen entscheiden. Daher muss der Innovationsbegriff weitergefasst werden und beispielsweise neue Prozesse und Abläufe oder neue Geschäftsmodelle mit umfassen. Das gilt es auch zu berücksichtigen, wenn eine steuerliche Innovationsförderung konzipiert werden soll. Letzteres fand leider keinen Eingang in das Aktionsprogramm.

Im außenwirtschaftlichen Bereich bekennt sich die Bundesregierung zu mehr Freihandel. Dem stimmt DER MITTELSTANDSVERBAND grundsätzlich zu. Jedoch scheint die Verabschiedung von CETA und insbesondere TTIP nach wie vor in weiter Ferne zu liegen. Dabei drängt mit Blick auf mehrere Wahlen diesseits und jenseits des Atlantiks die Zeit.

Fazit

Zahlreiche Vorschläge des Aktionsprogramms des Wirtschaftsministeriums reichen nicht weit genug oder kommen vermutlich zu spät, um noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt zu werden. Deswegen fordert DER MITTELSTANDSVERBUND, dass es auch im Wahlkampf nicht nur bei Ankündigungen bleiben darf. Er setzt auf konstruktive Gespräche mit der Bundesregierung.

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