Die digitale Welt des Ministerrats

Kurz vor Ostern stand die Digitalisierung beim Ministerrat auf der Agenda: die Justizminister der EU verständigten sich teilweise zur Datenschutzgrundverordnung. Der informelle Wettbewerbsfähigkeitsrat beschäftigte sich mit der Ausgestaltung der digitalen Agenda.

Brüssel, 18.03.2015 — Gleich zwei Gruppierungen im Rat der Europäischen Union, des sogenannten Ministerrat, beschäftigten sich vor Ostern mit der digitalen Welt. Bei den Justizministern der EU stand die geplante Datenschutzgrundverordnung auf der Agenda. Und da Totgesagte bekanntlich länger leben, einigten sich die Minister in ihrer Sitzung am 13. März teilweise auf europäische Datenschutzstandards. Der Rat betonte aber erneut, dass "der Kompromiss einem umfassenden Änderungsvorbehalt" unterliege. Und das Ergebnis damit nur vorläufig sei. 

Weitergabe von Daten an Dritte mit berechtigtem Interesse

Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag verlangen die Justizminister vor allem für die Regeln, nach denen Daten an Dritte weitergegeben werden können. Sollte nach dem Kommissionsvorschlag eine solche Weitergabe nur bei dem Vorliegen eines berechtigten Interesses des für die Verarbeitung Verantwortlichen möglich sein, wollen die Justizminister das berechtigte Interesse als Rechtfertigungsgrund für die Weitergabe von Daten auch auf Dritte ausweiten.

Die für den kooperierenden Mittelstand sicherlich interessanteste Neuerung ist der auf Druck der deutschen Regierung eingeführte Passus für Unternehmensgruppen. Danach kann der für die Verarbeitung Verantwortliche in einer Unternehmensgruppe ein berechtigtes Interesse haben, personenbezogene Daten innerhalb der Unternehmensgruppe für interne Verwaltungszwecke, einschließlich der Verarbeitung personenbezogener Daten von Kunden und Mitarbeitern, zu übermitteln. Auch wenn damit keine Beweislastumkehr festgelegt wird, soll nach dem Willen der Justizminister der Weitergabe von Daten innerhalb von Unternehmensgruppen damit eine gewisse Indizwirkung zukommen. Damit könnte eine zufriedenstellende Antwort auf eine Frage gegeben worden sein, die den MITTELSTANDSVERBUND seit Beginn der Verhandlungen beschäftigt hat. 

Pflichten im Datenverarbeitungsprozess ungeklärt

Vieles bleibt auch nach dieser partiellen Einigung offen. Insbesondere konnte kein Kompromiss bei den weiteren Pflichten im Datenverarbeitungsprozess (Sorgfalt, Informations- und Aufbewahrungspflichten) gefunden werden. Die Diskussionen in der vorbereitenden Ratsarbeitsgruppe sprachen dafür, dass die Mitgliedstaaten auf eine Anpassung des Pflichtenkatalogs drängen. Eine Einschränkung dieser Pflichten war das Ziel. Anscheinend war hierfür die Zeit noch nicht reif – eine Einigung darüber könnte aber bald erfolgen. Denn der Rat hat sich vorgenommen, bis Juni ein Gesamtpaket zu verabschieden und danach in Verhandlungen mit dem EU- Parlament zu treten. Ende 2015 soll es dann dort einer Einigung kommen. 

Informeller Rat für Wettbewerbsfähigkeit will digitalen Binnenmarkt

Die Datenschutzgrundverordnung ist eines der Eckpfeiler der digitalen Agenda, an der die EU- Kommission gerade arbeitet. Die Ausgestaltung der digitalen Europapolitik war deswegen auch der Hauptpunkt auf dem informellen Rat für Wettbewerbsfähigkeit am 26. und 27. März in Riga. Diskutiert wurde vor allem, wie innerhalb der Europäischen Union ein echter digitaler Binnenmarkt geschaffen werden kann. Der E-Commerce Sektor habe nach Ansicht der Minister ein rasantes Wachstum zu verzeichnen. Dennoch stünden viele Unternehmen im Online-Handel sowie bei der Bereitstellung von Online-Dienstleistungen vor Hindernisse, wenn sie Waren oder Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat anbieten möchten.

Ziel: Einheitliche Unternehmer- und Verbraucherrechte

Ein großes Hindernis stelle nach Ansicht der Arbeitsgruppe die in Europa immer noch unterschiedliche Regelung der Verbraucher- und Unternehmerrechte dar. Die rechtliche Ausgestaltung dieser Rechten und Pflichten in den einzelnen Mitgliedstaaten erschwere die europaweite Ausweitung unternehmerischer Tätigkeiten. Dagegen müsse entschieden vorgegangen werden.

Ein Schritt in diese Richtung könnte die von der EU-Kommission in Aussicht gestellte Überarbeitung des Europäischen Kaufrechts sein. Der ursprüngliche Kommissionsvorschlag, der im Rat auf erheblichen Widerstand stößt, soll zurückgenommen werden. Allerdings will die Kommission im Anschluss einen neuen auf den E-Commerce fokussierten Entwurf vorlegen. 

EU-Kommission soll Hindernisse im digitalen Binnenmarkt aufspüren

Der Wettbewerbsfähigkeitsrat bemängelte weiter, dass bei der Bereitstellung von Online-Diensten und dem grenzüberschreitenden Warenverkehr teilweise territoriale Einschränkungen bestünden. Auch hier müsste die Kommission entschiedener vorgehen und vor allem die durch Unternehmen oder der Industrie aufgestellten Beschränkungen abbauen. Nicht überraschend kam daher die Ankündigung der Wettbewerbskommissarin, Magrethe Vestager, in einer umfassenden Sektoruntersuchung die bestehenden Hindernisse im digitalen Binnenmarkt zu identifizieren. 

Ohne hochqualifiziertes Personal geht es nicht

Die Minister wiesen darauf hin, dass ein fairer und offener Zugang zur digitalen Welt gewährleistet werden müsse. Zudem sei die Bereitstellung digitaler Ausbildungsmodelle notwendig, um hochqualifiziertes Personal zu gewährleisten.

Die Bedeutung von Fachkräften wurde schon bei der letzten Sitzung des StrategieDialogs Multichannel des MITTELSTANDSVERBUNDES am 4. Februar diskutiert. Die Teilnehmer des Expertenforums waren sich einig, dass gerade im Online-Handel umfassendes Wissen zur Präsentation von Waren und zur Aufarbeitung der dazugehörigen Informationen entscheidend ist für den Erfolg von E-Commerce. Um das sicherzustellen, muss das Verkaufspersonal umfassend geschult werden. 

Probleme des kooperierenden Mittelstandes in Brüssel angekommen

Die Diskussionen im Ministerrat zeigen, dass die Probleme des kooperierenden Mittelstandes in Brüssel Gehör finden. Ob diese dann aber auch gelöst werden, bleibt abzuwarten. Die Kommission hat angekündigt, Einzelheiten zur Digitalen Agenda der EU am 6. Mai in Brüssel vorzustellen.

Weitere Informationen:

EU-Kommission plant Sektoruntersuchung zum E-Commerce
EU-Datenschutzgrundverordnung: Der ewige Papiertiger
Neue Konzepte: Dritte Sitzung des StrategieDialogs Multichannel

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