Digitaler Binnenmarkt: Europaparlament lässt Kommission nachsitzen

In seiner Stellungnahme zum Wettbewerbsbericht 2014 der EU-Kommission hat das Europaparlament eine Anpassung der bestehenden Regeln an das digitale Zeitalter gefordert. DER MITTELSTANDSVERBUND bekräftigt die Notwendigkeit einer verbundgruppenweiten Preisgestaltung.  

Brüssel, 28.01.2016 — Auch das EU-Parlament durchleuchtet die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft in allen Bereichen. In Reaktion auf den jährlichen Bericht über die Wettbewerbspolitik der EU-Kommission fordert das Europaparlament vor allen eines: Eine Anpassung der bestehenden Wettbewerbsregeln an das digitale Zeitalter. Was die Auswirkungen auf den kooperierenden Mittelstand sein werden, bleibt abzuwarten.

Jedes Jahr veröffentlicht die Kommission ein Resümee ihrer Wettbewerbspolitik – jedes Jahr wird dieser Bericht vom Europaparlament in einem eigenen Bericht kommentiert. Am 26. Januar wurde der Parlamentsbericht im Plenum mit einer großen Mehrheit angenommen. "Mit diesem Bericht geben wir der Kommission einen klaren Leitfaden an die Hand, wie wir uns die zukünftige Wettbewerbspolitik vorstellen. Nun liegt es an Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager unsere Forderungen umzusetze", so der Europaabgeordnete Werner Langen.

Kommissionsbericht

Doch zunächst noch einmal die Ausgangslage: Der EU-Wettbewerbsbericht 2014 befasste sich vor allem mit der großen Linie der neuen EU-Kommission. So sei es Aufgabe auch des EU-Wettbewerbsrechts, die Voraussetzungen einer Energieunion im europäischen Binnenmarkt zu schaffen. Im Bereich Finanzdienstleistungen seien durch neue Rechtsakte und einer stringenteren Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften die Voraussetzungen für einen reibungslosen Zahlungsverkehr und einem vereinfachten Zugang zu Finanzen geschaffen worden. Dies komme nicht zuletzt den kleinen und mittleren Unternehmen zu Gute, die jetzt einen besseren Zugang zu Finanzen hätten.

Weiteres Thema des Berichts: Die Bekämpfung von Steuervermeidung, die weiter vorangetrieben werden soll. Zur Digitalisierung der Wirtschaft heißt es in dem Kommissionsdokument, dass vor allem der Missbrauch marktbeherrschender Stellungen zukünftig unterbunden werden müsste – eine Feststellung, der nicht nur Kartellrechtsexperten zustimmen dürften.

Bericht des Europaparlaments

Das Europaparlament stimmt der Einschätzung der EU-Kommission in seiner Stellungnahme grundsätzlich zu. Allerdings müsse eine grundsätzliche Überarbeitung der bestehenden Wettbewerbsregeln erfolgen, um den Herausforderungen des digitalen Zeitalters zu begegnen. Bei der Rechtsdurchsetzung müsse die Kommission deswegen auch "weiche Faktoren" wie Innovationsfähigkeit, Investitionstätigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit stärker berücksichtigen - statt sich bei der EU-Wettbewerbspolitik schematisch an der Senkung der Verbraucherpreise zu orientieren.

Gerade die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen müssten bei der Erneuerung der EU-Wettbewerbsvorschriften stärker berücksichtigt werden.

Dieser Auffassung stimmt DER MITTELSTANDSVERBUND zu. "Eine allzu schematische und preisorientierte Wettbewerbspolitik führt derzeit zu einer Ungleichbehandlung von Kooperationen selbstständiger Einzelhändler gegenüber filialisierten Strukturen", erklärt der Leiter des Verbandsbüros in Brüssel, Tim Geier. Ökonomische Gesichtspunkte müssten stärker berücksichtigt werden. Zudem sei die Kommission aufgefordert, endlich gleiche Voraussetzungen für alle Marktteilnehmer zu schaffen. "Die Europaabgeordneten verstehen glücklicherweise, dass sich dieses Problem im Online-Handel noch verschärfen wird. Änderungen im bestehenden Wettbewerbsrecht sind daher dringend notwendig", so Geier.

Im Bericht fordern die Abgeordneten weiter, dass auch auf internationaler Ebene gleiche Wettbewerbsregeln herrschen müssen, um europäische Unternehmen konkurrenzfähig zu halten. Nimmt man beispielsweise die jüngsten Öffnungen im US-Wettbewerbsrecht vor dem Hintergrund der Bindung von Preisen in vertikalen Systemen, muss man klar feststellen: Hier haben US-Unternehmen einen Vorteil. "Nun mag dieser Vorteil im stationären Handel aufgrund der großen Entfernung noch relativ gering sein, im Online-Handel stehen sich jedoch alle Unternehmen direkt gegenüber. Auch hier muss die Kommission daher eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen mit Nachdruck verfolgen", so die Position des MITTELSTANDSVERBUNDES.

Schließlich würden die Europaparlamentarier richtigerweise fordern, dass unabhängige Einzelhändler auch im Online-Handel zusammenarbeiten können müssen - gerade im Hinblick auf gemeinsame Aktionen und Angebote. "Gerade im Online-Handel ist eine einheitliche Marken-Kommunikation inklusive einheitlicher Preise unbedingt notwendig, um schlüssig gegenüber dem Verbraucher aufzutreten und letztlich im Wettbewerb Bestand zu haben", stellt Geier klar.  "Insgesamt scheinen die Abgeordneten verstanden zu haben, dass es einer Änderung der bestehenden Regeln bedarf. Das an einigen Stellen noch erforderliche Fein-Tuning - insbesondere die Umsetzung der genannten Forderungen in den bestehenden EU-Rechtsrahmen - wird eine der zukünftigen Aufgaben des MITTELSTANDSVERUNDES sein", ergänzt er.

Seite drucken

Ansprechpartner

Tim GeierDER MITTELSTANDSVERBUND
Tim Geier Geschäftsführer Büro Brüssel Mehr Infos
DER MITTELSTANDSVERBUND
E-Mail schreiben
Zurück zur Übersicht