EU-Kommission plant Sektoruntersuchung zum E-Commerce

Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager will eine Sektoruntersuchung im europäischen E-Commerce durchführen. DER MITTELSTANDSVERBUND warnt vor einer übermäßigen Belastung des kooperierenden Mittelstandes.

Brüssel, 10.04.2015 — "Es ist höchste Zeit, die verbleibenden Hindernisse für den elektronischen Handel aus dem Weg zu räumen, denn dieser ist ein wichtiger Teil des digitalen Binnenmarkts", sagte die EU-Wettbewerbskommissarin am 26. März in Berlin. Für sie scheint die Marschrichtung der Untersuchung klar zu sein. Was die Brüsseler Wettbewerbshüter genau unter die Lupe nehmen wollen und wie sie dabei vorgehen wollen, erläuterte Vestager im Rahmen ihrer Präsentation.

Bestehende Schranken im Binnenmarkt

Nach Auffassung der Wettbewerbskommissarin ist der digitale Handel in den meisten europäischen Mitgliedstaaten bereits stark ausgeprägt. Im vergangenen Jahr hätte bereits rund die Hälfte aller Verbraucher online eingekauft. Der grenzüberschreitende Anteil der Online-Käufe sei dagegen viel geringer.

Sprachbarrieren und unterschiedliche Rechtsordnungen größte Hemmnisse

Warum ist das so? Vestager betonte, dass es auch Sprachbarrieren sind, die Verbraucher davon abhalten, im Internet bei einem Händler aus einem anderen EU-Land einzukaufen. Auch die unterschiedlichen Rechtsordnungen wirkten als Bremse für den E-Commerce in der EU. Denn sie würden Händler davon abhalten, ihre Waren auch in anderen Mitgliedstaaten anzubieten. Das gelte auch für Dienstleistungen, wie sie etwa der Online-Dienst Netflix oder nationale Fernsehprogramme anbieten.

Für die Wettbewerbshüterin besonders "interessant" sind natürlich Fälle, in denen Marktteilnehmer unerlaubt zum Nachteil Dritter zusammenwirken, um grenzüberschreitenden Online-Handel zu erschweren. Dies würde teilweise in vertikalen Wertschöpfungsketten geschehen, die - bezogen auf Waren - einen Vertrieb in einem oder mehreren Mitgliedstaaten vertraglich untersagen oder - bezogen auf Online-Dienste - das sogenannte Geo-Blocking einsetzen würden. In einem Mitgliedstaat erworbene Online-Dienste können dann nur in diesem Mitgliedstaat in Anspruch genommen werden. Das Ergebnis: Verbraucher können Angebote ausländischer Anbieter oder Dienstleister schwerer erwerben.

Umfassende Untersuchung geplant

Gegen diese Behinderungen im digitalen Binnenmarkt will die EU-Kommissarin vorgehen. Mit der geplanten Sektoruntersuchung will Brüssel in einem ersten Schritt genau aufzeigen, wo diese liegen. Die Ergebnisse werden in die künftige strategische Ausrichtung der Wettbewerbshüterin sowie in ihre sogenannte "Digitale Agenda" einfließen.

Für den MITTELSTANDSVERBUND bleiben viele Fragen offen

"Die angekündigte Sektoruntersuchung ist noch mit vielen Fragezeichen versehen", kommentiert der Leiter des MITTELSTANDSVERBUND-Büros in Brüssel, Tim Geier, die Pläne der EU-Kommission. Wie im deutschen Wettbewerbsrecht könne auch die EU-Kommission solche Untersuchungen durchführen, wenn sie den reibungslosen Ablauf spezieller Marktsegmente bezweifelt. "Auch die Ankündigung der Wettbewerbskommissarin, bestehende Wettbewerbsbeschränkungen aufzudecken und abzustellen, überrascht nicht - das ist schließlich eine der Hauptaufgaben dieser Generaldirektion", so Geier.

Was für den Europarechtsexperten allerdings ein Fragezeichen hinterlässt, ist die Ankündigung, auch rechtliche Hindernisse in den Fokus der Untersuchung nehmen zu wollen. "Dass die unterschiedlichen Rechtssysteme den grenzüberschreitenden Handel behindern, hat DER MITTELSTANDSVERBUND bereits mehrfach gegenüber der Kommission betont", sagt Geier. Zuletzt habe der Spitzenverband des kooperierenden Mittelstandes dies erst kürzlich in einem Gespräch mit dem Kabinett von Wettbewerbskommissarin Vestager betont.

In dem Gespräch mit Dr. Friedrich Wenzel-Bulst wies DER MITTELSTANDSVERBUND am 8. April in Brüssel zudem darauf hin, dass die Preisgestaltung im vertikalen Vertrieb geöffnet werden müsse. Er appellierte an die Kommission bei der Durchführung der Sektoruntersuchung darauf zu achten, dass die Kooperation als Erfolgsmodell mittelständischer Unternehmen nicht übermäßig belastet wird. Nach den jüngsten Erfahrungen mit der Sektoruntersuchung Lebensmitteleinzelhandel des Bundeskartellamtes sieht der Spitzenverband besonders das umfassende Auskunftsrecht der Wettbewerbsbehörde kritisch. Im Rahmen der nationalen Untersuchung mussten zur Beantwortung der Fragen des Kartellamtes teilweise Planstellen geschaffen werde. "Dieser Zustand darf sich auf keinen Fall wiederholen", warnt der EU-Experte Geier.

Noch ist nicht sicher, ob und in welcher Form die Sektoruntersuchung durchgeführt wird - die Vorbereitungen hierzu laufen bereits in der Generaldirektion Wettbewerb. Das Vorhaben muss jedoch aber die Zustimmung des Kommissionskollegiums finden. Die Entscheidung hierzu könnte bereits in einigen Wochen fallen. Die Wettbewerbskommissarin will dann Mitte nächsten Jahres einen Zwischenbericht vorlegen.

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