EU: Zwischenbericht zur Sektoruntersuchung E-Commerce

Ein rasantes Wachstum und mögliche Wettbewerbsbeeinträchtigungen: So lautet das erste Ergebnis der Sektoruntersuchung E-Commerce durch die Europäische Kommission.

Brüssel, 15.09.2016 – Wie läuft der elektronische Handel in der EU ab? Was behindert den grenzüberschreitenden elektronischen Handel? Diese Fragen stellte sich die Europäische Kommission im Rahmen ihrer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt. Um Antworten zu finden, führte die Kommission im vergangenen Jahr eine Sektoruntersuchung E-Commerce durch. Nun, knapp ein Jahr später, veröffentlicht sie erste Ergebnisse in einem Zwischenbericht.

Bis zu 80 Prozent der Bürger nutzen E-Commerce-Angebote

„Der elektronische Handel wird heute von den Verbrauchern stark genutzt und hat erhebliche Auswirkungen auf den geschäftlichen Erfolg von Unternehmen und ihre Geschäftsstrategien“, erklärte EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager bei der Vorstellung des Zwischenberichts am 15. September in Brüssel. Der Bericht bestätigt, dass der elektronische Handel an Bedeutung gewonnen hat.

So haben 2015 mehr als die Hälfte aller erwachsenen EU-Bürger Verbrauchsgüter oder Dienstleistungen im Internet bestellt, in einigen Mitgliedstaaten sogar mehr als 80 Prozent. Da E-Commerce eine wichtige Triebkraft für Preistransparenz und Preiswettbewerb ist, bietet er den Verbrauchern mehr Wahlmöglichkeiten und größere Chancen, das beste Angebot zu finden.

Die Transparenz hat auch Folgen für die Anbieter: Laut dem Untersuchungsbericht verfolgen mehr als die Hälfte der Einzelhändler die Preise der Konkurrenten und reagieren auch zumeist auf Preisänderungen der Konkurrenten.

Vestager: Unternehmen sollten Online-Strategien selbst bestimmen

Ein Verhalten, dass auch Vestager sieht. „Unternehmen sollten ihre Strategien für den Online-Handel selbst bestimmen können“, erklärt sie. Dennoch sei es weiterhin Aufgabe der Wettbewerbsbehörden, den Wettbewerb genauer unter die Lupe zu nehmen. „Denn wettbewerbswidrige Verhaltensweisen können die Vorteile des elektronischen Handels – größere Angebotsvielfalt und niedrigere Preise für die Verbraucher – teilweise zunichte machen“, so die Wettbewerbskommissarin.

Ein Urteil, zu dem auch der Zwischenbericht kommt. Dieser zeigt auch, dass bestimmte Geschäftspraktiken den Wettbewerb im Internet beschränken könnten. Unternehmen sollten nach Ansicht der Kommission deshalb die eigenen Vertriebsverträge überprüfen und erforderlichenfalls in Einklang mit den EU-Wettbewerbsvorschriften bringen.

Hersteller beschränken Verkauf

Dass Geschäftspraktiken den Wettbewerb einschränken, zeigt auch der Verkauf von Verbrauchsgütern im Internet. So sind selektive Vertriebssysteme, bei denen die Produkte ausschließlich von ausgewählten Vertragshändlern verkauft werden dürfen, weit verbreitet. Und auch die Hersteller selbst verkaufen ihre Produkte zunehmend selbst im Internet.

Hinzu kommt, dass die Hersteller auch immer häufiger vertragliche Verkaufsbeschränkungen in Vertriebsvereinbarungen vornehmen. So geht aus dem Zwischenbericht hervor, dass:

  • mehr als 40 Prozent der Einzelhändler einer Preisempfehlung oder einer Preisvorgabe des Herstellers unterliegen;
  • nahezu 20 Prozent der Einzelhändler einer vertraglichen Beschränkung in Bezug auf den Verkauf auf Online-Marktplätzen unterliegen;
  • nahezu 10 Prozent der Einzelhändler vertraglichen Beschränkungen, die Verkäufe über Preisvergleichs-Websites verbieten, unterliegen und
  • mehr als 10 Prozent der Einzelhändler gaben an, vertraglichen Beschränkungen in Bezug auf grenzüberschreitende Verkäufe zu unterliegen.

All diese vertraglichen Beschränkungen können grenzüberschreitende Einkäufe und Online-Einkäufe ganz allgemein erschweren und die Verbraucher daran hindern, eine größere Angebotsvielfalt und niedrigere Preise im elektronischen Handel zu nutzen.

Komplexe Lizenzvereinbarungen

Von zentraler Bedeutung für den Wettbewerb auf dem Markt für digitale Inhalte ist außerdem die Verfügbarkeit von Urheberrechtslizenzen. Im Bericht wird festgestellt, dass Lizenzvereinbarungen komplex sind und häufig in Form von Ausschließlichkeitsvereinbarungen geschlossen werden. Die Vereinbarungen sehen vor, welche Gebiete, Technologien und Verwertungsfenster Anbieter digitaler Inhalte nutzen können.

Im März 2016 veröffentlichte die Kommission ihre ersten Ergebnisse zum Geoblocking, das im elektronischen Handel in der EU besonders für digitale Inhalte weit verbreitet ist. Mehr als 60 Prozent der von Rechteinhabern übermittelten Lizenzvereinbarungen beschränken sich auf das Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats. Fast 60 Prozent der Anbieter digitaler Inhalte haben mit den Rechteinhabern Geoblocking vereinbart. Sind die Vereinbarungen zwischen Lieferanten und Vertriebsunternehmen geschlossen, kann sich das verheerend auf den Wettbewerb im Binnenmarkt auswirken.

Die Kommission spricht sogar von Verstößen gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften. Maßnahmen zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts in Bezug auf Geoblocking erfordern eine Prüfung im Einzelfall, bei der auch mögliche Rechtfertigungsgründe für Beschränkungen unter die Lupe genommen werden.

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