Gabriel: "Daten sind der 'Gold-Standard' der Digitalisierung"

Schwergewichte aus Politik und Wirtschaft definierten beim Nationalen IT-Gipfel am 18. September in Berlin Maßstäbe für den digitalen Wandel in Kreativwirtschaft, Handel und Mobilität.

Berlin, 18.09.2015 — Schon bei der Eröffnungsrede zum Nationalen IT-Gipfel, zu dem sein Ministerium Spitzenrepräsentanten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden geladen hatte, brachte es Bundeswirtschaftsminister Gabriel auf die Formel: "Wir sehen nicht aus wie Revolutionäre, und dennoch sind wir mitten in einer Revolution".

Sigmar Gabriel, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und EnergieDigitalisierung lasse sich nicht in die IT-Abteilung delegieren. "Unternehmen denken Klassischerweise vom Produkt her und bemerken oft nicht, wie sich Plattformen dazwischen schieben, auf denen zunehmend die Wertschöpfung stattfindet", analysierte er die Lage. Noch seien 50 Prozent der mittelständischen Unternehmen überzeugt, dass die Digitalisierung nicht zum Kerngeschäft gehört. Doch die auf eben jenen Plattformen gesammelten Daten seien längst der "Gold-Standard der Digitalisierung". Letztlich gehe es um die Datenhoheit und die Wertigkeit der Daten.

Sigmar Gabriel ermutigte die Unternehmer, Innovationen voranzutreiben und bekannte sich zur unternehmerischen Freiheit als als der besten Plattform dazu. Forschung und vor allem auch Bildung im IT-Bereich müsse deutlich verstärkt werden. Allerdings ließ er selbst den jüngeren Teilnehmern wenig Hoffnung auf das Erleben der Abschaffung des Bildungsföderalismus in Deutschland. Gabriel forderte auch die Souveränität des Menschen über seine Daten ein, die nur durch Einführung einer digitalen Ordnungspolitik und die Weiterentwicklung unseres Wirtschaftssystems zu einer digital-sozialen Marktwirtschaft zu erreichen sei. Gemeinsames Ziel von Politik und Wirtschaft müsse sein, in den nächsten zehn Jahren die beste digitale Infrastruktur der Welt zu haben.

Da die Digitalisierung nicht allein im nationalen Rahmen zu bestreiten ist, wurde mit Spannung der Beitrag von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz erwartet. Dieser zeichnete ein recht trübes Bild von dem aktuellen Zustand der EU in Anbetracht der massiven Uneinigkeit und fehlender Solidarität beim Umgang mit den Flüchtlingsströmen. "Viele Länder handeln nach eigenem Gusto und treffen Maßnahmen ausschließlich für das heimische Publikum". Gleichsam drakonische Worte fand er auch zum Thema Digitalisierung: "Wir stehen an der Schwelle zum Datenkapitalismus" wetterte er. Statt die europäischen Zusatzausgaben für Digitalisierung aus dem Junker-Fond zulasten des Agrar- oder Strukturetats zu nehmen, habe man gegen sein Votum die Ausgaben für Forschung und Entwicklung gekürzt.

"The trend is not our friend" befand der Vorstandsvorsitzende der REWE Group, Alain Caparros, bei der Entwicklung der Konsumgütermärkte im Zuge der Digitalisierung. Sie habe das Phänomen geschaffen, dass neue Player im Markt seien, die keine Gewinne erzielen wollen, sondern nur Marktanteile erobern möchten. Jeder Händler müsse heute das Omnichannel-Geschäft beherrschen, denn das größte Kaufhaus der Welt trage mittlerweile schließlich jeder in der Tasche. "Wir müssen die Brille des Kunden aufsetzen und sollten in der Lage sein, ihn zu führen und zu stoppen, wo wir möchten" so Caparros

Aus der Medienbranche beklagte der CEO von Hubert Burda Media, Dr. Paul-Bernhard Kallen, die längst nicht mehr zeitgemäßen Regelungen des Wettbewerbsrecht im Bereich der Werbung. Während Google in Deutschland rund 3 Mrd. Euro an Werbegeldern ungehindert vereinnahmt, werden bei einem mit einem Gesamtbudget von rund 2 Mrd. Euro auf Zeitungen und Zeitschriften entfallende Werbung dort beim Anzeigenverkauf schon abgemahnt, wenn sich zwei Titel zur gemeinschaftlichen Werbung zusammenschlössen. Eindringlich mahnte er "Europa verdient es in der Champions League zu spielen und die Heimat von Weltklasse-Industrien zu sein. Wir brauchen dieselben Spielregeln im Markt wie unsere Wettbewerber bevor es zu spät ist. Geschwindigkeit zählt!"

In das gleiche Horn stieß Audi-Chef Prof. Rupert Stadler. Erfolg gebe es nicht im Abonnement. Im Jahr 2020 sei 50 Prozent der Wertschöpfung eines Autos in dessen digitalen Bestandteilen und Prozessen. Sorge müsse bereiten, dass in den USA für Innovation weit mehr Wagniskapital in den Markt ströme, als in Deutschland und Europa. Bereits jetzt sei das Automobil von allen "Mobile Devices" das größte. Mit der autonomen Steuerung, die derzeit intensiv diskutiert wird, könnten bis zu 90 Prozent aller Unfälle vermieden werden. Trotz der weiteren intensiven Vernetzung, um beispielsweise Fahrzeuge automatisch ohne Fahrer in Parkhäusern ein- und auszuparken und mit Ampeln und anderen Automobilen über Straßenverhältnissen zu kommunizieren seien sich die drei Premiummarken in Deutschland einig, dass der Datenschutz für den einzelnen Besitzer stets höchste Priorität haben müsse. Von höchster Wichtigkeit sei es zudem, bei fortschreitender Digitalisierung auch die ethische Dimension im Auge zu behalten. Während der Mensch in kritischen Verkehrssituationen intuitiv entscheide, müsse jetzt in klaren Regeln festgelegt werden, wie viele und welche anderen Verkehrsteilnehmer im extremen Zweifelsfall nicht verschont werden können.

Der CEO von Sony Music Entertainment, Edgar Berger, befand Deutschland als sehr zögerlich beim digitalen Wandel. Während beispielsweise in Japan bereits 70 Prozent der installierten Leitungen Glasfaser sind und in Schweden 40 Prozent, krebst Deutschland gerade bei 1,1 Prozent. Auch halte man sich zu lange bei grundsätzlichen Bedenken auf.

Deutlich wurde insgesamt Eines: Um den internationalen Wettbewerb zu bestehen, sind Wirtschaft und Politik massiv gefordert, digitale Plattformen systematisch aufzubauen und weiterzuentwickeln gerade mit dem Ziel, deren Wertschöpfung durch die dort gesammelten und verwalteten Daten in Deutschland und Europa zu halten.

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