Hollmann: Sektoruntersuchung überzeugt in weiten Teilen nicht

Das Bundeskartellamt hat am 24. September den Bericht zur Sektoruntersuchung Lebensmitteleinzelhandel vorgelegt. Im Kern geht es um die Frage: Wie groß ist die Nachfragemacht des Handels? MITTELSTANDSVERBUND-Präsident Wilfried Hollmann bewertet die Ergebnisse kritisch.

Berlin, 02.10.2014 — Der Bericht der Bonner Wettbewerbshüter hat für Diskussionen gesorgt. Denn das Bundeskartellamt macht deutlich, dass es seine strenge Linie in der Fallpraxis weiterführen wird.

MITTELSTANDSVERBUND-Präsident Wilfried HollmannDer Präsident des MITTELSTANDSVERBUNDES, Wilfried Hollmann, kritisiert die Untersuchung:

"Das Bundeskartellamt hat die 'Sektoruntersuchung Lebensmitteleinzelhandel' vorgelegt. Neben einer Kurzzusammenfassung einer Zusammenfassung von nahezu 30 Seiten gibt es eine detaillierte Sektoruntersuchung von 400 Seiten, die es gilt, intensiv zu analysieren. Die plakativen Aussagen des Bundeskartellamtes in der Presse überzeichnen stark. Es gibt keine übermächtigen vier großen Lebensmittelanbieter, sondern ein wesentlich differenzierteres Marktbild im Europäischen Binnenmarkt.

Der Bericht basiert auf einer über drei Jahre durchgeführten empirischen Untersuchung. Empirische Untersuchungen sind aber nur dann aussagekräftig, wenn sie richtig angelegt sind. Insofern muss sich das Kartellamt fragen lassen, ob es mit der stichprobenhaften Untersuchung von sieben Produktgruppen, insbesondere aber auch mit der Befragung der Marktgegenseite, zu den richtigen Ergebnissen kommen konnte.

Viele Aussagen erscheinen von dem vermuteten Ergebnis her überprüft worden zu sein, insofern überrascht die Konzentration der Argumentation auf die vier großen 'Lebensmittelketten'. Schon die Formulierung 'Lebensmittelketten' ist irreführend. Zwei dieser Ketten sind genossenschaftliche Gruppen.

Die Stärke des in Verbundgruppen organisierten mittelständischen Handels - darin besteht in der Praxis, Politik und Forschung Einigkeit - liegt in der Kenntnis des Händlers von seinem regionalen Markt, den Bedürfnissen seiner Kunden und der Reaktion hierauf durch die Sortimentsgestaltung neben wichtigen Serviceleistungen. Bereits aus dieser kurzen Darstellung folgt, dass ein selbständiges EDEKA- und REWE-Mitglied mit einem gleichförmigen Verhalten eines Filialsystems nicht gleichgesetzt werden kann.

Schon die Basis des Einkaufs und der Vermarktung ist extrem heterogen. Dies lässt sich leicht an der Zahl der Artikel in einem normalen Supermarkt und der Zahl der Artikel, die EDEKA und REWE jederzeit lieferfähig vorhalten, erkennen. So kann trotz eines großen Umsatzpotenzials und einer Vielzahl von Verkaufsstellen bei Verbundgruppen keine homogene, auf wenige Lieferanten konzentrierte Einkaufsmacht entstehen.

Die Einkauf und Vermarktungsentscheidungen sind im Bereich der Selbständigen dezentral geprägt. In der Sektoruntersuchung finden sich kaum Aussagen zu dieser inneren Struktur der genossenschaftlichen Gruppen.

Auch die Beurteilung der sogenannten 'neuen Kooperationen', das heißt die Zusammenarbeit der Ketten mit noch nicht gebundenen Filialisten bzw. Großhandelsunternehmen, ist mehr auf Vermutungen und Unterstellungen gestützt, denn auf nachprüfbare Fakten. Aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES ist dies besonders problematisch, da hier die Gefahr besteht, derartige Kooperationsformen mit den klassischen Kooperationen selbständiger Händler und Handwerker zu verwechseln.

Immerhin bleibt die Sektoruntersuchung eine Quelle vielfältiger Informationen über den Lebensmittelsektor, wobei - wie immer bei dem Genuss dieser Lektüre - auf Risiken und Nebenwirklungen zu achten ist.“ 

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