OECD fordert mehr Mut zur Digitalisierung

Die Potentiale der Digitalisierung bleiben überwiegend ungenutzt. Zu diesem Schluss kommt die neue Studie "Ausblick digitale Wirtschaft" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Gerade Mittelständler haben noch Probleme, sich auf den digitalen Märkten zu positionieren.

Brüssel, 28.08.2015 — Das Bankwesen, Einzelhandel, Verkehr, Energie und Bildung haben eines gemein: In allen Sektoren ist die Verwendung digitaler Technologien bereits fest verankert. Viele der 34 OECD-Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, haben Maßnahmen auf den Weg gebracht, um Wachstum und Innovationen zu fördern. Eine einheitliche Strategie ist aber nur bedingt erkennbar. In der neuen Studie "Ausblick Digitale Wirtschaft" fordert die OECD eine einheitliche Strategie der Mitgliedstaaten, um Wirtschaft und Politik auf die Entwicklung neuer Technologien besser vorzubereiten. Das Dokument bereitet auch auf die für 2016 angesetzte OECD-Ministerkonferenz zum Thema "Digitalisierung" vor.

Die OECD ist - anders als die EU - eine Plattform, auf der sich die Mitgliedstaaten auf politischer Ebene austauschen, ohne verbindliche Ziele und Mechanismen zur Durchsetzung zu vereinbaren. Dennoch gilt sie als wichtiger Impulsgeber – nicht zuletzt für die Europäische Union und deren Mitgliedstaaten. Im Bereich der internationalen wirtschaftlichen Entwicklung kann die OECD auf detaillierte Daten und Indikatoren ihrer Mitglieder zurückgreifen, die sich aus Staaten dies- und jenseits des Atlantiks zusammensetzen.

Grenzenloser Waren- und Dienstleistungshandel

Alle Bereiche des Wirtschaftslebens erleben derzeit eine Verschmelzung einzelner Vertriebs- und Kommunikationswege. Experten sprechen gerne von einem disruptiven Markt. Kanäle verschmelzen miteinander und den Unternehmen steht die Möglichkeit offen, ihre Waren und Dienstleistungen nahezu grenzenlos auf der ganzen Welt anzubieten. Die Entwicklung der Mobilfunktechnologie trägt maßgeblich dazu bei. So hat sich der Anteil der Verbraucher, die für ihren Einkauf ein Mobilgerät benutzen, in den letzten Jahren erheblich gesteigert.

Mittelstand weiterhin zögerlich

Dennoch sieht die OECD großes Potential in den digitalen Märkten. Laut der Studie trägt der Online-Handel nach wie vor nur 16 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Rund 90 Prozent dieses Anteils mache dabei der B2B-Bereich aus. Mittelständische Unternehmen haben hier noch Nachholbedarf. So würden sich nur knapp 19 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen am Online-Handel beteiligen. Das sei, verglichen mit dem Anteil größerer Unternehmen von 40 Prozent, ein relativ kleiner Anteil. Die Diskrepanz zwischen Mittelstand und größeren Unternehmen lasse sich auch in andere Bereiche der Digitalen Wirtschaft übertragen. So werden digitale Technologien in den Bereichen Warenwirtschaft, Cloud Computing und elektronische Bestellung und –Bearbeitung von mittelständischen Unternehmen vergleichsweise selten genutzt.

Auch der Internetauftritt ist für viele Mittelständler nach wie vor ein Knackpunkt. Zwar werden die Vorteile eines eigenen Internetangebots immer häufiger genutzt. Wegen der hohen Anfangskosten erreichen die Unternehmen aber in vielen Fällen nicht die angestrebten Ziele, so das Ergebnis der Studie.

Auf bestehende größere Online-Plattformen und Marktplätze zurückzugreifen, werde eher skeptisch bewertet. Zwar könnten Kooperationen mit größeren Strukturen einen Markteintritt erleichtern. Mit der bereits bestehenden Marktmacht solcher Plattformen käme diesen jedoch auch eine "Nadelöhrfunktion" zu. Laut Studie seien Wettbewerbsverzerrungen im Online-Handel dann nicht auszuschließen. Zum selben Ergebnis kam auch die High Level Group on Retail Competitiveness, in der auch Günther Althaus, ANWR-Vorstandsvorsitzender und Präsidiumsmitglied des MITTELSTANDSVERBUNDES, Mitglied war. Sowohl OECD als auch High Level Group fordern ein besonderes Augenmerk der zuständigen Behörden auf die weiteren Entwicklungen dieses Marktsegments.

Aus- und Weiterbildung verstärkt miteinander verzahnen

Als einer der Grundvoraussetzungen, die neuen Technologien gewinnbringend einzusetzen, sieht die OECD die Aus- und Weiterbildung des eigenen Personals im Bereich "Digitales". Nur geschultes Personal sei in der Lage, die bestehenden technischen Möglichkeiten auch in erfolgsbringende Konzepte umzusetzen. Dafür seien auch die Mitgliedstaaten gefragt. Schulische, universitäre und betriebliche Aus- und Weiterbildungen müssten in einem größeren Umfang als bislang miteinander verknüpft werden.

Einige Mitgliedstaaten arbeiten derzeit an entsprechenden Konzepten. Gerade die EU müsse hier mit einer gezielten Förderung über den Europäischen Sozialfonds stärker auf den Plan treten. Mit den so gewonnenen Synergien könnte vor allem das E-Learning, also dem dezentralen Bereitstellen von Lerninhalten für eine Vielzahl von Adressaten, gefördert werden. Auch die Akademie der Verbundgruppen setzt derzeit verstärkt auf diese Variante der Weiterbildung.

Förderung der Mitgliedstaaten unabdingbar für den digitalen Erfolg

Auch die Bestrebungen aller Mitgliedstaaten, den Breitbandausbau voranzutreiben, müssen nach Ansicht der OECD verstärkt werden. Flächendeckende Netze seien Voraussetzung dafür, dass die Digitalisierung auch in allen Regionen ankommt. Dazu zähle auch, den Wettbewerb der Netzbetreiber durch die Mitgliedstaaten weiter anzukurbeln. Das sei notwendig, um Innovationen zu fördern und kostengünstige Angebote bereitzustellen.

Weiteres Potential sieht die internationale Organisation in der Förderung von lokalen Inhalten. Portale wie Airbnb oder UBER würden zeigen, dass ein großer Markt für die Verknüpfung individueller, aber gebündelter Leistungen besteht. Auch hier sind die Mitgliedstaaten als Förderer gefragt.

Unabdingbar seien gleiche regulatorische Voraussetzungen in allen Staaten, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Die OECD spricht hier die stark divergierenden Regeln im Bereich der Datensicherheit und Anforderungen an die internen Datensicherheitsstandards an.

MITTELSTANDSVERBUND beteiligt sich an neuen Konzepten

Die Forderungen der OECD zeigen, dass die Diskussion über die Digitalisierung der Märkte nicht rein national, nicht einmal rein europäisch geführt werden darf. DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt die Ergebnisse der Studie. "Wer seine Waren und Dienstleistungen online anbietet, spricht damit die gesamte Welt an. Die von der OECD angestellten Überlegungen gehen deshalb genau in die richtige Richtung", erklärt Tm Geier, Leiter des MITTELSTANDSVERBUND-Büros in Brüssel.

Der Spitzenverband des kooperierenden Mittelstandes diskutiert gerade auf nationaler Ebene in der Dialogplattform Einzelhandel des Bundeswirtschaftsministeriums, wie die Potentiale der Digitalisierung voll ausgeschöpft werden können. Außerdem arbeiten die Verbundgruppen im regelmäßig stattfindenden StrategieDialog Multichannel konstant an neuen Konzepten, um das "digitale Neuland" für sich nutzbar zu machen. Offen bleibt die Frage, welchen Weg die Mitgliedstaaten einschlagen werden, um den weltweiten Trend zu unterstützen.

Weitere Informationen:

Download: OECD-Studie "Ausblick Digitale Wirtschaft" (PDF in englischer Sprache)
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