Online-Handel: EU-Kommission schlägt neue Richtlinien vor

Die EU-Kommission hat am 9. Dezember ein neues Vertragsrecht für den Onlinehandel vorgeschlagen, welches den Verbraucherschutz erhöhen soll. Es geht dabei auf der einen Seite um die Bereitstellung digitaler Inhalte und andererseits um den Online-Handel mit Waren. Der "große Wurf" ist es nicht.

Brüssel, 17.12.2015 — In vielen Gesprächen mit den beteiligten Kommissionsdienststellen klang es bereits durch – die Novellierung des EU-Verbraucherrechts wird nicht der "große Wurf" werden. Leider bestätigt dies der nunmehr vorgestellte Vorschlag der EU-Kommission. Statt der notwendigen weiteren Vereinheitlichung von für den Handel wichtigen Kaufvertragsregeln, stellte die Kommission ein "Sonderrecht" für den Online-Handel vor. Eine weitere Zersplitterung von Teilbereichen des Zivilrechts könnte die Folge sein.

Bereits in ihrer digitalen Agenda aus Mai 2015 hatte die Kommission angekündigt, das EU-Verbraucherrecht weiter vereinheitlichen zu wollen. Dies sollte auf den Online-Handel beschränkt werden. DER MITTELSTANDSVERBUND hatte frühzeitig in vielen Einzelgesprächen mit der Europäischen Kommission dargestellt, dass Sonderregeln allein für den Online-Handel in Zeiten der aufkommenden Verschränkung der Welten "Online" und "Offline" nicht sinnvoll sind. Warum sollte ein Kauf unterschiedlichen Regeln unterliegen, je nachdem, ob dieser online oder in einem Ladengeschäft abgeschlossen wurde?

Am 9. Dezember stellte die Kommission dann ihren Vorschlag für eine Richtlinie für bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren vor. Mit diesem strebt die Kommission eine Vereinheitlichung des Verbrauchgüterkaufs im Fernabsatz an. Bereits diese Beschränkung auf den B2C-Bereich ist aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES kritisch. Eine künstliche Trennung zwischen Unternehmer- und Verbraucherverträgen werde das Leben der Händler weiter verkomplizieren. "Positiv zu bewerten ist hingegen die fehlende Unterscheidung zwischen Inlandsgeschäften und grenzüberschreitendem Handel", so Tim Geier, Leiter des MITTELSTANDSVERBUND-Büros in Brüssel.

Inhaltlich soll der Vorschlag die Gewährleistungsrechte weiter vereinheitlichen. Glücklicherweise orientiert sich die Kommission dabei an dem bestehenden deutschen Regeln:

  • Das Recht zur Geltendmachung der Gewährleistungsrechte soll bei Vorliegen eines Mangels bestehen. Wie im deutschen Zivilrecht bestimmt sich der Mangel dabei nach dem Unterschied zwischen Ist- und Sollzustand einer verkauften Sache. Natürlich wird auch hier darauf zu achten sein, inwiefern Rat und das Europaparlament diesen Entwurf weiter verändern werden. Abzulehnen ist jedenfalls eine stärkere Betrachtung der Verbrauchererwartungen. Die Erwartungen der anderen Vertragspartei sollten nur dann in die Betrachtung der Ordnungsgemäßheit einer Ware einbezogen werden, wenn diese Grundlage des Vertragsschlusses waren.
  • Wie im deutschen Recht soll der Vorrang der Nacherfüllung bestehen. Der Händler soll danach das Recht haben, die mangelhafte Sache zu reparieren oder gegen eine neue auszutauschen. Erst danach sollen andere Gewährleistungsrechte geltend gemacht werden können.
  • Nach Ablauf einer gesetzten Frist zur Nacherfüllung soll der Verbraucher entweder den Kaufpreis mindern, oder vom Vertrag zurücktreten können.
  • Bemerkenswerterweise ist die Möglichkeit des Schadensersatzes nicht im Vorschlag vorgesehen. Dies ist aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES unverständlich. Bei grenzüberschreitenden Geschäften kennt der Händler im Zweifel nicht die Voraussetzungen, unter denen ein ausländischer Verbraucher Schadensersatz geltend machen kann. Diese Rechtsunsicherheit könnte ihn davon abhalten, seine Waren auch grenzüberschreitend anzubieten.
  • Die Gewährleistungsfrist soll wie im deutschen Recht zwei Jahre laufen.
  • Gleiches soll jedoch auch für die Beweislastumkehr gelten. In Deutschland besteht die gesetzliche Vermutung, dass der Mangel, sollte er sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang zeigen, bereits bei Vertragsschluss vorlag. In diesem Zeitraum muss also der Händler nachweisen, dass der Mangel durch den Verbraucher verursacht wurde. Nach dem neuen Vorschlag soll diese gesetzliche Vermutung von sechs Monaten auf zwei Jahre ausgeweitet werden. Durch dieses "scharfe Schwert", welches dem Verbraucher bereitgestellt werden soll, könnten viele Händler von einem Online-Angebot absehen. Zudem ist es absolut unverständlich, warum bei einem Kauf im Geschäft eine andere Frist läuft, als bei einem Online-Verkauf. Hier fordert DER MITTELSTANDSVERBUND einen Gleichlauf der Fristen bei Online UND Offline-Geschäften.
  • Wird ein Verkäufer von einem Verbraucher in Anspruch genommen, so soll ihm das Recht zustehen, Regress bei seinem Lieferanten zu nehmen. Dieser Anspruch ist auch im deutschen Recht geregelt und ist Ausdruck der Stufenverantwortlichkeit in der Lieferkette. DER MITTELSTANDSVERBUND hatte die Kommission mehrmals darauf hingewiesen, dass zumindest ein solches Recht auf Regress auf EU-Ebene geregelt werden sollte. Leider sieht der Richtlinienentwurf vor, dass die Mitgliedstaaten die genauen Voraussetzungen für die Geltendmachung eines solchen Regresses regeln sollen. Zum einem besteht damit die Gefahr einer unterschiedlichen Regelung in den Mitgliedstaaten. Zum anderen zeigt die derzeit in Deutschland laufende Diskussion über die Reform des BGB, dass ein solcher Anspruch nutzlos ist, so lange er vertraglich ausgeschlossen werden kann. Auch hier sieht DER MITTELSTANDSVERBUND daher Nachbesserungsbedarf.
"Insgesamt zeigt sich, dass die Kommission von ihren eigenen Ambitionen getrieben wird“, bewertet der Europaexperte Geier den Vorschlag. Statt eines umfassenden Plans zur Vereinheitlichung des gesamten Zivilrechts, setze die Kommission auf die Schaffung neuer Bereichsregeln. Der jetzige Vorschlag werde sicherlich schneller zu realisieren sein, als eine Vollharmonisierung. "Ob dies den gewünschten positiven Effekt für den Handel mit sich bringt, bleibt hingegen fraglich. DER MITTELSTANDSVERBUND wird daher in der Diskussion mit dem Rat der EU und dem Europaparlament erneut auf die Notwendigkeit einheitlicher Regelungen hinweisen, um weitere Kosten und Rechtsunsicherheit für den kooperierenden Mittelstand zu vermeiden", so Geier.

Seite drucken

Ansprechpartner

Tim GeierDER MITTELSTANDSVERBUND
Tim Geier Geschäftsführer Büro Brüssel Mehr Infos
DER MITTELSTANDSVERBUND
E-Mail schreiben
Zurück zur Übersicht