Wirtschaft fordert neue Breitbandausbau-Strategie

Europa braucht gigabitfähige Netze bis zum Kunden, um die Migration zur Gigabit-Gesellschaft zu realisieren. In einem Schreiben an die EU-Kommission fordern DER MITTELSTANDSVERBUND und andere Verbände deshalb mehr Mut der Politik.

Brüssel, 12.07.2016 - Die Weichen heute so zu stellen, dass Deutschland und Europa nicht nur wettbewerbsfähig bleiben, sondern auf dem Weg in die Gigabit-Gesellschaft eine Vorreiterrolle einnehmen, wird schon lange in Brüssel diskutiert. Das Thema findet auch in der EU-Kommission Beachtung. In einem internen Abstimmungsgespräch am 12. Juli beraten die zuständigen Kommissare über die digitale Zukunft Europas. DER MITTELSTANDSVERBUND und andere Wirtschaftsverbände forderten im Vorfeld in einem Schreiben an den EU-Kommissar für die digitale Wirtschaft, Günther Oettinger, den dringend benötigten Ausbau von Gigabit-Netzen möglichst schnell und flächendeckend voranzutreiben.

Digitalisierung des Handels braucht Infrastruktur

In dem gemeinsamen Brief weisen die Verbände darauf hin, dass der langfristige Nutzen von gigabitfähigen Netzen sowohl Richtschnur für nationale Politik und Regulierung sein muss, aber eben auch für die Kommission selbst. Denn gerade zentrale, flächendeckende Anwendungen wie autonomes Fahren und die Digitalisierung des Handels, aber auch Bildung und medizinische Versorgung der Zukunft oder die Agrarwirtschaft 4.0 brauchen einen möglichst zügigen Ausbau sowohl im Festnetz wie im Mobilfunk. Auch für die Versorgung mit 5G wird eine weitgehend flächendeckende Glasfaserinfrastruktur benötigt, so die Verbände. Diese wird entscheidend sein für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas.

Eine zu starke Fixierung auf einen Planungszeitraum nur bis zum Jahr 2018 und eine Versorgung mit 50 Mbit/s kann für den weiteren Ausbau gigabitfähiger Netze zu erheblichen Mehrkosten und noch viel nachteiliger wirkenden Verzögerungen beim Ausbau führen. Kurzfristige Zwischenziele sollen dabei keinesfalls in Frage gestellt werden, müssen aber bei Bedarf langfristigen Zielen angepasst und in eine tragfähige Gesamtstrategie eingebunden werden.

Deutschland und Europa brauchen langfristige Ziele

Die Investoren, die deutsche Wirtschaft und die Gesellschaft brauchen Perspektiven und nachvollziehbare Strategien, wie in Stadt und Land gleichermaßen Lebens- und Arbeitsbedingungen geschaffen werden können, die eine digitale Spaltung verhindern und Arbeitsplätze nicht nur in den Ballungs- und Gewerbegebieten zukunftssicher machen.

"Der aktuelle Breitbandausbau in Deutschland entwickelt sich zum Fahren mit angezogener Handbremse" Tim Geier, Leiter des MITTELSTANDSVERBUND-Büros in Brüssel

Denn politische Handlungsziele, die lediglich bis zum Jahr 2018 reichen, seien schließlich kein ausreichender Planungshorizont, warnen die Wirtschaftsverbände. Die aktuelle Perspektive der EU reicht bis 2020 und wird mit der nun anlaufenden Diskussion zum EU-Review strategisch weit in das nächste Jahrzehnt verlagert.

Mehr Mut zur Digitalen Strategie 2025

Auch kritisieren die Verbände den Umgang der Bundesregierung mit der geplanten digitalen Strategie 2025. Die von der Wirtschaft ausdrücklich begrüßte Digitale Strategie 2025 des Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel beinhalte zwar nicht nur eine klare Bedarfsanalyse bis zum Jahr 2025. Aus ihr lassen sich auch sinnvolle Zwischenziele ableiten, die den Ausbau von Gigabit-Netzen als Grundlage der Digitalisierung bis 2025 beschleunigen anstatt ihn auszubremsen. Deshalb bedauern die Verbände sehr, dass der Vorschlag keinen ausreichenden Niederschlag in den Ergebnissen der Regierungskoalition in Meseberg gefunden haben.

Die Aussagen zu Zielen und konkreten Schritten jenseits 2018 bleiben deshalb zu vage. Ohne ausreichende Perspektive kann aber nicht entschieden werden, ob bestimmte Maßnahmen, wie z. B. Fördermittelvergaben nachhaltige Glasfaser-Ziele unterstützen oder zumindest hierauf ausgerichtete sinnvolle Zwischenschritte fördern. Nationale Ausbaustrategien, Förderung und Regulierung müssen auch gerade hinsichtlich der ggf. erforderlichen Zwischenschritte so konzipiert werden, dass hierdurch der zügig erforderliche Ausbau von Gigabit-Netzen nicht Gefahr läuft, ausgebremst oder verzögert zu werden.

Deutschlands Breitbandausbau gerät ins Stocken

„Die digitale Wirtschaft und zunehmend auch der kooperierende Handel profitieren von der Vernetzung der physischen und virtuellen Welt. Umso bedauerlicher ist es, dass sich der aktuelle Breitbandausbau in Deutschland allmählich zum Fahren mit angezogener Handbremse entwickelt“, erklärt Tim Geier, der das MITTELSTANDSVERBUND-Büro in Brüssel leitet. Es sei deshalb wichtig und notwendig, dass sich die Verbände gemeinschaftlich an die Kommission gewandt haben, um Europa weiterhin zukunftsfähig zu halten.

Vor allem die nächsten Schritte der Kommission werden entscheidend für die Förderung des digitalen Binnenmarktes sein. Dieser ist mehr denn je von zentraler Bedeutung für Europas Wettbewerbsfähigkeit. Der Binnenmarkt muss sich aber auch über Qualität und einen klaren Zeithorizont definieren, damit die Wirtschaft gemeinsam mit der Politik die Herausforderungen der Digitalisierung meistern und sie zur Sicherung der wirtschaftlichen Leistungskraft in Europa nutzen können.

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