Der Geoblocking-SEPA-Komplex: Eine verordnungsimmanente Schranke?

Die Geoblocking-Verordnung und die SEPA-Verordnung - zwei EU Regelwerke, welche die Diskriminierung im Digitalen Binnenmarkt verhindern sollen. Doch nun ist die Parallelität der beiden Verordnungen ein Fall für den EuGH. Widersprechen sich die Verordnungen an einer brisanten Stelle?

Köln, 14.05.2019 – Am 28. Februar 2018 wurde die Verordnung (EU) 2018/302, die sogenannte Geoblocking-Verordnung, verabschiedet, die seit dem 03. Dezember 2018 angewendet werden muss. DER MITTELSTANDSVERBUND ZGV e.V. hat darüber berichtet.

Die Geoblocking-Verordnung hat zum Ziel, ungerechtfertigte Diskriminierung bei Online-Käufen auf der Grundlage der Staatsangehörigkeit, der Wohnortes oder des Ortes der Niederlassung innerhalb des Binnenmarktes zu unterbinden.

Der Geoblocking-SEPA-Komplex: Eine verordnungsimmanente Schranke?Die Geoblocking-Verordnung verbietet daher explizit bestimmte Handlungsweisen, durch die ein Händler Kunden aus verschiedenen Mitgliedsstaaten unterschiedlich behandelt. So ist es Online-Händlern nach der Verordnung untersagt, hinsichtlich der angebotenen Zahlungsarten nach Wohnort beziehungsweise Ort der Niederlassung des Kunden zu differenzieren. Demnach wäre es nicht erlaubt, dass ein deutsches Unternehmen die Zahlungsart SEPA-Lastschrift nur Kunden mit Wohnsitz in Deutschland anbietet, Kunden aus anderen Mitgliedsstaaten hingegen auf andere Zahlungsarten verweist.

Hiervon statuiert Artikel 5 der Verordnung jedoch Ausnahmen. Denn nach Artikel 5 Abs. 1 lit. b der Verordnung ist eine Voraussetzung des Diskriminierungsverbotes, dass die Authentifizierungsanforderungen gemäß der Richtlinie (EU) 2015/2366 erfüllt sind. Dementsprechend muss es dem Händler möglich sein, Bonitätsinformationen über die Käufer in einem bestimmten Mitgliedsstaat zu erhalten. Besteht diese Möglichkeit nicht, kann er Käufer dieses Landes von der Zahlungsmöglichkeit der SEPA Lastschrift ausschließen. 

Einige Jahre zuvor, nämlich am 31. März 2012 war bereits die SEPA-Verordnung (EU 260/2012) in Kraft getreten, welche für eine einheitliche Single Euro Payments Area sorgen soll, also einen einheitlichen europäischen Binnenmarkt. Dies bedeutet, dass Unternehmen den Lastschrifteinzug von jedem Konto in Europa akzeptieren müssen. Andernfalls läge eine IBAN Diskriminierung vor, die im SEPA-Raum unzulässig ist – dies auch dann, wenn sie an den Wohnort des Kunden anknüpft.

Genau an dieser Stellte möchte der österreichische Verein für Konsumenteninformation einen Verstoß gegen das Vorgehen der Deutschen Bahn sehen. Denn diese bietet die Buchung von Bahnfahrten mit der Zahlungsmethode der SEPA-Lastschrift nur für Kunden mit Wohnsitz in Deutschland an. Dies, so der österreichische Verein, verstoße klar gegen die SEPA-Verordnung.

Die Deutsche Bahn wertet ihr Vorgehen als rechtmäßig im Lichte der Geoblocking-Verordnung. Denn eine Bonitätsprüfung für Kunden mit Wohnsitz in Österreich sei um das 15-fache teurer als für Kunden mit Wohnsitz in Deutschland.

Sofern der Ansicht des österreichischen Vereins für Konsumenteninformation zu folgen ist, hätte das erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Online Handel. Denn faktisch hebelt die Geoblocking die Vertragsfreiheit aus. Wer mit einem Kunden aus einem bestimmten Mitgliedsstaat keine Geschäfte machen möchte, muss nachweisen, dass dies nicht mit seinem Wohnsitz zu tun hat. Gelingt dies nicht, muss er den Kaufvertrag abschließen. In Kombination damit, dass die Geoblocking-Verordnung zwar insoweit streng angewendet werden müsste, die Ausnahmen hinsichtlich der SEPA-Lastschrift aufgrund der SEPA-Verordnung hingegen nicht zu Anwendung kämen, wären Online-Händler also in der Pflicht, jedem Kunden in der EU die Möglichkeit des Warenverkaufs mit der Zahlungsart der SEPA-Lastschrift anzubieten.

Konten können ungedeckt sein und Lastschriften können ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. In der Folge wäre dem Eingehungsbetrug Tor und Tür geöffnet. Denn widerruft der Kunde die Lastschrift, hat die Ware aber schon erhalten, verbleibt dem Online Händler lediglich eine unerfüllte Forderung. Und die ist – bekanntermaßen – eben nicht in jedem Mitgliedsstaat problemlos durchzusetzen.

Nachdem der Verein für Konsumenteninformation geklagt hat, wird sich nun der EuGH mit beiden Rechtsauffassungen befassen.

Eine Entscheidung scheint in beide Richtungen möglich. Zum einen könnte argumentiert werden, dass die SEPA-Verordnung lex specialis ist, welche der Geoblocking-Verordnung vorgehe. Dem könnte gegenüberstehen, dass die Geoblocking-Verordnung sehr viel später in Kraft getreten ist und der Gesetzgeber nunmehr rechtspolitisch orientiert agiert und der immer präsenteren Cyber-Kriminalität begegnen möchte.

Beide Ansätze wären nicht von der Hand zu weisen. DER MITTELSTANDSVERBUND wird die Entwicklung verfolgen und Sie dazu auf dem Laufenden halten. 

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