Digital Markets Act – Europäisches Parlament bringt sich in Stellung

Das neue Plattform-Gesetz der Europäischen Kommission wird in den nächsten Tagen eine wichtige Hürde nehmen: Die Europaabgeordneten des Binnenmarktausschusses berieten am 27. Oktober über die Kompromissvorschläge zu dem Gesetzesvorhaben. Wichtige Hürden gerade von Mittelständlern im Geschäft auf großen Plattformen könnten bald genommen werden – vorausgesetzt, der Rat der EU spielt mit.

Brüssel/Berlin, 28.10.2021 – "Das Verfahren gegen Amazon zeigt erneut die Notwendigkeit, den EU-Wettbewerbsrahmen endlich mit klaren Ex-ante-Regeln zu vervollständigen, um sicherzustellen, dass große Plattformen im digitalen Markt ihre Macht nicht missbrauchen, sondern sich im Sinne der sozialen Marktwirtschaft fair verhalten und um das irreversible "Kippen" der Märkte zu verhindern", erklärte der binnenmarktpolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Andreas Schwab (CDU) bereits im letzten Jahr gegenüber den Einlassungen der Europäischen Kommission. Diese Reaktion folgte auf die Ankündigung der Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, eine formelle kartellrechtliche Untersuchung gegen Amazon wegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 102 AEUV) als Anbieter von Marktplatzdiensten auf Online-Einzelhandelsmärkten einzuleiten.

Zu lang – zu spät

Hintergrund dieses Kommentars sind leidliche Erfahrungen im Umgang mit (vermeintlichen) Wettbewerbsverstößen großer Plattformbetreiber. Aufgrund der formellen wettbewerbsrechtlichen Verfahren sowie der schieren Komplexität vieler Geschäftsmodelle von großen Plattformen sind schnelle Entscheidungen meist Mangelware: Mit einem Heer von Anwälten und Experten bewaffnet, können solche Verfahren gerne einmal mehrere Jahre dauern. So betrug die Verfahrensdauer der Europäischen Kommission gegen Google aufgrund der Benachteiligung von Konkurrenten bei der Suche nach Online-Shopping-Angeboten ganze sieben Jahre!

Für die betroffenen bzw. benachteiligten Konkurrenten kommt dann jede Hilfe zu spät. Denn: Reaktionsfähigkeit und Agilität gerade im Bereich der digitalen Geschäftsmodelle ist Grundvoraussetzung für den Erfolg. Dies erkannte auch die Kommission und stellte im Dezember 2020 den sogenannten Digital Markets Act vor. Anders, als in „klassischen“ Wettbewerbsverfahren muss danach ein Verstoß nicht erst bewiesen werden. Vielmehr sollen feste Verhaltensregeln in der digitalen Wirtschaft für klare Verhältnisse sorgen und die schnelle Reaktion auf Rechtsverstöße gewährleisten.

Schnell ist besser

Als Pflichten- und Verbotskatalog ausgestaltet, richtet sich der Digital Services Act an die sogenannten „Gatekeeper“. Das sind jene großen Plattform-Unternehmen, die

  • eine starke wirtschaftliche Position mit erheblichen Auswirkungen auf den Binnenmarkt innehaben und in mehreren EU-Ländern aktiv sind,
  • über eine starke Vermittlungsposition verfügen (große Nutzerbasis mit einer großen Anzahl von Unternehmen verbindet),
  • eine gefestigte und dauerhafte Marktstellung haben, d. h. langfristig stabil sind.

Die Kommission muss dabei feststellen sollen, ob ein Unternehmen diese Kriterien erfüllt. Ist dies der Fall, müssen Gatekeeper künftig:

  • Dritten in bestimmten Situationen die Zusammenarbeit mit ihren eigenen Diensten erlauben,
  • es ihren gewerblichen Nutzern ermöglichen, auf die Daten zuzugreifen, die sie bei der Nutzung der Gatekeeper-Plattform generieren,
  • den Unternehmen, die auf ihrer Plattform Werbung betreiben, die Instrumente und Informationen zur Verfügung stellen, die sie brauchen, um eine eigene, unabhängige Überprüfung ihrer Werbung auf der Gatekeeper-Plattform vornehmen zu können,
  • es ihren gewerblichen Nutzern ermöglichen, ihr Angebot zu bewerben und Verträge mit ihren Kunden außerhalb der Gatekeeper-Plattform abzuschließen.

Nach den Vorstellungen der Kommission sollen zudem folgende Verhaltensweisen zudem für Gatekeeper verboten sein:

  • Dienstleistungen und Produkte, die der Gatekeeper selbst anbietet, gegenüber ähnlichen Dienstleistungen oder Produkten, die von Dritten auf der Plattform des Gatekeepers angeboten werden, in puncto Reihung bevorzugt behandeln,
  • Verbraucher/innen daran hindern, sich an Unternehmen außerhalb ihrer Plattformen zu wenden,
  • Nutzer/innen daran hindern, vorab installierte Software oder Apps zu deinstallieren, wenn sie dies wünschen.

Europäisches Parlament: Zuspitzung auf GAFA

Das gesamte Jahr 2021 diskutierte das Europäische Parlament bereits über den Vorschlag der Europäischen Kommission. Der zuständige Binnenmarktausschuss unter dem Lead von Berichterstatter Andreas Schwab diskutierte am 27. Oktober über die gefundenen Kompromisse.

Die Abgeordneten einigten sich danach auf höhere Schwellenwerte, die bei der Beurteilung einer Plattform als Gatekeeper zukünftig gelten sollten. Danach sollen lediglich Unternehmen mit einem jährlichen Jahresumsatz von acht Mrd. Euro in den Anwendungsbereich des Digital Marktes Acts fallen. Zudem müssen die Gatekeeper eine gefestigte Marktposition auf mehr als zwei Märkten innehaben – im Kommissionsvorschlag war bereits eine gefestigte Marktposition ausreichend. Die Kompromisse zielen klar auf eine Verpflichtung der großen Marktplatzakteure ab und sollen so verhindern, dass auch mittelständische europäische Champions von den neuen Pflichten und Verboten betroffen wären.

Die Pflichten und Verbote wurden an einigen Stellen geschärft, sollen aber im Grundsatz unverändert bleiben. Eine Neuerung stellt das Gebot für die Gatekeeper dar, Schnittstellen für Drittanbieter von ähnlichen Leistungen zu schaffen bzw. eine entsprechende Interkonnektivität mit den Plattform-Dienstleistungen der Gatekeeper zu gewähren. Die Vorschrift zielt insbesondere auf Messenger-Dienstleistungen wie WhatsApp oder Facebook ab.

Rat der EU: Abschwächung nicht gelungen

Auch der Rat der EU arbeitet derzeit mit Hochdruck an der Finalisierung seiner Textfassung. Bestrebungen, den Kommissionsvorschlag zu schwächen – und die eigene Tech-Community dadurch ggf. zu schützen – sind bislang nicht gelungen. Zudem ist die Zerschlagung eines Gatekeepers bei beständigen Verstößen weiterhin eine Möglichkeit der Europäischen Kommission. Einige Mitgliedstaaten wollten diesen Punkt unbedingt verhindern, sind jedoch mit diesen Bestrebungen gescheitert.

Beide Häuser rufen nunmehr die „Crunchtime“ aus – das letzte Schleifen an den endgültigen Gesetzestexten. Noch Ende des Jahres sollen dann beide Ansätze formell angenommen werden. Im Frühjahr 2022 soll das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen werden.

Fazit

Die Europäischen Gesetzgeber sind sich einig in der Annahme, dass etwas auf dem Plattform-Markt geschehen muss. Die Details gehen teilweise auseinander, ohne jedoch das Große und Ganze aus den Augen zu verlieren. Mittelständische Nutzer solcher Gatekeeper könnten zukünftig von einer offeneren Plattform-Architektur profitieren. Voraussetzung dafür sind natürlich entsprechende individuelle und für den Kunden attraktive eigene Dienstleistungen und Angebote; Europa kann die Märkte (wieder) offen gestalten, die Überzeugung des Kunden bzw. der Nutzer muss aber weiterhin aus eigener Kraft gelingen. Verbundgruppen-Zentralen könnten ihren Anschlusshäusern zukünftig dabei helfen, optimale Angebote aus dieser offeneren Marktstruktur zu generieren und damit den Verbund als Netzwerkbetreiber zu etablieren.

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