Einigung zur Geoblocking-Verordnung – Teilsieg für den Einzelhandel

Am Abend des 20. November erzielten die Europäischen Gesetzgeber – Rat, Europäisches Parlament und Europäische Kommission – eine Einigung hinsichtlich des umstrittenen Dossiers zum Geoblocking. Trotz intensiver Lobbyarbeit konnte der von der Europäischen Kommission vorgesehene Kontrahierungszwang nur in Teilen verhindert werden.

Brüssel, 21.11.2017 – „Heute bereiten wir einer ungerechtfertigten Diskriminierung beim Online-Einkauf ein Ende. Das ist eine sehr gute Nachricht für die Verbraucher. Nach den neuen Regeln werden die Europäerinnen und Europäer selbst wählen können, auf welcher Website sie einkaufen wollen, ohne gesperrt oder umgeleitet zu werden. Nächstes Jahr zu Weihnachten wird dies Wirklichkeit sein.“ erklärte Andrus Ansip, Vizepräsident für den digitalen Binnenmarkt, der Europäischen Kommission.

Einigung zur Geoblocking-Verordnung – Teilsieg für den EinzelhandelMit der nunmehr angenommenen politischen Einigung zwischen den Europäischen Gesetzgebern konnte sich die Europäische Kommission mit vielen ihrer Forderungen durchsetzen.

Unter dem Begriff „Geoblocking“ versteht die Kommission eine Vielzahl von Verhaltensweisen von Unternehmern:

  • komplette Sperrung von Webseiten für ausländische Verbraucher
  • Verweigerung des Verkaufs von Waren und Online-Dienstleistungen an Verbraucher aus anderen Mitgliedstaaten
  • Umleitung auf eine lokale Webseite des Verbrauchers – inklusive anderer Preise und Angebote
  • Anpassung des Preises für Ware oder Produkt nach Herkunft des Verbrauchers (rückverfolgbar über dessen IP-Adresse), benutzter Internetbrowser (Firefox, Safari etc.) oder das benutzte Endgerät (PC oder Tablet, Apple oder ein anderes Produkt)

Nach Auffassung der Europäischen Kommission besteht im Geoblocking-Verfahren eine Diskriminierung europäischer Verbraucher. Im Mai 2016 stellte sie daher ihre Pläne zur Abschaffung von Maßnahmen im Bereich Geoblocking vor.

Bereits vor der eigentlichen Veröffentlichung warnte DER MITTELSTANDSVERBUND von einer allzu verbraucherfreundlichen Sichtweise. Wie selbst die Europäische Kommission eingesteht, ist der EU-Binnenmarkt noch weit vor seiner Vollendung. Unterschiedliche Verbraucherrechte, Steuersysteme und Regeln zur Produktsicherheit erschweren den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr. Aus Unternehmersicht bedeuten die unterschiedlichen nationalen Regeln vor allem: Rechtsunsicherheit und Extrakosten. Die Entscheidung, grenzüberschreitend tätig zu werden, sollte daher ausschließlich bei den Unternehmen selbst liegen – so DER MITTELSTANDSVERBUND bereits 2015.

In dem nunmehr gefundenen Kompromiss findet sich diese Kritik nur an einigen Stellen wieder:

  • So soll es weiterhin erlaubt sein, unterschiedliche Online-Shops – inklusive unterschiedlicher Preise und Verkaufsbedingungen – für Verbraucher aus verschiedenen Mitgliedstaaten zu schalten.
  • Es muss dabei jedoch immer gewährleistet werden, dass dem Verbraucher unabhängig von seinem Wohnsitz ein Zugang zu allen diesen nationalen Online-Angeboten gewährt wird. Eine Sperrung der Homepage für Verbraucher aus anderen Mitgliedstaaten sowie eine automatische Umleitung des Verbrauchers auf die Seite seines eigenen Landes werden zukünftig untersagt sein.
  • Dies heißt jedoch nicht, dass der Händler in allen Fällen an den Verbraucher liefern muss.
  • Beschränkt dieser sein Warenangebot auf Verbraucher eines Mitgliedstaats, darf er grundsätzlich auch Kaufangebote von Verbrauchern aus anderen Mitgliedstaaten ablehnen.
  • Der Händler soll einen Vertrag nur schließen müssen, wenn er mit seinem Angebot explizit auch Verbraucher aus anderen Mitgliedstaaten ansprechen möchte.
  • Lässt sich der Verbraucher die Waren innerhalb des Mitgliedstaates liefern, in dem der Händler ausschließlich tätig ist, soll letzterer jedoch das Kaufangebot nicht verweigern können.

Gerade in diesem letzten Punkt liegt viel Sprengstoff, läuft die Regelung doch auf einen Quasi-Kontrahierungszwang hinaus. Die grundsätzlich einschränkungslos gewährleistete Vertragsfreiheit kann damit eingeschränkt werden. Immerhin einigten sich die EU-Gesetzgeber darauf, dass der Händler nicht jegliche Zahlungsarten aller Mitgliedstaaten anbieten muss. Ob dies jedoch zukünftig vor dem Europäischen Gerichtshof immer standhalten wird, bleibt weiterhin offen.

Zumindest hinsichtlich der Frage des anzuwendenden Verbraucherrechts scheint Klarheit zu bestehen: Richtet der Händler seine Verkaufsangebote nicht aktiv auf Verbraucher aus anderen Mitgliedstaaten, gilt im Falle einer Bestellung aus dem EU-Ausland das Händlerrecht.

Hierbei hatte DER MITTELSTANDSVERBUND, zusammen mit seinem Europäischen Dachverband, Independent Retail Europe, mehr Klarheit gefordert. Denn noch immer ist die Rechtsprechung hinsichtlich aktiver und passiver grenzüberschreitender Angebote unübersichtlich.

Insgesamt konnte daher schlimmeres verhindert werden, es wird sich jedoch in der Zukunft herausstellen, ob die Geoblocking-Verordnung tatsächlich zu den von der Europäischen Kommission gewünschten positiven Effekten für den EU-Binnenmarkt führen wird.

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