EU-Kommission macht Stabilitätspakt flexibler

Die EU-Kommission hat die Auslegung des Stabilitäts- und Wachstumspakts neu geregelt. Defizitsünder könnten so mehr Zeit bekommen, ihre Haushaltslage in Ordnung zu bringen. DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt eine flexible Auslegung, warnt aber vor einer Aufweichung des Stabilitätspakts.

Brüssel, 21.01.2015 — "Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist der Grundstein der wirtschaftspolitischen Steuerung im Euro-Raum. Wir werden dafür sorgen, dass er auf intelligente, wirksame und glaubwürdige Art und Weise angewandt wird", sagte der Euro-Vizepräsident Valdis Dombrovskis bei der Vorstellung der neuen Auslegungsregeln für den Stabilitätspakt.

Doch was heißt das und was wird sich ändern?

Der im Vertrag von Amsterdam 1997 festgeschriebene Stabilitäts- und Wachstumspakt soll im Sinne der Konvergenzkriterien die Budgetdisziplin der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion sichern. Auch im Vertrag von Lissabon steht ganz klar: Die Mitgliedstaaten vermeiden übermäßige öffentliche Defizite. Konkret haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, den staatlichen Schuldenstand unter 60 Prozent und das jährliche Haushaltsdefizit unter 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu halten.

In der vorgelegten Mitteilung erklärt die EU-Kommission wie sie künftig die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts anwenden will. Ziel ist die Verknüpfung von Strukturreformen, Investitionen und haushaltspolitischer Verantwortung um Wachstum und Beschäftigung zu stärken. "Gerade während einer Krise vermeiden klare Auslegungsregeln politische Diskussionen darüber, was den Euro-Staaten erlaubt ist und was nicht", erklärt der Leiter des MITTELSTANDSVERBUND-Büros in Brüssel, Tim Geier. Gleichzeitig warnt der Europaexperte des Verbandes vor einer Aufweichung der Stabilitätskriterien.

"Dass die Mitgliedstaaten jetzt unter gewissen Voraussetzungen von den Kriterien abweichen können, darf nicht dazu führen, dass diese im Ergebnis nicht mehr eingehalten werden", betont Geier. So können staatliche Strukturreformen bei der Beurteilung künftig stärker berücksichtigt werden, wenn es sich um
  • breit angelegte Reformen handelt,
  • eine positive Auswirkung dieser Strukturen auf den Haushalt nachgewiesen wird und
  • die angekündigten Strukturen auch tatsächlich umgesetzt werden.
Mitgliedstaaten könnten damit in die Lage versetzt werden, in ihrer mittelfristigen Haushaltsplanung Abweichungen zu berücksichtigen. Auch Ländern, die bereits mit den sogenannten Konvergenzkriterien gebrochen haben, könnte damit mehr Zeit für notwendige Strukturreformen bekommen. Als Hüterin der Verträge überwacht die EU-Kommission die Einhaltung dieser neu aufgestellten Regeln. Ob eine Abweichung von den Konvergenzkriterien im Einzelfall gerechtfertigt ist, entscheidet abschließend der Rat der EU. Die Kommission kann lediglich eine Empfehlung abgeben.

"Auch ein Beitrag zu der angekündigten Investitionsoffensive von Kommissionspräsident Juncker kann künftig berücksichtigt werden", erklärt Geier. Zahlungen an den neuen EU-Fonds für strategische Investitionen sollen sich positiv auf die Beurteilung der Staatshaushalte auswirken. Auch die konjunkturelle Situation soll künftig berücksichtigt werden.

Die EU-Kommission betont aber, dass sich an den bestehenden Kriterien nichts ändern werde. "Und das ist richtig und wichtig", sagt Geier. Durch eine intelligentere Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspakts sollen vielmehr die notwendigen Voraussetzungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen geschaffen werden – eine von Junckers Prioritäten.

"Ob dieser mutige aber auch ehrliche Schritt von Erfolg gekrönt ist, hängt vom Reformwillen der Mitgliedstaaten und der stringenten Überwachung durch die Kommission ab", so der EU-Experte des MITTELSTANDSVERBUNDES.

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