EU-Richtlinie zum Hinweisgeberschutz wird in deutsches Recht umgesetzt

Obwohl die Umsetzungsfrist bereits im Dezember 2021 ablief, wartet die EU-Whistleblowing-Richtlinie noch auf ihre Umsetzung in deutsches Recht. Auf den Referentenentwurf aus dem April soll noch in diesem Monat ein Regierungsentwurf folgen. Das Gesetz verpflichtet u.a. zur Einführung eines Meldesystems in Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten.

Berlin, 08.06.2022 - Die „EU-Whistleblowing- Richtlinie“ ist bereits seit dem 17.12.2021 in Kraft, die Umsetzung in deutsches Recht steht jedoch noch aus. Parallel zum bereits eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren der EU arbeitet Bundesjustizminister Buschmann an dem „Entwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ (Hinweisgeberschutzgesetz, HinSchG). Nachdem im April ein Referentenentwurf in die Ressortabstimmung gegeben wurde, war ursprünglich die Kabinettsbefassung für Juni vorgesehen, so dass nach einem zügigen parlamentarischen Verfahren das Gesetz im Herbst 2022 in Kraft treten sollte. Nach ca. 50 sehr unterschiedlichen Stellungnahmen zum Referentenentwurf bleibt abzuwarten, wie der Zeitplan sich nun gestaltet und an welchen Stellen noch Veränderungen vorgenommen werden.

Das Gesetz soll Personen schützen, die im Zusammenhang mit ihrer oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen. Darüber hinaus sollen Personen geschützt werden, die Gegenstand der Meldung oder Offenlegung sind, sowie sonstige Personen, die von einer Meldung betroffen sind. Die wesentlichen Regelungen des Referentenentwurfs umfassen folgende Punkte:

  • Der persönliche Anwendungsbereich (§ 1 HinSchG) umfasst alle Personen, die in ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Verstöße erlangt haben. Das sind nicht nur eigene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch beispielsweise Selbständige, die Dienstleistungen für ein Unternehmen erbringen oder Beschäftigte von Dienstleistern und Lieferanten.
  • Der sachliche Anwendungsbereich (§ 2 HinSchG) greift die durch die HinSch-RL vorgegebenen Rechtsbereiche auf. Zudem wurden insbesondere das Strafrecht und bestimmte Ordnungswidrigkeiten einbezogen und die durch die HinSch-RL vorgegebenen Rechtsbereiche auch auf korrespondierendes nationales Recht ausgeweitet. Das umfasst insbesondere Vorschriften, die dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen, ebenso wie Vorschriften, die dem Schutz personenbezogener Daten im Anwendungsbereich der DS-GVO dienen.
  • Arbeitgeber mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten müssen eine Stelle für interne Meldungen einrichten und betreiben. Für private Arbeitgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten soll diese Pflicht erst ab 17. Dezember 2023 (§ 42 HinSchG) gelten. Unabhängig von ihrer Beschäftigtenzahl müssen bestimmte Arbeitgeber (z.B. Kreditinstitute, Wertpapierhandelsgesellschaften etc.) i.s.d. § 12 Abs. 3 HinSchG immer eine interne Meldestelle einrichten.
  • Für hinweisgebende Personen werden mit internen und externen Meldekanälen zwei gleichwertig nebeneinanderstehende Meldewege vorgesehen, zwischen denen sie frei wählen können (§§ 7 bis 31 HinSchG). D.h. Personen, die beabsichtigen, Informationen über einen Verstoß zu melden, sollen wählen können, ob sie sich an eine interne Meldestelle oder eine externe Meldestelle wenden.
  • Es werden die Voraussetzungen festgelegt, unter denen eine hinweisgebende Person Informationen über Verstöße öffentlich zugänglich machen darf (§ 32 HinSchG). 
  • Dies hat zur Folge, dass hinweisgebende Personen – sofern sie die Anforderungen des HinSchG an eine Meldung oder Offenlegung einhalten – umfangreich vor Repressalien wie Kündigung oder sonstigen Benachteiligungen geschützt (§§ 33 bis 39 HinSchG). 
  • Repressalien gegen Hinweisgeber sollen verboten sein. Wird ein Hinweisgeber nach einer Meldung bzw. Offenlegung benachteiligt, soll – als Beweislastumkehr – vermutet werden, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. In diesem Fall muss die Person, die den Hinweisgeber benachteiligt, beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung bzw. Offenlegung beruhte.

Aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES geht der Entwurf teilweise über die Vorgaben der Richtlinie hinaus. Das betrifft u.a. die Ausweitung des Anwendungsbereiches auf arbeitsrechtliche Vorschriften. Diese ist überflüssig, weil insbesondere in § 612a BGB Regelungen zum Whistleblowing bzw. dem Umgang mit Hinweisgebern enthalten sind, die z.B. auch in Bezug auf den Arbeitsschutz wirken.

Die partielle Ausdehnung des Anwendungsbereichs ist mit der Bürokratiebremse nicht zu vereinbaren. Die Richtlinie fordert die Mitgliedstaaten auf, sich dafür einzusetzen, dass vorrangig interne Meldestellen genutzt werden. Der Entwurf enthält dazu keine Regelung, der Gesetzgeber sollte zumindest sinnvolle Anreize setzen, dass interne Meldestellen vorrangig genutzt werden.

Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens ist nicht zu erwarten, dass die Pflicht zur Einrichtung einer Meldestelle wieder entfällt, denn diese folgt schon direkt aus der zugrundeliegenden EU-Richtlinie. Jedoch soll es möglich sein, für Konzernunternehmen eine zentrale Meldestelle einzurichten und auch mit der Einrichtung der eigenen Meldestelle Dritte zu beauftragen. Damit können Kooperationen ihren verpflichteten Anschlusshäusern eine entsprechende zentrale Dienstleistung anbieten. 

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