EuGH: Kontrolle von Bio-Produkten auch im Online-Handel

Bestehen bei dem Direktvertrieb von Bio-Produkten auch für Online-Händler zwingend einzuhaltende Kontrollpflichten nach geltendem EU-Recht oder können sie sich auf Ausnahmetatbestände berufen? Mit dieser Frage hatte sich jüngst Europas höchstes Gericht zu beschäftigen.

Brüssel, 18.10.2017 – Bereits seit 2007 gibt die EU-Öko-Verordnung Nr. 884/2007 vor, unter welchen Umständen Produkte unter dem Zusatz „Bio“ in der EU vertrieben werden dürfen. Kernbestandteil der aufgestellten Regeln ist auch die Überwachung des Produktionsprozesses im Rahmen eines Kontrollsystems. In § 3 Absatz 2 des Öko-Landbaugesetzes – dem deutschen Gesetz zur Durchführung der Europäischen Vorschriften – hat der deutsche Gesetzgeber jedoch von einer Ausnahmemöglichkeit Gebrauch gemacht. Danach können Unternehmern, die Erzeugnisse direkt an Endverbraucher oder -Nutzer abgeben, von den ansonsten zwingend einzuhaltenden Kontrollpflichten ausgenommen werden.

Urteil des EuGH zum Bio-Siegel

Urteil des EuGH zum Bio-SiegelUm die Frage dieses „Direktvertriebs“ ging es in einer jüngsten Entscheidung des EuGH. Im Ausgangsverfahren hatte ein Einzelhändler Gewürze in seinem Online-Shop angeboten und mit dem Zusatz „Bio“ versehen. Die deutsche Wettbewerbszentrale mahnte dieses Werben mit dem Bio-Siegel ohne entsprechendes Kontrollsystem ab.

Der Einzelhändler wehrte sich gerichtlich gegen diese Abmahnung, das Begehren wurde jedoch in erster Instanz abgewiesen. In der Berufung wurde dem Einzelhändler hingegen Recht gegeben. Die Wettbewerbszentrale legte hiergegen Revision ein. Der mit der Sache befasste Bundesgerichtshof (BGH) legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, wie die in der EU-Öko-Verordnung angelegten Ausnahmemöglichkeiten auszulegen und anzuwenden seien.

Der EuGH unterstich zunächst, dass Bio-Produkte regelmäßig einer ausreichenden Kontrolle unterliegen sollten. Dies gebiete nicht zuletzt das Verbraucherinteresse. Die in der EU-Öko-Verordnung angelegten Ausnahmetatbestände seien deshalb eng auszulegen. Bereits diese Betrachtung verbiete eine allzu weite Auslegung der Ausnahmetatbestände, geschweige denn eine generelle Ausnahme für einen bestimmten Vertriebskanal – wie den Online-Handel.

Vielmehr komme es – wie so oft – auf eine Betrachtung im Einzelfall an. Ausnahmen seien deshalb nur zulässig, wenn eine Gesamtschau zeige, dass der verlangte administrative Aufwand außer Verhältnis zu den zu befürchtenden Risiken – eines Vertriebs des Bio-Produkts ohne entsprechendes Kontrollsystem – steht.

Bezogen auf den Online-Vertrieb erscheint die Anwendung der bestehenden Vorschriften der EU-Öko-Verordnung vollkommen gerechtfertigt. Die Lagerung der Erzeugnisse – in der Regel nicht in geringen Mengen – und die Auslieferung durch zwischengeschaltete Dritte begründen ein Risiko der Um-Etikettierung, des Vertauschens und der Kontaminierung, das nicht generell als gering eingestuft werden kann.

Der BGH muss nunmehr auf Grundlage dieser Entscheidung des EuGH das Ausgangsverfahren beurteilen.

Online-Händler sind daher angehalten, bei dem Vertrieb von Bio-Produkten genauestens auf die bestehenden Regeln der Kontrolle zu achten, um Abmahnungen zu vermeiden. Der Direktvertrieb von Bio-Produkten berechtigt nicht per se zu einer Ausnahme. Vielmehr muss eine Bewertung im Einzelfall zu dem Ergebnis kommen, dass die Anwendung des Kontrollsystems außer Verhältnis zu den Risiken des Vertriebs steht.

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