Europäische Sammelklagen? Neue Vorschläge der Europäischen Kommission

Mit den jüngst vorgestellten Vorschlägen erweitert die Europäische Kommission die Möglichkeit, Verbraucherrechtsverstöße kollektiv geltend zu machen. Die Unternehmen werden mit diesen Vorschlägen vor neue Herausforderungen gestellt – gerade was die Abmahnindustrie angeht.

Brüssel, 11.04.2018 – Bereits seit dem Jahre 2009 bestehen einheitliche Vorschriften hinsichtlich der Durchführung von Unterlassungsklagen auf europäischer Ebene. In Deutschland wurden diese Vorschriften in Form des Unterlassungsklagegesetzes umgesetzt.

Europäische Sammelklagen? Neue Vorschläge der Europäischen KommissionKernstück dieses Regelwerkes ist dabei die Möglichkeit von Verbänden, Verbraucherrechtsverstöße abzumahnen sowie entsprechende Unterlassungsklagen anzustreben. Dies hat in der Vergangenheit zu einer erheblichen Zunahme von Abmahnungen geführt – die daraus entstandene „Abmahnindustrie“ ist momentan Gegenstand einer Petition im Bundestag.

Im Rahmen einer Evaluierung des bestehenden Verbraucher-Rechtsrahmens kam die Europäische Kommission zu dem Ergebnis, dass die Durchsetzungsmechanismen und insbesondere der Mechanismus der Unterlassungsklagen uneinheitlich in den Mitgliedstaaten umgesetzt wurden. Die Durchsetzung von Verbraucherrechten sei aus diesem Grund weiterhin unzureichend.

Kernpunkt des neuen EU-Vorschlags ist daher die Erweiterung des bestehenden Rechtes der Unterlassungsklagen. Im Fall eines Verstoßes gegen Verbraucherrechte sollen Verbände zukünftig das Recht haben, auch Schadensersatz, Rücktritt und Minderung im Namen von Verbrauchern gerichtlich geltend zu machen. Die daneben bestehende Möglichkeit, Verstöße abzumahnen und entsprechende Gerichtsverfahren anzustreben, soll weiter bestehen bleiben. Ist eine entsprechende Unterlassungsklage einmal anhängig, sollen sich Verbraucher dieser Klage anschließen können. Die Mitgliedstaaten soll entsc

heiden, auf welche Art und Weise Verbraucher an dem Verfahren beteiligt werden. Die oftmals diskutierte Frage, ob Sammelklagen im Sinne des amerikanischen Modells – Verbraucher müssen ausdrücklich ablehnen, an einem Verfahren beteiligt zu werden – möglich sind, wurde mithin auf die nationalen Gesetzgeber übertragen.

Bei geringfügigen den Verbrauchrechtsverstößen, die eine Vielzahl von Verbrauchern betrifft, soll nach der Vorstellung der europäischen Kommission die Zahlung einer Kompensation in die Staatskasse erfolgen.

Im Falle einer erfolgreichen Unterlassungsklage soll der Unternehmer zudem gerichtlich verpflichtet werden können, öffentlichkeitswirksam über den Ausgang des Verfahrens – also den festgestellten Verbraucherrechts-Verstoß – zu informieren.

Europaweite Sammelklagen, betrieben durch große Kanzleien, wie es in den USA bereits der Fall ist, sind damit zumindest unwahrscheinlicher geworden – auch wenn hierbei die Ausgestaltung in Deutschland entscheidend sein wird. In jedem Fall werden Unternehmen zukünftig einem erheblichen Droh-Potenzial durch Verbraucherschutzverbände ausgesetzt sein. Denn auch, wenn Verbraucher in einen Unterlassungsklage-Prozess aktiv optieren müssten, wird allein die Möglichkeit einer kollektiven Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zu einer erheblichen Steigerung des Vergleichsdrucks führen.

Die europäische Kommission hat es zudem unterlassen, Schwellenwerte für die kollektive Durchsetzung von Verbraucherrechten einzuführen (der Entwurf einer Musterfeststellungsklage sieht 50 betroffene Verbraucher vor). Ein weiterer offener Punkt ist die Frage nach dem anwendbaren Recht, sollten Verbraucher beziehungsweise Verbraucherschutzverbänden unterschiedlichen Mitgliedsstaaten Verbraucherrechte durchsetzen wollen. Die bestehenden Regeln über das anwendbare Recht aber auch das zuständige Gericht in der EU scheinen hierfür nicht ausreichend zu sein. Insgesamt ist der Vorschlag daher unvollständig und wird zu einem erheblichen Mehraufwand für Unternehmen, Verbraucher aber auch die nationale Gerichte führen.

Fraglich ist zudem, in welchem Verhältnis der EU-Vorschlag zu dem Vorschlag einer Musterfeststellungsklage stehen wird. Es ist daher nunmehr ein umfassender Blick auf die Einzelheiten aller Vorschriften – national und europäisch – notwendig, um ein für Verbraucher und Wirtschaft ausgeglichenes Ergebnis zu erhalten. Dies gelingt nur, wenn klare Regeln hinsichtlich der Klagebefugnis von Vereinen implementiert werden – dubiosen Abmahnvereinen sollte hingegen die Nutzung dieses neuen Mechanismus erschwert werden.

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