Europäischer Data Act: Großer Wurf für mehr Datenräume?

Der jüngst veröffentlichte Data Act der Europäischen Kommission soll neue Datenflüsse in Europa erschließen und Drittdienstleistern eine umfassendere Nutzung von Daten erlauben. Ob damit die immanenten Probleme der Digitalen Wirtschaft insgesamt behoben werden können, bleibt hingegen abzuwarten.

Brüssel, 01.03.2022 – Ende Februar stellte die Europäische Kommission eine weitere Maßnahme zur Schaffung eines freien Europäischen Datenraums vor: das sogenannte „Datengesetz“ (Data Act). „Wir wollen Verbrauchern und Unternehmen noch mehr Mitspracherecht darüber einräumen, was mit ihren Daten geschehen darf, indem klargestellt wird, wer zu welchen Bedingungen Zugang zu den Daten hat. Dies ist ein zentraler Digitalgrundsatz, der zur Schaffung einer robusten und fairen datengesteuerten Wirtschaft beitragen und Leitsatz für den digitalen Wandel bis 2030 sein wird.“, stellte die zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin, Margrethe Vestager den neuen Vorschlag daher auch vor.

Ansatzpunkt der Europäischen Kommission sind dabei die sogenannten „Smart Devices“ bzw. das „Internet of Things“; Ob Smartwatch, Alexa, Automobile oder Smart Meter im eigenen Haus – Endnutzer erzeugen durch die Verwendung dieser Geräte Daten, die aktuell größtenteils bei den Herstellern landen. Durch die intelligente Verknüpfung dieser nutzergenerierten Daten entsteht eine solide Grundlage für sekundäre Dienstleistungen und Anwendungen – wiederum meist nur in der „Welt“ des jeweiligen Herstellers. Doch das soll sich nunmehr durch den Vorschlag der Europäischen Kommission ändern: Erzeugt ein Endnutzer Daten, so soll er zukünftig bestimmen können, wer diese Daten erhalten soll. Zwar geht der „Haupt-Daten-Strom“ immer noch in Richtung der Hersteller, die Daten-Abflüsse soll der Endnutzer hingegen frei verteilen können. So könnte der Endnutzer zukünftig beispielsweise die Gesundheitsdaten seiner Smartwatch auch seiner Versicherung oder individuellen Fitness-Applikationen bereitstellen, um seinen persönlichen Nutzen an den Daten zu verbessern.

Die Grundidee

Grundpfeiler dieses neuen Daten-Systems soll der Herausgabeanspruch des Endnutzer bezüglich seiner generierten Daten gegenüber dem Hersteller sein – und das zum Nulltarif. Mehr noch: Der Endnutzer soll gegenüber dem Hersteller oder Hauptempfänger der Daten auch bestimmen können, dass dieser die Daten an einen Dritten direkt übermittelt. In diesem Ansatz könnte erhebliches Potential für diejenigen Dienstleister stecken, die aktuell aufgrund der geringen Daten-Verfügbarkeit keine tragfähigen und vor allem individuellen Angebote anbieten konnten.

„Das Hauptpotential sehen wir aktuell im handwerklichen Bereich. Reparaturen – anstehend oder akut – könnten somit zukünftig von mittelständischen Dienstleistern übernommen werden. Der Kunde hätte so die freie Wahl unter eine Vielzahl von Angeboten und könnte sich das für ihn passende heraussuchen.“ Meint auch Tim Geier, Geschäftsführer Büro Brüssel, DER MITTELSTANDSVERBUND.

Schutz von Mittelständlern

KMU stehen zudem eine Reihe von Schutzmechanismen zur Seite, um in diesem großen Datenfluss nicht unverhältnismäßig benachteiligt zu werden: Kleine und mittlere Hersteller von intelligenten Geräten sollen ihre Daten nicht in gleicher Weise an Dritte herausgeben müssen, wie das größere Hersteller zukünftig tun müssen. Große Online-Plattformen – sogenannte Gatekeeper – soll der Zugang zu nutzergenerierten Daten gleich ganz untersagt bleiben, um deren datengestützte Marktstärke nicht weiter zu erhöhen. Weiterhin sollen neue Regeln über die fairen Vertragsklauseln dafür Sorge tragen, dass sowohl Endnutzer als auch KMU bei der Datenübertragung größerer Hersteller nicht unverhältnismäßig benachteiligt werden. Die Europäische Kommission will zudem Musterverträge für einen Datenaustausch entwerfen, um den freien Datenfluss weiter zu unterstützen.

Zugriffsrecht des Staates

Der neue Data Act regelt zudem das Zugriffsrecht des Staates auf die Datenflüsse. In Ausnahmesituationen wie Pandemien oder Naturkatastrophen soll der Staat Daten von den Herstellern herausverlangen können. Das Daten-Zugriffsrecht soll jedoch auch in Fällen greifen, in denen der Staat ohne die Daten einer rechtlichen Verpflichtung nicht nachkommen könnte. Gerade letzter Tatbestand könnte es in sich haben: Denn der Staat bzw. seine Stellen tritt im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge oftmals als Marktbegleiter zu anderen privaten Akteuren auf, die diese Aufgaben auch erfüllen bzw. erfüllen könnten. Wäre der Staat nunmehr in der Lage, durch ein weitreichendes Daten-Zugriffs-Recht einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, könnte dies ein böses Nachspiel für die dann benachteiligten Mitbewerber haben.

Fazit

Gerade das staatliche Datenzugriffsrecht zeigt eines der größten Mankos des neuen Ansatzes auf: Kann der Staat in den definierten Situationen auf die nutzergenerierten Daten aller Nutzer zugreifen, muss jeder andere Dienstleister Einzelabfragen bei allen in Frage kommenden Endnutzern initiieren. Nur so können die Dienstleister tatsächlich ein größeres Datenbild – mit erheblichen Auswertungspotential – oder individuelle Aftersales-Services kostendeckend anbieten.

„Am Ende muss der Dienstleister, der Daten haben möchte, zunächst Überzeugungsarbeit beim Kunden leisten. Dies insbesondere mit Blick auf den Mehrwert der eigenen Dienstleistung gegenüber der des Herstellers.“ führt Geier weiter aus. Der Datenzugang ist daher aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES nicht abschließend zu Ende gedacht und braucht nunmehr Anpassung im laufenden Gesetzgebungsverfahren. 

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