Europäischer Mindestlohn: Europaparlament bewegt sich

Das Europäische Parlament hat sich in einer seiner letzten Abstimmungen zu dem Kommissionsvorschlag über einen europäischen Mindestlohn positioniert. Damit erhöhen sich die Tendenzen, insgesamt ein höheres Lohnniveau in Europa zu etablieren.

Brüssel, 18.11.2021 – Bereits im letzten Jahr stellte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Richtlinie über angemessene Mindestlöhne in Europa vor. Die Richtlinie soll einen Mindestlohn sicherstellen, mit dem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Lebensunterhalt tatsächlich bestreiten können. Mitgliedstaaten soll es dabei freistehen, den Mindestlohnschutz durch einen gesetzlichen Mindestlohn oder in Form von tarifvertraglich festgelegten Löhnen zu gewährleisten.

Hierzu werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen: 

  • Bestimmung (und damit in vielen Anhebung) der Angemessenheit gesetzlicher Mindestlöhne in Ländern, in denen ein solcher bereits existiert,
  • Förderung von Tarifverhandlungen,
  • Eine Verbesserung der Durchsetzung und Überwachung des Lohngefälles in den Mitgliedstaaten. 

Anstelle einer konkreten Festlegung eines europäischen Mindestlohns sollen die Mitgliedstaaten verbindliche Kriterien für dessen Berechnung berücksichtigen müssen. Vorgeschlagen wird dabei die Berücksichtigung der Kaufkraft, der Sozialabgaben und Steuerlast-Last, das allgemeine Bruttolohnniveau sowie der Meridianlohn in einem Mitgliedstaat.

Der Beschäftigtenausschuss im Europäischen Parlament hat nunmehr seine Stellungnahme zu dem Vorschlag der Kommission angenommen. Eine wesentliche Änderung gegenüber dem Kommissionsvorschlag ist die Stärkung der Rolle der Sozialpartner in einem Mitgliedstaat. Diese sollen in jedem Fall ein Vorrecht haben, Tarifverträge zu verhandeln und zu überwachen. Mitgliedstaaten, in denen weniger als 80 Prozent der Beschäftigten einen Tarifvertrag haben, sollen die Tarifvertragsquote über einen Aktionsplan (gesetzlich oder durch Verhandlungen der Sozialpartner) steigern. Generell sollen die Mitgliedstaaten dazu gebracht werden, ihre Tarifvertragsquote auf mindestens 80 Prozent zu erhöhen. 

Äußerst kritisch bewertet DER MITTELSTANDSVERBUND die von den Abgeordneten gestrichene Möglichkeit der Mitgliedstaaten, eine Unterschreitung des Mindestlohns in Ausnahmesituationen zuzulassen. In Deutschland ist eine solche Unterschreitung aktuell im Bereich der Berufsausbildung oder der Integration von Langzeitarbeitslosen zulässig. Ob sich diese Vorgehensweise vor dem Hintergrund des Parlaments-Votums noch aufrechterhalten lässt, scheint fraglich.  

Die Abgeordneten stimmten zudem für internationale Referenzwerte mit Blick auf die Berechnung des Mindestlohns. Dieser soll in etwa 60 Prozent des jeweiligen nationalen Bruttomedianlohns bzw. 50 Prozent des Bruttodurchschnittslohns betragen. Dies käme nach ersten Berechnungen den Ansätzen der Ampel-Koalition entgegen, die einen Mindestlohn von 12 Euro festsetzen wollen.

Fazit

Insgesamt schränken die Ansätze der Europaabgeordneten die Lohnfreiheit der Arbeitgeber an einigen Stellen ein. Je nach Ausgang der Koalitionsverhandlungen könnten in Deutschland bereits die ambitionierten Ansätze des Europäischen Parlaments Realität werden.

Nunmehr treten Rat und Europäisches Parlament in die Verhandlungen ein. Das Dossier sollte dann Mitte 2022 zu einem Abschluss gebracht werden.

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