Fahrtenschreiber für jedermann? EU diskutiert Anpassung der bestehenden Regeln

Die Diskussion über die Anpassung der Regeln zu Lenk- und Ruhezeiten und die Pflicht zum Führen eines Fahrtenschreibers gewinnt an Brisanz: Der nunmehr vorgestellte Berichtsentwurf im Europäischen Parlament könnte zu einer Streichung der bestehenden Ausnahmen für Kleintransporte und Handwerker führen.

Brüssel, 31.01.2018 – Die Lenk- und Ruhezeiten für Kraftfahrer werden seit 1969 in EU-Rechtsvorschriften geregelt. Die aktuelle Verordnung (EG) Nr. 561/2006 legt die Mindestanforderungen in Bezug auf die maximalen täglichen und wöchentlichen Lenkzeiten, die Mindestfahrtunterbrechungen sowie die täglichen und die wöchentlichen Ruhezeiten fest.

Fahrtenschreiber für jedermann? EU diskutiert Anpassung der bestehenden Regeln.Daneben schreibt sie die Verwendung eines Fahrtenschreibers als wichtigstes Instrument für die Kontrolle der Einhaltung dieser Anforderungen vor. Weitere technische Anpassungen erfolgten: So wurde 2014 der "intelligente Fahrtenschreiber" eingeführt, welcher die Positionsbestimmung der Fahrer via Satellitennavigation ermöglicht.

Derzeit sind grundsätzlich alle Güterbeförderungen mit Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen von der Pflicht zum Führen eines Fahrtenschreibers erfasst. Kleintransporte, wie sie im Handel vor allem für Anschlussdienstleistungen und Kundenlieferungen verwendet werden, sind damit meist ausgenommen. Zudem besteht durch die sogenannte "Handwerkerausnahme" eine Freistellung bei Fahrten zum Kunden in einem Radius von 100 Kilometer, bei denen der Beförderer Werkzeuge zur Ausführung seiner Dienstleistung transportiert.

Die Zielsetzung der EU-Gesetzgeber bestand immer in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Kraftfahrer. Weiterhin sollte durch diese Regeln die Sicherheit auf den Straßen Europas verbessert werden.

Die Europäische Kommission konstatierte bereits vor einigen Jahren, dass die Umsetzung und Durchsetzung dieser Vorschriften in Europa immer noch unvollständig ist. Aus diesem Grund stellte sie im Mai 2017 Änderungen zu den bestehenden Regeln vor. Diese sollten insbesondere die diesbezügliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) inkorporieren, Unklarheiten beseitigen und die nationale Durchsetzung verbessern. Auch wenn die Vorschriften damit teilweise verschärft werden sollen, bestand Einigkeit dahingehend, dass die oben beschriebenen Ausnahmevorschriften weiterhin Bestand haben sollten.

Diese Einsicht hat sich hingegen im Europäischen Parlament nicht durchgesetzt. Der Berichterstatter im zuständigen Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr, Wim van de Camp (NL, EVP), regt in seinem am 22. Januar 2018 vorgestellten Berichtsentwurf an, diese Ausnahmen nur noch für den Gütertransport innerhalb eines Mitgliedstaates gelten zu lassen.

Bei grenzüberschreitenden Transporten sollte grundsätzlich eine Pflicht zum Führen eines Fahrtenschreibers bestehen. Als Grund nennt der Berichterstatter Wettbewerbsverzerrungen. Nach seiner Auffassung werde im internationalen Warenverkehr flächendeckend Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen eingesetzt, um die Vorschriften über den Fahrtenschreiber zu umgehen.

DER MITTELSTANDSVERBUND warnt ausdrücklich vor einer Einschränkung der bestehenden Ausnahmen für Kleintransporte. Zum einem ist das Gefahrenpotential solcher Kraftfahrzeuge nicht vergleichbar mit dem von deutlich schwereren Lastkraftfahrzeugen. Ein Nachweis der Lenk- und Ruhezeiten mittels eines Fahrtenschreibers scheint daher bereits aus diesem Grund unverhältnismäßig.

Weiterhin wäre die weitgehende Streichung der bestehenden Ausnahmen gerade in grenznahen Regionen mit einer überproportionalen Kostenlast verbunden: Zum einem müsste die bestehende Fahrzeugflotte in vielen mittelständischen Betrieben nachgerüstet werden. Zum anderen müssten die durch den Fahrtenschreiber gewonnenen Daten in einem entsprechenden System hinterlegt werden. Vor dem Hintergrund der bald in Kraft tretenden Datenschutzgrundverordnung könnten damit weitere Dokumentations- und Meldepflichten verbunden sein.

Schließlich sieht sich der Berichterstatter der Frage ausgesetzt, ob sein Ansatz mit der Zielsetzung der Schaffung eines echten Binnenmarkts vereinbar ist. Bereits heute sehen sich viele mittelständische Kooperationen mit überbordenden administrativen Lasten im grenzüberschreitenden Geschäft konfrontiert – Meldepflichten bei der Dienstleistung im europäischen Ausland seien hierbei nur beispielhaft genannt. Aus diesem Grund sollten die Bestrebungen der Europäischen Gesetzgeber eher auf die Senkung dieser Lasten gerichtet sein.

Noch hat das Europäische Parlament nicht entschieden. Die Mitglieder des Verkehrsausschusses können noch bis Mitte Februar Änderungen zum Berichtsentwurf vorlegen. Auch der Rat der EU muss sich zu diesem Thema noch positionieren. Ob dieser eine Verschärfung der bestehenden Regeln im oben genannten Sinne unterstützen wird, bleibt fraglich.

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