Fairness in der Lebensmittelkette: Neuer Kommissionsvorschlag

In einem ihrer jüngsten Vorschläge stellt die Europäische Kommission Ansätze zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken in der Lebensmittelkette vor. Für Unternehmen könnte dies zu erheblichen Einschränkungen ihrer Vertragsgestaltungsfreiheit führen.

Brüssel, 12.4.2018 – Mit ihrem neuen Vorschlag möchte die Europäische Kommission die schädlichsten unlauteren Handelspraktiken in der Lebensmitte Versorgungskette verbieten. Kleine und mittlere Unternehmen der Agrarproduktion sollen hier durch gerechter behandelt werden.

In einen ihrer jüngsten Vorschläge stellt die Europäische Kommission Ansätze zur Bekämpfung unlauteren Handelspraktiken in der Lebensmittelkette vor. Der nunmehr vorgelegte Vorschlag stellt ein Novum in der Regulierung des unternehmerischen Geschäftsverkehrs dar. Bislang muss sich unternehmerisches Handeln vor allen an den Maßstäben des europäischen beziehungsweise nationalen Wettbewerbsrechts messen lassen. Regelungen hinsichtlich der Vertragsgestaltung bestehen bislang auf Europäischer Ebene nicht. Die soll sich durch nunmehr ändern.

Nach Auffassung der Kommission sind insbesondere kleinere Marktteilnehmer in der Lebensmittelversorgungskette, beispielsweise Landwirte, in besonderem Maße unlauteren Handelspraktiken von Geschäftspartnern ausgesetzt. Aufgrund ihrer – angenommenen – häufig schwachen Verhandlungsposition bestünden nach Auffassung der Europäischen Kommission für diese Marktteilnehmer keine Alternativen, um ihre Erzeugnisse an Verbraucher zu verkaufen.

Der vorliegende Vorschlag verbietet daher eine abschließende Zahl von Handelspraktiken. Die im Folgenden dargestellten Regelungen sollen dabei ausschließlich kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommen. Vertragsbedingungen, die zwischen größeren Unternehmen oder zwischen ausschließlich kleinen und mittleren Unternehmen abgeschlossen werden, sollen dem neuen Regime nicht unterstellt sein.

Folgende Handelspraktiken sollen zukünftig verboten werden:

  • die verspätete Zahlung für verderbliche Waren,
  • die Auftragsstornierung in letzter Minute sowie
  • einseitige oder rückwirkende Vertragsveränderungen und erzwungene Zahlungen des Lieferanten für die Verschwendung von Lebensmitteln.

Weitere Handelspraktiken sollen nur gestattet sein, wenn sie im Vorfeld klar und eindeutig zwischen den Parteien vereinbart wurden:

  • Ein Käufer schickt nicht verkaufte Lebensmittel an einen Lieferanten zurück.
  • Ein Käufer verlangt von einem Lieferanten eine Zahlung für den Abschluss oder die Verlängerung einer Vereinbarung über die Lieferung von Lebensmitteln.
  • Ein Lieferant bezahlt die Werbung oder die Vermarktung von Lebensmitteln, die der Verkäufer verkauft.

Die Mitgliedstaaten werden darüber hinaus aufgefordert, zuständige Behörden zu benennen, die bei nachweislichen Verstößen verhältnismäßige und abschrecken der Sanktionen zur Verhinderung unlautere Handelspraktiken aussprechen können.

Ausgehend von einer durchaus zweifelhaften Tatsachengrundlage versucht die europäische Kommission mit dem vorliegenden Vorschlag ein Korrektiv zum bestehenden europäischen und nationalen Wettbewerbsrechtsrahmens zu schaffen. Bereits die Effektivität eines solchen Vorgehens stellt DER MITTELSTANDSVERBUND dabei in Frage.

Ein allzu enges Korsett unternehmerischer Freiheit kann schnell zu einer Situation führen, in der notwendiger Verhandlungsspielraum fehlt, um auf unvorhergesehene Marktsituationen zu reagieren. Dies könnte KMU ebenso treffen wie andere Marktteilnehmern. Zudem unterlässt es die Europäische Kommission, das Potential freiwilliger Initiativen – wie etwa der Supply Chain Initiative – voll auszuschöpfen beziehungsweise entsprechend zu fördern.

Der Beweis einer Notwendigkeit der Regelung unternehmerischer Vertragsbeziehungen ist daher zumindest unzureichend erbracht. Dem vorliegend Vorschlag fehlt schließlich die differenzierte Betrachtung des Wettbewerbsrechts. Selbst wenn die Einschätzung der Europäischen Kommission hinsichtlich der Marktverhältnisse in der Lebensmittelversorgungskette richtig sein sollte, stellt diese lediglich eine Momentaufnahme dar.

Eine Anpassung und Einstellung auf neue Gegebenheiten wäre jedoch nach Erlass der neuen Vorschriften nicht mehr möglich. Diese müssten schablonenhaft auf alle Sachverhalte gleichermaßen angewendet werden. Betrachtungen von Marktanteilen oder Marktmacht – als Ausgangspunkt jeglicher wettbewerbsrechtlicher Betrachtung – blieben dabei außen vor.

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