Fairness in der Lebensmittelkette – Neues Ungemach aus dem EU-Parlament

Nachdem bereits der Kommissionsentwurf über die zukünftigen Vertragsgestaltungsmöglichkeiten in der Lebensmittelkette für viel Aufsehen gesorgt hat, bedeutet der nunmehr vorgelegte Berichtsentwurf des EU-Parlaments eventuell eine komplette Verschiebung des Verhandlungsgleichgewichts zu Ungunsten des (kooperierenden) Handels.

Brüssel, 28.6.2018 – Bereits im April 2018 stellte die EU Kommission den Vorschlag einer Verordnung über Unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette vor. „Eine Kette ist immer nur stark wie ihr schwächstes Glied. Damit die Lebensmittel Versorgungskette effizient und wirksam ist, muss sie gerecht sein.“, äußerte sich seinerzeit der für Landwirtschaft ländliche Entwicklung zuständige Kommissar, Phil Hogan.

  Der nunmehr vorgelegte Berichtsentwurf des EU-Parlaments bedeutet eventuell eine komplette Verschiebung des Verhandlungsgleichgewichts zu Ungunsten des (kooperierenden) Handels.Der Kommissionsvorschlag sieht vor, eine Reihe von Handelspraktiken zu verbieten. Andere Handelspraktiken, die eine mutmaßliche Benachteiligung des Lieferanten darstellen, sollten nur dann rechtmäßig sein, wenn sie zwischen den Parteien vertraglich festgelegt worden sind. Die Verbote und Gebote sollten immer dann greifen, wenn ein Lebensmittelproduzent KMU ist und an einen nicht KMU-Abnehmer seine Lebensmittelerzeugnisse vertreibt.

Bereits diesen Eingriff in die Vertragsfreiheit der Wirtschaftsakteure sieht DER MITTELSTANDSVERBUND kritisch – die Auferlegung von Handlungsverboten jenseits von wettbewerbs-ökonomischen Betrachtungsweisen verringert den notwendigen Verhandlungsspielraum innerhalb der Lebensmittelversorgungskette unverhältnismäßig stark.

Ende Juni stellte der zuständige Berichterstatter des federführenden Landwirtschafts-Ausschusses im EU-Parlament seinen Berichtsentwurf zu diesem Dossier vor. Für große Verwunderung sorgte dabei der Ansatz, alle Erzeuger von Lebensmittelprodukten unter den Schutz des Vorschlags zu stellen – und nicht nur KMU, wie der ursprüngliche Kommission-Entwurf vorsah. Neben den Agrar-Produzenten und deren Kooperationen würden auch große Erzeuger und Markenproduzenten unter den Schutz des Vorschlags gestellt. Auf der anderen Seite sollen die Abnehmer – größtenteils Groß- und Einzelhändler – weiter an die Regeln des Vorschlags vollumfänglich gebunden sein. Mehr noch: die Klauseln, die der Kommissionsvorschlag noch unter dem Vorbehalt einer schriftlichen Vereinbarung stellte, sollen nach den Vorschlägen des Europaabgeordneten nur dann erlaubt sein, wenn keine wirtschaftliche Abhängigkeit des Verkäufers gegenüber dem Abnehmer besteht. Auch wenn der EU-Parlamentarier versuchte, den Begriff der „wirtschaftlichen Abhängigkeit“ weiter zu definieren, würden viele gängige Vertragspraktiken faktisch unmöglich sein. Insbesondere betroffen wären Listungsgebühren und Werbebeiträge.

DER MITTELSTANDSVERBUND wird sich daher in der kommenden Diskussion dafür einsetzen, dass Vertragsgestaltungsmöglichkeiten in der Lebensmittelkette zukünftig weiterhin möglich sind und nicht durch ein enges Korsett behindert werden. Denn ein solches würde am Ende des Tages auch nicht den Lebensmittelproduzenten, die eigentlich geschützt werden sollten, dienen. Durch die weitere Öffnung des Schutzbereichs wäre die (absurde) Situation denkbar, dass alle Wertschöpfungsstufen von den Klausel-Verboten profitieren könnten, außer dem Handel – ein Ergebnis, welches in keinem Fall die Zielrichtung des ursprünglichen Kommissions-Vorschlags war und für erhebliche Verwerfungen entlang der Lebensmittelversorgungskette führen könnte.

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