Kein Brötchen für Penicillin

Am 06.06.2019 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es einen Verstoß gegen geltendes Wettbewerbsrecht darstellt, wenn Apotheken ihren Kunden beim Kauf von verschreibungsmittelpflichtigen Arzneimitteln geringwertige Werbegaben gewähren – auch wenn es sich „nur“ um einen Gutschein für ein Brötchen oder etwa einen Ein-Euro-Gutschein handelt.

Köln, 14.06.2019 – Geklagt hatte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) einerseits gegen eine Apotheke in Darmstadt. Die Beklagte händigte ihren Kunden beim Kauf eines rezeptpflichtigen und preisgebundenen Arzneimittels einen Gutschein aus, der in einer in der Nähe gelegenen Apotheke gegen ein Brötchen eingelöst werden konnte. Weiterhin hat die Wettbewerbszentrale gegen eine Apotheke in Berlin geklagt, welche ihren Kunden im Jahr 2014 beim Kauf von Arzneimitteln Vergünstigungen in Form eines Ein-Euro-Gutscheines gewährt hat – auch wenn es sich um rezeptpflichtige und preisgebundene Arzneimittel handelte.

Kein Brötchen für PenicillinIn beiden Fällen hat die Wettbewerbszentrale einen Verstoß gegen die Preisbindungsregeln für Arzneimittel aus §. 78 Abs. 2 S. 2 und 3 AMG erkannt. Weiterhin liege ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vor, da die Preisbindungsregeln Marktverhaltensregeln seien. Im ersten Fall hat das Berufungsgericht in Sinne der Klägerin entschieden. Zwar handele es sich bei einem Brötchen um eine geringwertige Kleinigkeit, sodass – nach bisheriger Rechtsprechung - die Zuwendung nach dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) zulässig und die Spürbarkeit eines Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz zu verneinen sei. Allerdings habe der Gesetzgeber das HWG im Jahre 2013 ausdrücklich um die Regelung ergänzt, dass entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Zuwendungen oder Werbegaben unzulässig seien, sodass die bisherige Rechtsprechung aufzuheben sei.

Im zweiten Fall hat das Berufungsgericht entschieden, dass die Gewährung eines Ein-Euro-Gutscheines zwar gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel verstoße, aber nicht geeignet sei, die Interessen von Verbrauchern und sonstigen Markteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Dem stehe nicht entgegen, dass nach dem HWG auch die Zuwendung geringwertige Kleinigkeiten entgegen den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften unzulässig sei. In beiden Fällen wurde der Bundesgerichtshof angerufen. Und in beiden Entscheidungen urteilte der Bundesgerichtshof zu Ungunsten der jeweiligen Apotheke. Nach Auffassung des Senats handelt es sich ausdrücklich um ein grundsätzliches Verbot der Wertreklame, soweit das Gesetz Zuwendungen oder Werbegaben für Arzneimittel als unzulässig erklärt, wenn sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die auf Grund des Arzneimittelgesetzes gelten.

Dieses grundsätzliche Verbot sei auch nach Ansicht des BGH eine Marktverhaltensregel im Sinne des UWG. Denn durch das Verbot der Wertreklame soll ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindert und eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden.

Daran ändere auch die Tatsache, dass es sich sowohl bei einem Brötchen als auch bei einem Ein-Euro-Gutschein um Werbegaben von geringem Wert handele, nichts. Denn der Gesetzgeber ist bei der Änderung des HWG davon ausgegangen, dass jede gesetzlich verbotene Abweichung von Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel geeignet ist, einen unerwünschten Preiswettbewerb auszulösen. Die eindeutige gesetzliche Regelung, nach der jede Gewährung einer Zuwendung oder sonstigen Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG, die gegen die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes verstößt, unzulässig ist, darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein solcher Verstoß als nicht spürbar eingestuft wird und somit nicht wettbewerbswidrig sei.

Dem BGH ist zumindest insoweit zuzustimmen, dass das Gesetz aufgrund des sehr strikten Wortlautes wenig bis keinen Spielraum lässt. Dass die Werbegabe eines Brötchens bzw. eines Ein-Euro-Gutscheines aber geeignet sein soll, einen ruinösen Preiswettbewerb zwischen den Apotheken auszulösen oder die flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen, sollte kritisch hinterfragt werden. Gegebenenfalls müsste der Gesetzgeber hier am Gesetzeswortlaut nachbessern.

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