Neue Regeln zur Verbandsklage: Parlament öffnet Tür zum Rechtsmissbrauch

Die Rechtsexperten des Europäischen Parlamentes nahmen jüngst einen Text zur Einführung von EU-Sammelklagen an. Entgegen den Warnungen des MITTELSTANDSVERUNDES könnte dieses Projekt – mangels entsprechender Sicherungsmechanismen – Rechtsmissbrauch Tür und Tore öffnen.

Brüssel, 10.12.2018 – Alle Zeichen stehen auf Endspurt bei den Europaparlamentariern: Rund fünf Monate vor den Wahlen zum EU-Parlament haben sich die Mitglieder des Rechtsausschusses auf eine gemeinsame Linie zu dem Richtlinienvorschlag über Verbandsklagen geeinigt.

Rund fünf Monate vor den Wahlen zum EU-Parlament haben sich die Mitglieder des Rechtsausschusses auf eine gemeinsame Linie zu dem Richtlinienvorschlag über Verbandsklagen geeinigt. Nach der Vorstellung der Europäischen Kommission, die einen entsprechenden Vorschlag im April 2018 vorstellte, sollten Verbraucherverbände zukünftig in die Lage versetzt werden, Verbraucherrechtsverstöße nicht nur abzumahnen, sondern darüber hinaus kollektiv für die betroffenen Verbraucher Schadensersatz und Minderung des Kaufpreises zu verlangen. Die Mitgliedstaaten sollten frei in ihrer Entscheidung bleiben, ob sich Verbraucher dabei aktiv an einer Klage beteiligen müssen oder automatisch Teil der Klage werden, sollten sie sich nicht innerhalb einer Frist gemeldet haben.

DER MITTELSTANDSVERBUND kritisierte bereits diesen Ansatz der Kommission. Aufgrund fehlender Schutzmechanismen könnte ein solches Instrument zu rechtmissbräuchlichen Klagen gegen Unternehmen eingesetzt werden.

Der nunmehr im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments angenommene Text hilft dabei nur vordergründig: Zwar wurde der Grundsatz des „Loser Pays“ (unterliegende Partei bezahlt die Kosten des Prozesses) nunmehr im Text verankert, viele wichtige Fragen bleiben jedoch weiterhin offen. Ebenso wie die Kommission unterließen es die Abgeordneten, klare Regeln hinsichtlich der klagebefugten Verbände einzuführen. Drittfinanzierung – und daher auch ein Modell der Klagebeteiligung spezialisierter Kanzleien – wäre daher nicht ausgeschlossen. Zudem fielen die Schutzmechanismen zur Aufnahme von Drittkapital durch Verbände äußerst vage aus. Damit wäre der Weg hin zu einem amerikanischen Sammelklage-Modell geebnet. Eine Begrenzung dieser Finanzierungsmöglichkeiten ist jedoch Grundvoraussetzung für eine echte Waffengleichheit im Prozess.

Völlig ungeklärt ist außerdem die Frage, inwieweit die Verbände eine Verteilung der eingeklagten Schadensersatzforderungen gewährleisten müssen. Auch hier sind unseriösen Machenschaften Tür und Tore geöffnet – im Zweifel zum Nachteil für Verbraucher.

Die Abgeordneten lassen darüber hinaus völlig offen, inwieweit Feststellungsbegehren – wie sie etwa nunmehr durch die Musterfeststellungsklage möglich sind – weiterhin neben der geplanten Richtlinie bestehen bleiben können und unter welchen Voraussetzungen diese zu verfolgen sind. Mit Blick auf grenzüberschreitende Fälle blieb die Gelegenheit ungenutzt, klare Regeln gegen Forum-Shopping (Klage bei verbraucherfreundlichen Gerichten aufgrund der Möglichkeit, bei unterschiedlichen Gerichten zu klagen) einzuführen. Zudem bleibt ungeklärt, in welchen Fällen mehrere Verbraucherschutzverbände aufgrund des gleichen Verstoßes in unterschiedlichen Mitgliedstaaten klagen können. Ein prozessrechtlicher Blackout könnte direkte Folge sein – dies wiederum zum Nachteil für Verbraucher.

Falsch gedachter Verbraucherschutz könnte also zu untragbaren Ergebnissen aufseiten der Verbraucher und Unternehmer führen. Wie so oft liegt daher die Hoffnung bei den Justizministern der Mitgliedstaaten: Diese müssen noch über ihren Standpunkt abstimmen, bevor die Verhandlungen mit dem Europaparlament beginnen können. Dabei wird eine Einigung noch vor den Europawahlen mehr und mehr unwahrscheinlicher. Auch die deutsche Bundesregierung scheint nicht gewillt, von dem aktuellen Modell der Musterfeststellungsklage abzuweichen.

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