New Deal für Verbraucher: Europaparlamentarier vergeben Wahlgeschenke

Der jüngst abgestimmte Bericht über den Richtlinienvorschlag zur besseren Durchsetzung und Modernisierung des EU-Verbraucherrechts beweist vor allem eines: Der Wahlkampf ist eingeleitet und die Abgeordneten haben den Verbraucher als Wähler wiederentdeckt.

Brüssel, 24.01.2019 – Mit im April 2018 vorgestellte Vorschlag wollte die EU-Kommission dem bestehenden EU-Verbraucher-Rechtsrahmen auf den neuesten Stand bringen:

  • New Deal für Verbraucher: Europaparlamentarier vergeben WahlgeschenkeVereinfachungen: Für Online-Händler sollten Erleichterungen der Informationspflichten aufgenommen werden.
  • Transparenz:  Durch neue Transparenzvorschriften sollten Verkäufer und Verbraucher auf Online-Marktplätzen besser geschützt werden.
  • Bessere Durchsetzung:Weiterhin sollte Verbrauchern ein Rücktrittsrecht im Falle im Falle des Verstoßes gegen unlautere Handelspraktiken geltend machen können.
  • Produkte mit zweierlei Qualität: Der Kommissionsvorschlag sah zudem vor, dass der Vertrieb von Produkten mit verschiedenen Zusammensetzung in unterschiedlichen Mitgliedstaaten eine unlautere Handelspraktik darstellen soll.

Schien der Kommissionsvorschlag doch zumindest im Ansatz ausgewogen, verschob sich das Gleichgewicht durch die aktuelle Abstimmung im Europaparlament hingegen klar in Richtung: Mehr Rechte für Verbraucher. 

Bußgelder

Wie zu erwarten, fordern die Europaabgeordneten eine Stärkung der Verbraucherrechte im Vorschlag. Zunächst schlagen die Abgeordneten eine Erhöhung der möglichen Geldbußen bei Verbraucherrechtsverstößen vor: Analog dem Datenschutzrecht sollen dabei Höchstbußgelder von 10.000.000 Euro oder mindestens 4 Prozent des Vorjahresumsatzes von den zuständigen Verbraucherschutzbehörden ausgesprochen werden können.

Die Einnahmen aus den Bußgeldern sollen für Verbesserungen des Verbraucherschutzes verwendet werden, beispielsweise durch die Einrichtung eines Fonds zur Wiedergutmachung von Verbraucherschäden und gegebenenfalls weiterer Schäden von öffentlichem Interesse, etwa Umweltschäden.

Wichtig für Deutschland dabei: Das System der privaten Rechtsdurchsetzung soll weiterhin beibehalten werden können.

Keine Erleichterung beim Widerrufsrecht

Nach Ansicht der Kommission sollten Verkäufer einige Vereinfachungen erfahren. So plante die Kommission, missbräuchliches Verhalten im Fernabsatz zu unterbinden: Verbrauchern sollte es künftig nicht mehr ohne weiteres möglich sein, Waren zu bestellen, in Gebrauch zu nehmen und dann innerhalb der Widerrufsfrist zurückzuschicken. Die Kommission schlug vor, dass ein Gebrauch über die Prüfung der Ware hinaus ein Widerrufsrecht ausschließt. Weiterhin sollten Verkäufer das Recht haben, im Falle eines Widerrufs die eingegangene Zahlung des Verbrauchers solange zurückzuhalten, bis er die Ware wiedererhalten hat. Die Europaabgeordneten schlugen eine Streichung der entsprechenden Passage im Kommissionstext vor. 

Individuelle Rechtsdurchsetzung bei unlauteren Geschäftspraktiken

Neben der von der Kommission vorgeschlagenen Rücktrittsmöglichkeit bei unlauteren Handelspraktien durch den Verbraucher schlagen die Parlamentarier eine Ausweitung der Rechte auf Schadensersatz und Minderung vor.

Produkte mit zweierlei Qualität

Nach Auffassung der Europaparlamentarier soll der Vertrieb von Produkten mit unterschiedlicher Qualität unlauter sein, soweit keine Rechtfertigung durch klare regionale Verbraucherpräfenzen, Beschaffung lokaler Produkte oder nationale Rechtsvorschriften eine unterschiedliche Zusammensetzung der Produkte rechtfertigen.  

Nächste Schritte

Die Mitgliedstaaten haben sich bislang auf keine gemeinsame Position einigen können. Ein Abschluss des Dossiers ist dennoch bis zu den Europawahlen geplant.

Fazit

Gerade in der Streichung der Vorschriften zum Schutz von Unternehmen im Fernabsatz sieht DER MITTELSTANDSVERBUND eine vertane Chance zur gerechten Verteilung der Risiken im Verbrauchsgüterkauf. Die Erfahrungen zeigen, dass das übermäßige Ausnutzen des Widerrufsrechts zu einem immer stärker werdenden Risikofaktor im Online-Handel wird. Mit der Verschmelzung der Vertriebskanäle sollte daher unbedingt eine Anpassung der Verbraucherrechte erfolgen – denn: Kaufen, tragen und wieder zurückgeben geht im stationären Handel nicht.

Die Vorschriften zu Doppelqualitäten von Produkten scheinen bislang nicht ausgereift. Auch wenn das Parlament einige Klarstellungen diesbezüglich fordert, reichen diese nicht aus, um tatsächlich die notwendige Klarheit für Unternehmen zu schaffen: Was ist da Referenz-Produkt, an dem sich Unterschiede feststellen lassen? Inwieweit sind Verbraucherpräferenzen tatsächlich messbar? Reichen die Vorschriften über irreführende Werbung nicht bereits heute aus, um Missbrauch gegenüber den Verbrauchern zu vermeiden?

Die Abgeordneten zielen damit insgesamt auf einen überbordenden Verbraucherschutz-Standard ab – und habe damit die Europawahlen im Mai 2019 fest im Blick. Dies scheint jedoch zu kurz gegriffen: Mehr Rechte heißt nicht unbedingt eine bessere Durchsetzung derselben. So werden aus diesem Grund in Deutschland gerade neue Ansätze diskutiert, wie ungerechtfertigten Abmahnungen – als oftmals ungewolltes Nebenprodukt des europäischen Rechtsrahmens – entgegengewirkt und das Verbraucherrecht effizienter gestaltet werden kann.

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