Novellierung des EU-Wettbewerbsrecht: ZGV macht Druck

DER MITTELSTANDSVERBUND hat im Rahmen der anstehenden Novellierung des EU-Wettbewerbsrechts erneut auf die bestehenden Hindernisse für den kooperierenden Mittelstand hingewiesen.

Brüssel, 29. Mai 2019 – Eine für Verbundgruppen äußerst relevante europäische Regelung steht derzeit auf dem Prüfstand: Die sogenannte Europäische Gruppen-Freistellungs-Verordnung über vertikale Vereinbarung und deren Leitlinien werde derzeit überarbeitet. Dieses Regelwerk bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Unternehmen in vertikalen Verhältnissen Vereinbarungen treffen können, ohne wettbewerbsrechtliche Sanktionen befürchten zu müssen. Vertikalverhältnisse liegen immer dann vor, wenn zwei Unternehmen auf unterschiedlichen Handelsstufen miteinander interagieren. Die Leitlinien ergänzen diese Vorschriften mit Beispielen und Erläuterungen. Für Verbundgruppen ist damit der Rahmen gesetzt, inwieweit Verbundgruppen-Zentralen und ihre Mitglieder ihr Verhalten untereinander abstimmen dürfen. Das Regelwerk läuft 2020 aus und bedarf daher einer Erneuerung. Die Europäische Kommission hat bereits letztes Jahr mit einer Konsultation interessierter Kreise begonnen, an der sich auch DER MITTELSTANDSVERBUND beteiligt hat.


Novellierung des EU-Wettbewerbsrecht: ZGV macht DruckEinheitliche Preispolitik

Besonders relevant hierbei dürften die Bestimmungen über einheitliche Preise innerhalb von Verbundgruppen sein. Nach den bestehenden Regeln ist die Vereinbarung von Festpreisen in den meisten Fällen nicht zulässig. Verstöße hiergegen werden scharf geahndet. Ausnahmen bestehen nur in einem äußerst engen Rahmen; So können beispielsweise – nach der Erfüllung weiterer Voraussetzungen - im Rahmen kurzfristiger Sonderangebotskampagnen einheitliche Preise innerhalb einer Verbundgruppe festgelegt werden. Weitere Rechtfertigungsgründe sind die Neueinführung von Produkten oder die Verhinderung von Trittbrettfahrern.Diese Öffnung des Wettbewerbsrechts ging auch auf entsprechende Eingaben des MITTELSTANDSVERBUNDs und seines EU-Dachverbandes, Independent Retail Europe, zurück. Fast 10 Jahre Anwendung dieser Regeln haben jedoch die Schwächen dieses Systems aufgezeigt: In vielen Fällen besteht erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Interpretation der Ausnahmen, in anderen Fällen sind diese Ausnahmen schlichtweg nicht nutzbar. Ab wann ist eine Sonderangebotskampagne nicht mehr kurzfristig oder wann ist eine Maßnahme ausschließlich zur Verhinderung von Trittbrettfahrern aufgesetzt?

Mit Blick auf die Digitalisierung der Geschäftswelt und insbesondere den E-Commerce müssen diese Regeln daher zukunftstauglich gestaltet werden. Die besondere Struktur der Verbundgruppen hindert deren Mitglieder derzeit daran, effizient Online-Angebote zu gestalten. Angebote mit einheitlichen Preisen unter einer einheitlichen Dachmarke sind – anders, als bei Filialbetrieben – derzeit unzulässig. Der Kunde erwartet jedoch mittlerweile einheitliche Preise, wenn er auf einer Plattform Waren und Dienstleistungen sucht. Erfüllt eine Plattform daher nicht seine Erwartungen, ist der Kunde daher schnell verloren. Es drohen daher erhebliche Verluste von Marktanteilen – zum Nutzen von Online-Pure-Playern und integrierten Handelsketten. Denn diese können in vielen Fällen mit einheitlichen Preisen und Angeboten am Markt auftreten, ohne die Vorgaben des Wettbewerbsrechts zu beachten. „Es besteht hier klar ein Ungleichgewicht zulasten mittelständischer Unternehmen.“, konstatiert Tim Geier, Geschäftsführer Büro Brüssel des MITTELSTANDSVERBUNDs. „Was mittelständische Kooperationen daher fordern ist nicht ein „Mehr“ an Ausnahmen, sondern eine Gleichbehandlung gegenüber anderen Marktteilnehmern.“

Informationsaustausch

Daten bzw. Informationen sind gerade in Zeiten des E-Commerce essentiell für eine erfolgreiche Geschäftsstrategie geworden. Doch auch hier hindert das bestehende Wettbewerbsrecht Verbundgruppen an einer erfolgsversprechenden Weiterentwicklung. So können sich Verbundgruppen-Mitglieder nur eingeschränkt über Geschäfts-Zahlen austauschen. Auch hier fordert DER MITTELSTANDSVERBUND Nachbesserung. Die Politik hat verstanden, dass Daten Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Geschäftsstrategie geworden sind. Auch das Wettbewerbsrecht sollte daher diese Erkenntnisse verinnerlichen und in entsprechenden Möglichkeiten des Informationsaustausches im Verbund festlegen.

Ein langer Weg

Noch ist Nichts entschieden; nach einer Konsultationsphase werden nunmehr die Eingaben der verschiedenen Interessenvertreter geprüft und in die neuen Vorschläge eingebarbeitet. Nicht zu vernachlässigen, dürfte dabei die Frage sein, wer künftiger Wettbewerbskommissar wird und inwieweit danach eine Liberalisierung des Wettbewerbsrechts möglich ist.

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