UTP-Richtlinie: Hinterzimmerpolitik versus wirtschaftspolitischer Sachverstand

Vor dem Hintergrund der aktuellen Trilog-Verhandlungen zu den „Unlauteren Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette“ (UTP) warnt DER MITTELSTANDSVERBUND nochmals ausdrücklich vor der Einbeziehung größerer Unternehmen in den Schutzbereich der Richtlinie und einem Schnellschuss über die Neu-Definition von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Die Diskussion um den Schutzbereich habe keine belastbaren Zahlen und finde unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Brüssel, 06.12.2018 – Die vorgeschlagenen Größenklassen seien ohne vorherige Folgenabschätzung und nur aufgrund des hohen politischen Drucks entstanden und zwischen Mitgliedstaaten höchst umstritten, kritisiert Dr. Ludwig Veltmann, Hauptgeschäftsführer des MITTELSTANDSVERBUNDES.

Die Diskussion um den Schutzbereich habe keine belastbaren Zahlen und finde unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.Die EU-Kommission arbeitet derzeit an einer neuen Definition für kleine und mittlere Betriebe. Die aktuelle Begriffsbestimmung gilt bereits seit dem Jahr 2003 und regelt vorrangig über die Mitarbeiterzahl sowie über die finanziellen Schwellenwerte von Umsatz und Bilanzsumme, wer als KMU gilt. Die Abkehr von diesem Prinzip deutet sich derzeit in den Trilog-Verhandlungen und unter enormem Zeitdruck an. „Die Definition von kleinen und mittleren Unternehmen ist ein Ergebnis langfristiger und sorgfältiger Untersuchungen. Dieses Prinzip nun hinter verschlossenen Türen im Schnellschuss aufzuweichen, ist kontraproduktiv und potentiell gefährlich für den Wettbewerb. Die Frage danach, ob der aktuelle Schwellenwert anzuheben ist, lässt sich nicht ohne weiteres in einer „Hinterzimmerpolitik“ beantworten.“, mahnt Veltmann. 

Es werde befürchtet, dass bei einer Ausweitung der Definition auch größere Unternehmen in den Genuss des Schutzes der Richtlinie kommen könnten, die mit einem Spektrum an „Must-Have-Produkten“ bereits über eine entsprechende Markt- und Verhandlungsmacht verfügen und eines weiteren Schutzes nicht bedürfen. Hierbei bestehe auch die Gefahr, dass große Firmen gezielt Unternehmensstrukturen schaffen könnten, um unter die KMU-Definition zu fallen.

Die EU-Kommission will bis Mai 2019, also bis zum Ende der Legislaturperiode, einen Bericht mit Empfehlungen für eine neue KMU-Definition vorlegen. Hierfür hatte das Europäische Parlament am 16. Mai 2018 einen Entschließungsantrag angenommen. Das Plenum des Europäischen Parlaments hat diesen Entschließungsantrag am 4. Juli ebenfalls verabschiedet. Fraglich ist, ob eine Entscheidung noch in dieser Legislaturperiode realistisch ist.

Und: Es gibt keinerlei belastbare Beweise dafür, dass die Einbeziehung größerer Unternehmen in den Schutzbereich der Richtlinie tatsächlich zu einer Verbesserung der Lage von KMU-Landwirten führen würde. 

Stattdessen scheint der eigentliche Schutzadressat der ursprünglichen Richtlinie derzeit zum Zaungast degradiert zu werden. „Der Ursprungsgedanke, KMU-Landwirte zu schützen, ist in der aktuellen politischen Debatte um die Einbeziehung von Großunternehmen wie Nestlé & Co. verloren gegangen. Wir befinden uns in einer gehetzten und hitzigen Diskussion über eine komplexe Materie, der man mehr Zeit und vor allem eine öffentliche Debatte widmen muss.“, mahnt Veltmann.

Zudem bestünden bereits Schutzmechanismen im Wettbewerbsrecht, die derzeit völlig außer Acht gelassen würden. Das Wettbewerbsrecht kennt ausreichend Vorschriften zur Verhinderung von wettbewerbsbeschränkendem Verhalten: Marktbeherrschende Unternehmen unterliegen dabei einer Reihe von Verboten. Den marktbeherrschenden Unternehmen ist es so beispielsweise bereits heute untersagt, andere Unternehmen aufzufordern, ihnen ungerechtfertigte Vorteile jedweder Art zu gewähren. Unter der Marktbeherrschungsschwelle werden wirtschaftlich abhängige Unternehmen gegen unbillige Behinderung oder ungerechtfertigte Diskriminierung durch andere Unternehmen geschützt. Im Unterschied zu dem derzeit diskutierten UTP-Vorschlag kommt es im Wettbewerbsrecht immer auf die Betrachtung des Einzelfalls an. Starre Grenzen mit gegebenenfalls schwerwiegenden negativen Folgen für den gesamten Markt werden so vermieden.

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